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5000 Kilometer durchs Outback

 

 

 

 

 

 

ALTE DINOSAURIER
UND NEUE PANZER

16. September 1998, Mittwoch

 

Oooohh ist das kalt! Die ersten Strahlen der Sonne pieken mir in die Augen. Es ist 6:35 Uhr, ich sitze bei 12 Grad im Auto. Mein Zelt hatte ich um ein Grad aufgeheizt: 13°. In der Nacht musste ich mir den besten Kaschmir-Pullover der Welt anziehen, dann habe ich aber auch nicht mehr in meinem dünnen Schlafsack gefroren. Im Gegenteil, ich habe bis 5:50 Uhr sehr gut geschlafen. Schon um 20:30 Uhr war ich ins Bett gegangen. Ich legte mich direkt unter die Milchstrasse, die gestern wieder ganz phantastisch zu sehen war. Sie fängt praktisch beim Kreuz des Südens an, geht über Circinius zum Zenit und kommt über Delphinus im Norden wieder runter bis zum Horizont. Ein ganz toller Anblick. Besonders im Zenit besitzt die Milchstrasse richtige Wolken. Man kann es gar nicht glauben, dass das alles Sterne und keine Wassertröpfchen sind. Aber ein Blick durch so ein kleines Fernrohr, wie ich es hier habe zeigt, es sind tatsächlich Wolken voller Sterne. Unbegreiflich. Über dem Kreuz des Südens eine seltsame Erscheinung: Auf meiner Sternenkarte gibt es dort nur den dicken Stern von Circinius. Darunter ist aber hier im Abstand der Länge von Crux ein zweiter Stern zu sehen. Er ist genau so hell wie der von Circinius und die beiden dominieren den Sternenhimmel im Westen. Was ist das für ein ‚variable Star‘, wie ihn meine Sternkarte bezeichnet ??! (s. Sternenkarte. Gerade habe ich mich mit SkyMap Pro 5 schlau gemacht: Der obere der beiden Sterne ist Rigel Kentaurus (er gehört also nicht zu Circinius), der untere Beta Centauri. Es scheint wirklich noch unklar zu sein, ob Beta Centauri ein Doppelstern ist: Unresolved duplicity status: Weak indication of duplicity, combined with indication of variability. Ich habe von seiner möglichen Variabilität nichts gesehen. Im Gegenteil. An diesen beiden Sternen am südlichen Abendhimmel konnte man sich immer orientieren. Mit SkyMap kann man die Milchstrasse nur an Hand der Deep Sky-Objekte sichtbar machen. Dann entspricht das Bild in grossen Zügen der Realität, aber es ist kein Vergleich mit einer australischen Nacht unter der realen, ‚wolkigen‘ Milchstrasse !!)

Jetzt ist die Sonne 5° über dem Horizont und sie wärmt meine Ohren. Auch das Pferd auf der Weide freut sich. Es steht an der Tränke und macht Morgengymnastik. Als ich um 5:50 Uhr aus dem Zelt sehe, kann ich den ersten rötlichen Streifen des Sonnenaufgangs über dem Horizont bewundern. Darüber noch sehr hoch die schmale, aber sehr helle Mondsichel.

 

 

Junge Eukalyptusbäume vor dem hellen Horizont als Scherenschnitt. So ein schönes Bild! Sofort werde ich an TukTuk erinnert: Solche Bilder vergisst man nie. Ich will aufspringen und fotografieren, aber ich zwinge mich liegen zu bleiben. Noch ist es für ein Foto zu dunkel. Ich beobachte, wie der Himmel langsam heller wird. Wolkenstreifen parallel zum Horizont. Rot, Gelb, darüber ein ganz durchsichtiges, helles Blau, das zum Zenit hin in das ganz tiefe Blau der Nacht übergeht. Aber so tiefblau ist es auch nicht mehr, es wird im Zenit blasser, wo mich der Orion begrüsst. Er ist nur noch alleine dort zu sehen, natürlich auch der Sirius. Aber alle anderen Sterne hat der Morgen schon verschluckt. Dann stehe ich doch auf und hole zitternd die Kamera aus dem Auto – ist das kalt !! Ich mache zwei Fotos und krieche dann schnell wieder in den warmen Schlafsack.

Wegen solcher Bilder (im Kopf) gehe ich auf Reisen. Die Natur fasziniert mich. Sie ist das Mass aller Dinge. Immer wieder gibt es solche beeindruckenden Bilder zu bewundern, von Landschaften, Wolken, Sternen, Bäumen und Tieren. Aber von den Menschen, die hier leben, weiss ich fast nichts. Auch ihre Probleme tangieren mich nicht. Ich taxiere einen Ort danach ab, was es für touristische ‚Events‘ hier gibt und nach diesem Massstab ist Julia Creek völlig uninteressant. Aber hier verbringen Menschen ihr ganzes Leben. Kindheit, Freuden, Sorgen, Liebe, sie bekommen eigene Kinder, Karriere, Höhepunkte, Dramen, Abstieg und Tod. Hier spielt sich auch alles das ab, was in Deutschland üblich ist, nur australisch eingefärbt. Aber nichts davon erreicht meinen Kopf. Das wäre unbedingt eine andere Reise wert: Die Menschen und ihre Schicksale, ihre Überzeugungen, Wünsche und ihre historischen Wurzeln zu erkunden. Gerade ihre Herkunft und ihre Vorfahren zu untersuchen muss in Australien mit der nur 200 Jahre alten Geschichte sehr interessant sein. Jetzt aber bin ich der Tourist, der die Natur sehen will. Aber mir ist wenigstens klar, dass ich an vielen Dingen blind vorbeifahre, vorbeilaufe und vorbeisehe. Aber so besonders ist das nicht. Es geht in den meisten Fällen gar nicht anders: Die Welt ist zu komplex.

Jetzt fahre ich los. Strahlende Sonne aber nur 13,5°.

7:00 Uhr, CarPark Julia Creek

Heute morgen war es richtig kalt. Deswegen habe ich auf Frühstück und Dusche verzichtet und mich sogar ohne Schaum rasiert. Das kommt sehr selten vor. Aber ich freue mich auf das warme Auto (!) und die Fahrt in den Morgen. Das Frühstück gab es dann erst in Richmond im Museums-Café. Hier gab es tatsächlich mal Kaffee und Kuchen, wie man es von einem Café erwartet, auch wenn es nicht etwa eine Konditorei war.

 

 

Um 7:30 Uhr fahre ich in Julia Creek los, immer nach Osten, immer gegen die Sonne. Endlose Weiden rechts und links. Stromleitungen an hohen Betonmasten blinken im Gegenlicht. Die Sonne steht schon hoch, aber es ist noch nicht warm. Es weht ein kühler Wind, von dem ich nur etwas merke, wenn ich aus meinem gut geheizten, fahrbaren Wohnzimmer aussteige, um für Conny ein Foto zu machen. Da stehen nämlich drei Strausse in der Landschaft und da hinten ist der vierte! ‚Alive this Drive !‘ steht auf einem Schild, das auf einen Rastplatz verweist. Wie wahr. Jeder sollte dieses Schild vor sich auf der Windschutzscheibe haben. Aber auch das würde nicht viel nützen: Man kann sich diese Weisheit nicht permanent bewusst machen, denn im Normalfall denkt der Mensch nicht ... s.o. Auf einmal ist hier sogar 110 km/h erlaubt! Ich aber fahre 100 km/h weiter, ich habe mich so an diese schöne Geschwindigkeit gewöhnt. Wenn man in der Mitte der meist leeren Strasse fährt, braucht man dieses Auto kaum noch zu lenken. Man kann in Ruhe seinen Gedanken nachhängen und die Landschaft betrachten. Der Gegenverkehr besteht auf einer Strecke von 150 Kilometern höchstens aus zehn Autos, allerdings sind drei davon Road Trains. Ich überhole einen Caravan, der höchstens 90 km/h fährt. Zwischen Julia Creek und Richmond rechts, links, vorne und hinten: Weideflächen bis zum Horizont. Aber eine Sensation unterwegs: Maxwell. Eine Siedlung mit ca. 10 Häusern, 30 Kilometer vor Richmond. Wie und wovon mag hier wer leben?

Als ich in Julia Creek losfuhr dachte ich, bis Richmond werden es ca. 100 Kilometer sein. Um 9 Uhr hatte ich den Verdacht, ich wäre falsch und aus Versehen nach Süden gefahren. Richmond müsste ich doch schon längst erreicht haben. Um 9:30 Uhr tauchte diese kleine Stadt dann auf. Richmond ist 144 Kilometer von Julia Creek entfernt und ich bin wirklich nur 100 km/h gefahren.

Ich fange an, diese kleinen Städte im Outback Queenslands zu lieben. Hier scheint es noch Ruhe zu geben. Die Leute laufen alle nur ganz langsam, setzen bedächtig einen Fuss vor den anderen. Wozu rennen, wenn es morgen den gleichen Tag wieder gibt? Man geht langsam durch den Hardwarestore, zahlt gemächlich an der Kasse, steigt langsam in das Auto ein, fährt langsam los. Bewegen sich auch die Blätter und Zweige langsamer im leichten Wind, als in Deutschland? Blauer, weiter Himmel, Wolken nur ganz unten am Horizont. Ein Vogel schreit laut. Fast hört es sich an, wie das schrille Klingeln eines Telefons. Die Zeltkonstruktion vor dem Marine Fossil Museum, unter der ich jetzt sitze, knarrt wie eine alte Tür, während sie sich im Wind leicht bewegt. Sonst ist hier nichts zu hören. Ruhe. Kein Mensch ist auf der Strasse zu sehen, alle Autos (es sind nicht viele) stehen.

 

 

Weiss gestrichene Holzhäuser, saubere Vorgärten, bunte, niedrige Holzzäune, ein wahrscheinlich täglich gepflegter Mittelstreifen mit sattem, grünen, kurzem Gras und riesigen Blumenbüschen. Alles atmet Ruhe und Zufriedenheit, alles ist im Gleichgewicht – hier gibt es nur Brüder und Schwestern und (von aussen betrachtet) kein Problem.

Das Marine Fossil Museum von Richmond ist in einer Blechscheune untergebracht. Jetzt sitze ich davor, nachdem ich mir das Museum gründlich angesehen habe. Es war sehr vielfältig und interessant. Alle Fossilien stammen aus der Umgebung von Richmond. Und auch hier im australischen Outback ist wieder das Landleben von Amerika zu beobachten: Auf jedem größeren Exponat ist ein grosses Schild mit dem Namen des edlen Spenders angebracht, mit dessen Geld dieses Ausstellungsstück so hervorragend präpariert werden konnte. Alle lokalen Grössen sind auf den Schildern wieder vereint. Ein Hundsfott, der kein Exponat gesponsert hat. Na, das genau wäre das Leben, was ich mir in meinen Träumen vorstelle! Die Ausgrabungen der Dinosaurier und ihrer Eier in der Umgebung von Richmond aber sind wirklich hoch interessant. Versteinerte Eier in allen Grösse, bis zu einem Meter im Durchmesser. Es gibt in Richmond sogar ein Denkmal, das aus solchen Eiern besteht! Auch habe ich in diesem Museum gelernt, dass der australische Kontinent ursprünglich aus mehreren Schollen bestand, die vor ca. 100 Millionen Jahren zu einer Platte zusammen geschoben wurden. Dadurch sind noch heute ganz signifikante und scharfe geologische Grenzen, z.B. zwischen Queensland und Darwin, vorhanden. Dieses Museum war sehr interessant und immer wieder lernt man etwas dazu.

Hier in Richmond kommt mir Australien vor, wie Amerika im 18. Jahrhundert. Nur dass die wenigen Leute nicht entsprechend gekleidet sind. Aber der wesentlichere Unterschied ist, dass hier das Land eindeutig verteilt ist und dass es schon eine funktionierende Infrastruktur gibt. Das ist aber auch schon alles. Ansonsten ist hier in dieser kleinen Stadt noch jede Entwicklung möglich und jede Idee kann realisiert werden, man muss es nur machen und dazu genug Zeit mitbringen. Wenn Du Dich entschliesst, mein lieber Freund Conny, in Julia Creek oder Richmond einen Computerladen aufzumachen, dann bist Du hier der erste und der grösste Computerspezialist im Umkreis von 200 Kilometern. In den 10 bis 15 Anfangsjahren musst Du allen erwachsenen Mitbewohnern dreimal täglich erklären, warum sie einen Computer haben sollten. Sie werden Dir zuhören, aber auch nach 10 Jahren haben sie Dir noch keinen abgekauft. Dann aber sind ihre Kids so gross, dass Du ihnen Computerspiele verkaufen kannst. Das sind später dann Deine Computerkunden. Inzwischen hat mit Sicherheit auch in der Schule das Internet Einzug gehalten. Education und Internet passen sehr gut zueinander und in dieses endlos weite Land. Sicher werden sich mit der Zeit einige Leute in das Internet einklinken. Du machst immer mal wieder ein Geschäft und wirst mit Deinen Fachkenntnissen geschätzt und gebraucht. Du wirst hier nicht reich, aber ein geachteter Bürger. Nette Mädchen, die Deine Kinder zur Welt bringen, gibt es auch hier. Land in der Grössenordnung, wie man es für ein Holzhaus mit Computerschaufenster braucht, wird billig zu haben sein. Den ganzen langen Tag hast Du Zeit, mit Computern zu basteln und im Internet zu surfen. Der Rasen muss gemäht werden und auch an Haus und Garten gibt es immer etwas zu tun. Und am nächsten Tag geht alles wieder von vorne los und das Jahre und Jahrzehnte lang. Auch so kann man sein Leben leben und es dann auf dem Cemetery von Richmond in Ruhe beschliessen.

Ich gehe jetzt wieder on the Road, nachdem ich die Vorräte aufgefüllt habe, die mir heute nacht wahrscheinlich ein Känguruh geklaut hat: Ich hatte Wurst und Margarine unter das Auto gelegt, weil ich dachte, da wäre es schön kühl. Der Gedanke war richtig. Gegen Ameisen hatte ich das Ganze auch in eine Plastiktüte eingewickelt. Mit einem Känguruh aber hatte ich nicht gerechnet!

10:35 Uhr, Richmond, Marine Fossil Museum

Vor mir auf der Strasse transportiert die Army Panzer. Wozu braucht Australien Panzer ?! Für die innere Sicherheit? Gegen welchen äusseren Feind? Aber die australischen Generäle habe offensichtlich ausreichende Gründe gefunden, um viele Panzer und sicher auch andere Waffen anzuschaffen. Und jetzt spielen sie Krieg und transportieren eine Unzahl von Panzern auf den gleich mit beschafften Tiefladern mit Überbreite durch den Bush. Nicht zu fassen, aber wahr. Ich lasse sie fahren, weil es mich nervt, ständig hinter so einer Kolonne her zu fahren.

 

 

Ich steige in dem ersten und einzigen Hotel von Prairie ab. Ein guter Kaffee für einen Dollar, eine nette, junge Frau hinter der Bar. ‚Ist es hier nicht manchmal langweilig?‘ ‚Nein warum, hier kommen doch viele Leute vorbei, mit denen ich mich unterhalten kann. Natürlich haben wir auch viele Stammkunden, die Trucker von der Strasse, die hier vorbei geht. Ja, ich glaube, nur deshalb kann man es hier aushalten. Das nächste bewohnte Haus kommt erst nach 20 Kilometern.‘ Das Hotel, ein Holzhaus im Western-Style steht schon 120 Jahre hier, erzählt sie mir. Reliquien aus der Historie und von den Pionieren des Outbacks an den Wänden. Am beeindruckendsten sind die alten Hüte. Australien hat viel vom ‚wilden Westen‘ der USA. Fotos an den Wänden zeigen, dass hier der Grösste ist, der das grösste Wildschwein zur Strecke bringt. Es sind ehrfurchtgebietende Keiler: Zwei Meter lang, oder mehr? Ich möchte diesen Viechern jedenfalls nicht im Bush begegnen.

Die Fahrt von Richmond nach Hughenden führte wieder durch Weideland. Aber kurz nach Richmond hatte man den Eindruck, die Weiden hier sind nicht so verbrannt wie um Julia Creek, sie haben sogar einen Anflug eines ganz leichten grünen Schimmers. Oder ist das Täuschung, Fata Morgana? Nein, es stimmt. Je weiter ich nach Westen komme, um so deutlicher ist erkennbar, die Weiden werden grün. Noch kein sattes und saftiges Grün, aber hier kann man als Rindvieh überleben. Dass die Bäume von den Weiden verschwinden müssen, war hier auch deutlich zu sehen: Hier gab es noch vor kurzem Bäume auf den Weiden. Sie wurden vor nicht allzu langer Zeit gefällt und liegen jetzt vertrocknet, zersägt und zu grossen Haufen gestapelt auf der Weide. Warum nur ?!?

 

 

Parallel zur Strasse verläuft eine Eisenbahnlinie. Nie habe ich bisher auf so einer Strecke einen Zug gesehen. Plötzlich sehe ich in der Ferne einen Güterzug kommen! Zufällig ist auch ein (unbeschrankter) Eisenbahnübergang da. Ich biege auf diese schmale Strasse nach rechts ab und fahre auf den Übergang zu. Der Lokführer der riesigen Dieselmaschine hupt aufgeregt: Er ist zwar noch 150 Meter weg, kriegt aber den Zug nicht mehr zum Halten, wenn ich mich jetzt da vorne auf die Gleise stelle! Aber das habe ich natürlich nicht vor. Auto anhalten, Kamera, raus springen, winken, Foto machen !! Der Zugführer macht dazu mit seiner Sirene einen höllischen Lärm: Endlich ist mal was los auf dieser öden Strecke!

In Hughenden ist kein so schönes Fossilien-Museum wie in Richmond zu besichtigen. Aber hier steht ein grosses Skelett am Info-Point. Einige (leider undatierte) Schwarzweiss-Fotos aus der Pionierzeit: Man sieht, dass auch dieses ehemalige Hotel im Western-Style mindestens 100 Jahre alt ist. In so einem Holzhaus muss ich unbedingt mal übernachten. Dieses Feeling muss ich unbedingt erleben. Känguruh-Felle mit dem langen Schwanz gibt es hier für 20 $. Ist das etwas, worüber sich Johanna Clara Beyer freuen würde? Das arme Känguruh – lieber nicht, oder noch nicht. Später merke ich in Cairns, dass man dort für solche Felle das Dreifache bezahlen muss. Ich nehme aber trotzdem keines davon mit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Johanna über ein totes Känguruh freuen würde.

Hughenden hat ein China-Restaurant. Es ist Mittagszeit, als ich in Hughenden spazieren gehe. Warum nicht mal wieder ein chinesisches Essen? Das Restaurant ist in einem hohen Blechschuppen eingerichtet, mit tiefgezogenen Plastikkacheln a la DDR verkleidet und mit den üblichen China-Accessoires ausgestattet. Grosse, runde Tische für die Asiaten, kleine viereckige für die Weissen. Zwei Chinesinnen bedienen, Mutter und Tochter? Das Lokal ist leer, ich bin der einzige Gast. Es gibt ein hervorragendes China-Menue: Rindfleisch, Gemüse, Reis. Alles frisch, heiss und sehr gut für 9 $. Im voll aufgedrehten Fernseher laufen die Commonwealth Games in Kuala Lumpur, die ich bisher nur vom Radio kenne. Franky Frederek (einer der wenigen Sportler, die ich kenne) gewinnt gerade den 100-Meterlauf in 10,10 sec. Im Radio gibt es Zeiten, wo es auf allen Sendern nur um diese Spiele und darum geht, wieviel Medaillen Australien inzwischen gewonnen hat. Als ich fertig bin, will ich mit der CreditCard bezahlen. Das geht hier nicht, weil die Summe kleiner als 10 $ ist. Das ist ungewöhnlich. An allen Tankstellen und auch im Supermarkt ist es absolut selbstverständlich, dass man alles und jeden Betrag der CreditCard bezahlt. VISA geht immer, AMEX meistens. Nach dem Essen lasse ich an der Tankstelle 28 Liter für 20 $ nachfüllen. Dabei rollen die ersten Panzer an der Tankstelle vorbei. Auch hier in Prairie, wo ich jetzt auf der überdachten Veranda sitze, fahren in Abständen immer noch Panzer vorbei. Das ist nichts für mich.

Ich habe mich noch nicht entschieden, wo es heute eigentlich hin geht. An die schöne Ostküste oder doch noch ein Stückchen weiter nach Süden? Aber ich denke, ich weiss jetzt, wie der Outback aussieht, ausserdem werde ich in Darwin ja noch eine Woche im Outback auf Safari gehen. Jetzt fahre ich in das schöne Tableland und an die Coral Sea! Das ist etwas, was ich nicht so schnell wiedersehen werde. Also auf geht’s, hoffentlich hat die Army jetzt einen ausreichenden Vorsprung vor mir.

14:35 Uhr, Prairie Hotel

Gerade habe ich einen Spaziergang durch das abendliche Charters Towers gemacht. Es ist kurz vor 19 Uhr und schon dunkel. Das ist die Zeit, zu der in jeder europäischen Kleinstadt die Kneipen voll sind und die Geschäfte gerade noch auf haben, wo Trubel auf der Strasse ist. Es ist Feierabend, das Tagewerk ist vollbracht, es wird flaniert und ein Einkaufsbummel gemacht, die ersten Leute sind unterwegs, die das Nachtleben geniessen wollen und auch die, die essen oder ins Theater gehen wollen. Nichts davon hier. Diese Stadt ist relativ gross und hat ein richtiges Geschäftsviertel mit mehreren Geschäftsstrassen. Aber alle Geschäfte sind seit mindestens 18 Uhr schon geschlossen, nur Woolworth und ein Friseur haben noch auf. Die Auslagen der Geschäfte sind alle beleuchtet, aber es ist fast niemand auf der Strasse oder auf den überdachten Bürgersteigen. In den Hotels gibt es Bars, sogar ein ‚NITE‘-Club gibt es hier – ich weiss nicht was das heisst, kann es nur an Hand der Bilder vieler schöner, barbusiger Mädchen vermuten. Aber es fehlen die Kunden, kein Mensch ist auf der Strasse, alles ist wie leer gefegt. Die Bars haben die Türen offen, darin sitzen wenige Männer mit grossen Hüten an der Bar, leichte Mädchen spielen Billard, Musik dröhnt aus der HiFi-Anlage.

 

 

In Charters Towers sind ein paar schöne Gebäude von der Jahrhundertwende zu bewundern, als diese Stadt noch Golden City genannt wurde und voll von Diggern und Glücksrittern war. Alte Gebäude im klassizistischen Stil der Landsitze amerikanischer Plantagenbesitzer, deren Architekten sich vom klassischen Griechenland inspirieren liessen. Das war die Architektur, mit der man vor 100 Jahren Reichtum und Solidität demonstrierte. Die hier am Abend angestrahlten Gebäude waren deshalb früher entweder Banken, das Rathaus oder die Post. Und das sind sie auch heute noch. Der Goldrausch ist vorüber, aber Charters Towers hebt sich immer noch deutlich von den Kleinstädten der Umgebung ab. So schöne Bauwerke und so viele Geschäfte sind im Outback ungewöhnlich. Auch heute ist hier sogar noch eine Goldmine in Betrieb, reich wird damit wohl jetzt keiner mehr. Aber das Stadtbild ist interessant, morgen gehe ich mir das Ganze noch einmal im Morgenlicht ansehen. Es gibt hier auch mehrere Museen. Morgen werde ich also nicht wieder nach oder sogar vor dem Frühstück gleich losfahren, wie ich es jetzt immer gehalten habe.

Heute bin ich der grünen Ostküste deutlich näher gekommen. In Julia Creek war das ganze Buschland noch gelb und verbrannt. Hinter Richmond wurden die Weideflächen zaghaft grün und hinter Hughenden wuchsen im Buschland wieder kleine Eukalyptusbäume. Spätestens ab Pentland fährt man durch richtigen Eukalyptuswald. Streckenweise brannte in diesem Wald das Gras und das wenige Unterholz. Alles war schwarz und voller Rauch. Ein paar Kilometer fahre ich durch einen Wald voller grosser, silberner, toter Bäume. Sind sie verdorrt oder haben sie das Feuer nicht überstanden? Die Landschaft ist nicht mehr ganz flach, sanfte Hügel, aber leider keine Aussichtspunkte. Ansonsten gab es nur die gerade Strasse aber grünes Gras neben dem Randstreifen, das an einigen Stellen sogar blüht.

Der Van Park, auf dem ich heute hier mein Zelt aufgeschlagen habe, ist klein aber gut ausgestattet. Er ist nahe am Zentrum mit den vielen Geschäften. In höchstens 10 Minuten kann man es zu Fuss gut erreichen. Hier gibt es nur drei Plätze, wo man auch sein Zelt aufstellen kann. Die habe ich alle für mich alleine, ausser mir schläft heute hier keiner im Zelt. Um 18:15 Uhr hatte ich das Zelt aufgebaut und dann gab es ein schönes Abendbrot: Kiwi, Saft, Crunchies, Margarine, Wurst, Fisch aus der Dose. Hoffentlich hat dem Känguruh meine Wurst geschmeckt! Die neue, die ich mir heute in Richmond gekauft habe, ist nicht so gut. Trotzdem lasse ich jetzt keine Lebensmittel mehr unter dem Auto oder am Zelt liegen. Das Auto ist eben wirklich unersetzlich. Auch als Speisekammer.

Heute morgen stellte sich mir die interessante Frage, was würde ich aufschreiben, wenn ich zu Fuss unterwegs wäre? Das Buch würde sich sicher genau so schnell füllen, obwohl ich eine kürzere Strecke zurücklegen würde. Wäre ich in einem Ultraleichtflugzeug unterwegs (überall gibt es hier Flugplätze, aber in der Luft ist praktisch nie ein Flugzeug zu sehen), hätte ich auch viel aufzuschreiben. Daraus erkennt man wieder das Prinzip der Selbstähnlichkeit: Mandelbrot lässt grüssen, das Apfelmännchen, das Bild im Bild. Man kann offensichtlich (im Kopf !) genau so viel im Sessel sitzend erleben, als wenn man wandert, mit der Eisenbahn reist oder mit dem Flugzeug unterwegs ist. Das ist faszinierend. Eigentlich brauchte man sich doch nur an diese Erkenntnis zu halten: Der Mensch braucht keine exaltierten Aktivitäten, kein Geld, keine Immobilien, keine Titel und keine Orden und auch keine immer wieder neuen Geliebten, um glücklich und zufrieden zu sein. Er muss nur satt und gesund sein, sich in einer angenehmen Umgebung befinden, über viel Lebenserfahrung und einen klaren Verstand verfügen. Allein mit dem Kopf ist er dann in der Lage, sich in den Zustand vollkommener Zufriedenheit und des uneingeschränkten Wohlbehagens zu versetzen. Warum machen wir das bloss nicht, oder zu selten !? Warum können manche lebenslang nie das Dreieck von Arbeit, Bank und Psychiater verlassen...?!

Das erste Mal ist mir dieses Phänomen in Leipzig, in unserem kleinen Garten an der Pleisse aufgefallen: Ich hatte täglich 14 Stunden Stress mit den Zahnstreifen an Druckmaschinen. Sie blockierten, den gesamten Export des polygraphischen Maschinenbaus der DDR! Im Garten konnte ich für ein paar Stunden am Wochenende mit der Familie Luft schnappen. Für die Gartennachbarn war die Bewirtschaftung des 100 Quadratmeter grossen Gartens über vier Jahreszeiten aber ein gleich grosses Problem. Auch sie hatten damit täglich 14 Stunden Stress. Senga Sengana !! (Eine Erdbeersorte von 1965, die uns diese Nachbarn unter dem Siegel grösster Verschwiegenheit empfohlen haben!) Heute ist mir klar, dass man dieser Falle nur durch Relativierung und Apperzeption entkommt.

Nach diesem tiefschürfenden Exkurs gucke ich mal nach dem Sternenhimmel und dann ist Nachtruhe angesagt. Von der Milchstrasse ist hier nicht viel zu sehen, es gibt in der Nähe ein paar Strassenlaternen und schon existiert die Milchstrasse nicht mehr. Unbeabsichtigt habe ich jetzt eine klassische Frage von Kosmologen und Philosophen anders formuliert, über die man nächtelang rätseln kann: Ist der Mond auch noch da, wenn keiner hin guckt ?!

19:50 Uhr, Mexican Tourist Park, Charters Towers

 

 

 

 

 

 

ALIVE
THIS DRIVE

17. September 1998, Donnerstag

 

Wieder war es kalt in dieser Nacht, aber ich habe trotzdem gut geschlafen. Um 4:30 Uhr habe ich mir meine lange Hose angezogen und danach dann noch einmal bis 7 Uhr behaglich geschlafen. Der Sonnenaufgang fiel heute aus, auf diesem CarPark war in dieser Richtung außer Palmen und Büschen nichts zu sehen. Als ich aufstehe, sind es nur 16 Grad und das Zelt ist nass. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder das Zelt in den Sack oder zwei Stunden warten. Nach Warten ist mir nicht, denn nachdem ich gestern Abend meine schlauen Reisebücher konsultiert habe, werde ich doch noch weiter in Richtung Süden fahren. Der erste Grund: Ich habe noch fast eine ganze Woche Zeit. Der zweite Grund: Das herrlich bequeme Auto. Der dritte Grund ist entscheidend: Ich will die Edelsteinfelder von Emerald sehen. Das ist sicher interessant und vielleicht ist dort auch der Landschaft wieder ein neuer Aspekt abzugewinnen. Also stecke ich das Zelt in den Sack, eine Banane als Frühstück, ein paar Fotos von den schönen Gebäuden in Charters Towers und dann geht es wieder on the Road.

 

 

Gestern war die Gegend vor Charters Towers sehr interessant, ganze Wälder von hohen Eukalyptusbäumen. Das ist bis Belyando Crossing, wo ich jetzt gerade Frühstück mache, nicht anders. Gestern ging mir die Strasse auf die Nerven: Die Strasse selber war auf den letzten 100 Kilometern vor Charters Towers völlig in Ordnung, aber irgend ein verrückter Strassenbauingenieur hat sich offensichtlich vom Hersteller grosser, blinkender Strassennägel bestechen lassen: Er hat in die Mitte der schönen, geraden Strasse alle 10 Meter so einen Nagel eingeschlagen. In Kurven und an Bergkuppen ist eine Doppellinie mit diesen entsetzlichen Nägeln markiert. Gerade dann, wenn man wegen einer Kurve oder einem Hügel sowieso aufpassen muss, ist man gezwungen, auch diesen Nägeln auszuweichen, die doppelt die Strassenmitte im Abstand von 40 bis 50 cm markieren !! So ein Wahnsinn! Die Strasse an sich ist gut, aber sie ist nicht breit, höchstens 4 Meter. Fährt man links, muss man zirkeln: Entweder man fährt links in den Randstreifen oder rechts in die Nägel. In beiden Fällen fangen sofort die Räder an zu poltern, denn der Randstreifen ist holprig und die Nägel sind ca. 2 cm hoch. Eigentlich kann man nur ordentlich fahren, wenn man die Nägel zwischen die Räder nimmt. Aber genau das sollte man ja in Kurven oder am Berg gerade nicht machen. In Charters Towers sind wahre Orgien mit diesen blinkenden Nägeln zu besichtigen: Schräg schraffierte Flächen vor Kreuzungen sind0 mit hunderten dieser Nägel gespickt. Ein kompletter Idiot, der das veranlasst hat. Aber auch hier sind wir in einem freien Land, und wenn er meint, dass er damit seinen Job gut macht und ihm keiner in den Arm fällt, dann ist das in Ordnung. Wahnsinn ist nur, dass es die Verantwortlichen nicht interessiert, dass man eine so verunstaltete Strasse nur noch mit Mühe befahren kann...

Mit dem Einflussbereich dieses Nagelfetischisten hören die entsetzlichen Nägel wenige Kilometer nach Charters Towers auf. Die Strasse wurde einspurig, rechts und links Randstreifen. Aber im Gegensatz zu der Umgebung von Cloncurry waren die Randstreifen hier kreuzgefährlich: Vor langer Zeit war es wohl mal naß in dieser Gegend. LKWs hatten tiefe Furchen in den Randstreifen gepflügt. Jetzt aber war alles steinhart getrocknet. Ausserdem gibt es hier den aus Deutschland bekannten ‚tief liegenden Randstreifen‘: Ein 4 bis 8 cm hoher Absatz zwischen Strasse und Randstreifen. Man muss es deshalb unter allen Umständen vermeiden, hier mit 100 km/h in diesen Randstreifen zu fahren. Aber heute morgen bin ich streckenweise wieder 120 km/h gefahren, weil die Strasse so gerade und so leer war ...! Mist ist das mit den dofen Reflexen! Aber auf den 200 Kilometern bis hier her, kamen mir vielleicht acht Fahrzeuge entgegen.

 

 

Die 200 Kilometer bis hier her bin ich in genau zwei Stunden gefahren. Ein einziges Mal nur stieg ich aus: Die Strasse macht eine Biegung nach links und es geht abwärts. Berge in der Ferne, davor liegen Wald und Bush in einer hügeligen Ebene, ganz rechts ein Baum. Kein spektakuläres Bild, aber etwas Besonderes im Outback, wo in der Regel nur eine gerade, leere Strasse zu sehen ist. So ein Foto muss es geben, denn deswegen habe ich angehalten und bin ausgestiegen. Ich steige wieder ein und nachdem ich ungefähr drei Minuten weiter gefahren bin, sehe ich exakt das gleiche Bild vor mir ...!! Eine irre Situation: So muss es sein, wenn man in eine Zeitschleife gerät! Ich warte gespannt die nächsten drei Minuten ab, aber das Bild wiederholt sich nicht noch einmal. Aber was wäre, wenn ich permanent in dieser Schleife fahren müsste? Wenn ich merke, ich kann weder nach rechts, links oder zurück aus dieser Schleife aussteigen? Dann ist das Benzin alle, ich stehe am Strassenrand und wenn überhaupt, kommen mir immer wieder die gleichen Autos entgegen ... Science Fiktion, Horror!

10:23 Uhr, Belyando Crossing

Um 10:30 Uhr fahre ich in Belyando Crossing nach meinem Picknick wieder ab. Die Landschaft bleibt die gleiche: Hohe Eukalyptusbäume wechseln sich mit grünen Weiden ab, darauf braune, wohlgenährte Rinder. Die Strasse ist nicht gut, sie ist aber auch nicht schlecht, die übliche Qualität der ‚Developmental Road‘, allerdings mit Teerdecke. Ich fahre hinter einem dicken Trucker her, der fährt zwischen 100 und 105 km/h. Genau das ist meine Geschwindigkeit, da ist es ganz angenehm, einem Leithammel zu folgen. Der Abstand zum Trucker beträgt immer mindestens 300 Meter, ich fahre so, dass ich ihn immer gut sehen kann. So fahren wir 120 Kilometer durch eine Landschaft, die immer die gleiche ist. Etwas besonderes ist nicht zu sehen, ich brauche kein Foto zu machen, also immer dem Trucker nach. Der fährt übrigens genau so wie ich: Immer die Mittellinie zwischen den Rädern, da braucht man am wenigsten gegen die Strassenwölbung zu lenken. Mal fährt er mehr auf der linken Seite, mal mehr rechts, wen stört das, es gibt ja praktisch keinen Gegenverkehr.

Ich denke so vor mich hin, an nichts besonderes, an keine Gefahr, bin völlig entspannt und bewundere die grossen, abgestorbenen Eukalyptusbäume am Strassenrand und wie sie so eigenartig silbrig in der Sonne glänzen. So einen Baum muss ich unbedingt fotografieren: Viele silberne Arme recken sich in den blauen, wolkenlosen Himmel. Wo ist der schönste dieser toten Bäume? Plötzlich, bei rund 100 km/h, sehe ich 10 Meter vor mir ein rotes Auto !! Es kommt mir entgegen und ich bin mit den rechten Rädern auf seiner Spur !!? Eine leichte Rechtskurve und es geht nach unten. Ich habe nach den Silberbäumen geguckt, bin über eine leichte Bergkuppe gefahren und habe deshalb dieses Auto erst zu spät gesehen ... Da kann man nur noch hoffen, dass die (dofen ...!) Reflexe das Richtige machen werden. Der Verstand ist in einer solchen Situation viel zu langsam! Meine Reflexe haben den Elchtest (!!) gemacht und das hervorragende Auto hat ihn bestanden: Wohldosiert aber konsequent ging es ohne Bremsung scharf nach links und dann gleich wieder geradeaus. Ein kurzes Schlingern und Schlenkern des Wagens, alles ist wieder unter Kontrolle und alles ist vorbei. Das war nicht 5, sondern 10 Minuten vor 12 Uhr, ca. 25 Kilometer vor Clermont. Die Zeit entspricht genau der Gefährlichkeit: Wir hätten uns auch ohne Elchtest nicht berührt, aber dann wäre es knapp geworden, vielleicht 10 oder 20 cm. So sind wir im Abstand von einem Meter mit 200 km/h aneinander vorbei gebraust. Was lernt man daraus? Nichts Neues: Erstens fährt man nicht auf der Mittellinie, das ist klar, seit es Autos und Mittellinien gibt. Zweitens passt man auf, wenn man mit 100 km/h fährt, egal ob auf oder neben der Mittellinie. Die Gefährlichkeit der Strassen im Outback liegt in ihrer endlosen Eintönigkeit. Es passiert einfach nichts, die Zeit bleibt quasi stehen, weder Gegen- noch Überholverkehr und hunderte von Kilometern immer das gleiche Landschaftsbild. Da lässt einfach die Aufmerksamkeit und die Konzentration nach. Man ist sich nicht mehr bewusst, dass man im Auto sitzt und man hat längst schon den Reflexen völlig das Steuer überlassen. Ich ertappe mich in solchen Situationen immer wieder, dass ich mit 120 km/h, anstatt mit 100 km/h fahre. Warum? Das ist exakt die Geschwindigkeit, die ich in Deutschland fahre, wenn die Strasse gerade und alles in Ordnung ist: Die Macht der Gewohnheit ist gross und gefährlich und sie wirkt auch auf der anderen Seite der Erdkugel!

 

 

Ich halte an und fotografiere den Baum, den ich vor dem Elchtest im Auge hatte. Daneben steht noch einer, der auch so silbrig gegen das makellose Blau des Himmels glänzt. Wäre ich noch weiter in der Mitte gefahren, gäbe es diese (hoffentlich schönen) Bilder nicht. Die Ästhetik war Schuld an dem Crash! Aber das ist tröstlich. Viel schlimmer wäre es doch, wenn ich durch einen geplatzten Reifen plötzlich und unerwartet das Zeitliche gesegnet hätte...

Ich habe genug vom Outback gesehen. Nach den Edelsteinfeldern von Emerald fahre ich an der Goldcoast wieder nach Norden. Dort gibt es eine schöne, abwechslungsreiche Landschaft, viel Verkehr, breite Strassen, 100 km/h und kein Problem. Deshalb fahre ich an Clermont gleich vorbei. Eine Umgehungsstrasse macht’s möglich. Die grössere Stadt ist Emerald. Davor kommt noch Capella, ein Nest aus wenigen Häusern. Die grösste Touristenattraktion in Capella ist geschlossen: Das Pionier Village. Das ist ein wahrscheinlich interessantes Heimatmuseum, aber vielleicht muss man sich anmelden. Heute ist hier jedenfalls alles dicht. In Capella zweigt ein Weg zu mehreren Edelsteinminen ab. Aber weil ich nicht weiss, was es dort ausser schönen Bergen, die schon in Sicht sind, noch zu sehen gibt, fahre ich direkt nach Emerald. Dort werde ich mich erst mal über diese Gegend hier informieren. Emerald ist eine größere Stadt, ähnlich wie Charters Towers. Dort buche ich im grossen CaravanPark für die nächsten zwei Nächte einen Zeltplatz. Um 14:30 Uhr ist das Zelt in einem Mückenwald aufgestellt. Leider gibt es hier keine Sicht auf Sterne und auf den Sonnenauf- und -untergang.

In Emerald werde ich mindestens einen Ruhetag einlegen und die Edelsteinfelder besichtigen. Aber weiter südlicher als Emerald fahre ich nicht: Was man unter Outback zu verstehen hat, weiss ich jetzt: Es ist immer wieder der mehr oder weniger gleiche Bush. Von hier aus werde ich nach Rockhampton und von dort nach Norden fahren: Den herrlichen South Pacific Ocean und das Barriere Riff immer auf der rechten Seite. Dabei werde ich mich bemühen, nicht zu weit rechts zu fahren ...!

15:30 Uhr, Cabin & Caravan Village, Emerald

Auf diesem CaravanPark hier sehe ich nicht viel vom Sonnenuntergang. Deswegen bin ich nach einem guten Abendbrot (es gab ein Seafood Basket und Cappuccino) raus vor die Stadt gefahren. Auf dieser Strasse in Richtung Westen werde ich morgen zu den ‚Gemfields‘ von Rubyvale fahren. Jetzt aber ist hier Abenddämmerung. Keine Wolke am ganzen Himmel. Das Gelb am westlichen Horizont wird schwächer. Der rötliche Widerschein des Sonnenuntergangs im Osten: Violett und schwach, aber deutlich zu sehen. Das ist selten zu beobachten und dieses Farbspiel ist auch bald verschwunden. Dafür leuchtet dort jetzt schon kräftig der Jupiter. Die ersten Sterne sind zu sehen, es ist 18:35 Uhr. Die beiden hellen Sterne vom Kreuz des Südens und die beiden darüber. Diese beiden Sterne des Centaurus kommen sofort nach dem Jupiter zum Vorschein. Noch 20 Minuten, dann wird wohl auch im Westen alles dunkel sein, oder dauert es länger? Schliesslich bin ich ja rund 1000 Kilometer südlich von Karumba, da geht es nicht so schnell! Na, wir werden sehen. Geräusche kommen nur von der nahen Strasse, auf der noch einige Autos fahren. Hier gibt es jede Menge hungriger Mücken, sogar in das Auto hat sich eine eingeschlichen, ich höre sie ...! Aber das AUTAN aus Deutschland hilft auch gegen die australischen Mücken.

Vor gut zwei Stunden habe ich viele E-Mails abgesetzt! Ich habe zwei Sorten von Nachrichten produziert: Eine ausführliche Mail an Stefan mit einer Kopie an Onkel Dieter und Conny. Und dann eine kurze Mail in English nach Halle und zu Tanja: ‚Das ist die letzte Nachricht von AL, ich beende mein Leben als Digger auf den Gemfields von Emerald.‘ Na, da werden sich aber meine Kollegen in Halle freuen! Ich habe eine Weile nach dem Internet-Service in Emerald gesucht: Es gibt kein Geschäft mit Internetanschluss, kein solches Café im Zentrum. Der Computershop hatte die richtige Idee: ‚May be, in the public library!!‘ Ich frage mich dorthin durch und bin ausnahmsweise mal zu Fuss unterwegs. Das Auto habe ich vor der Meal Mall geparkt. Eine freundliche, ältere Dame weiss hier gut Bescheid: ‚Internet, E-Mail, of course, over there!‘ Internet funktioniert hier nur über Hotmail. Aber sie erklärt mir, dass sich da jeder kostenlos registrieren kann und schon geht’s los. Das probiere ich aus und tatsächlich, es funktioniert! Als E-Mail-Adresse wurden mir verschiedene Albrechts vorgeschlagen. Albrecht ohne alles war schon ausgebucht. Nach der CreditCard wird nicht gefragt, also wähle ich

albrecht_13@hotmail.com

und ein Passwort und schon kann ich loslegen. Ich habe von ‚Hotmail‘ noch nie etwas gehört, obwohl es ein kostenloser (!) Service von Microsoft ist. Aber wenn ich das System richtig verstehe, könnte es den riesigen Vorteil bedeuten, dass ich mit dieser E-Mail-Adresse jetzt weltweit über

http://www.hotmail.com

erreichbar bin !!? Das wäre ja eine exorbitante Annehmlichkeit !! Zum Beispiel könnte ich in Rockhampton nachsehen, ob eine Antwort auf eine E-Mail eingegangen ist, die ich in Emerald abgesetzt habe. Dannenberg und Schwenke werden das sicher durchschauen, Stefan vielleicht auch. Morgen abend gehe ich noch einmal in die Bücherei und sehe nach, ob sie mir etwa schon geantwortet haben! Ausserdem kann ich da stundenlang sitzen und probieren, dieser Service in der Public Library ist tatsächlich ohne Geld in Anspruch zu nehmen: ‚Wir sind eine öffentliche Einrichtung und stellen diesen Service für unsere Bürger natürlich kostenlos zur Verfügung!‘ Also besuche ich morgen diese Dame noch einmal mit Blumen, denn sie versteht etwas von der Technik, sie war wirklich nett und sie spricht das English, das ich problemlos und sofort verstehe.

18:50 Uhr, auf einem Feldweg vor Emerald

 

From: "Dr. Albrecht Juergen" <albrecht_13@hotmail.com>

To: dr.albrecht@t-online.de

Subject: From AL in AU to MZ

Content-Type: text/plain

Date: Thu, 17 Sep 1998 00:17:33 PDT

Hello Folks,

this is my last message. I'm now become a digger in the gemfields of Emerald. I can't come back before I was found the "great big one". So it's possible, that you have to alive without me.

It was great with you all !!!

Many thanks

from AL

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Get Your Private, Free Email at http://www.hotmail.com

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Viele Grillen veranstalten ein Abendkonzert. Nicht sehr laut, kein Vergleich mit Ebun Pagi in Sumatra, aber man hört sie deutlich. Jetzt, kurz nach 19 Uhr, ist immer noch ein heller Schimmer am westlichen Horizont zu sehen, aber es ist wirklich nicht mehr viel vom Sonnenuntergang übrig geblieben. Der Sternenhimmel ist aber immer noch nicht schwarz und knackig, es macht einen gewaltigen Unterschied für die Sternbeobachtung aus, ob es Mitternacht und Neumond oder eine halbe Stunde nach der Dämmerung ist und vielleicht sogar der Vollmond am Himmel steht. Aber nach der Dämmerung geht es dann schnell und um 19:30 Uhr ist die Milchstrasse in all ihrer Pracht zu bewundern: Es ist immer wieder der blanke Wahnsinn, das zu sehen !! Heute kann ich auch ganz deutlich zwei Monde über dem Jupiter mit meinem Fernglas sehen. Beim besten Willen ist aber mit diesem Glas unter dem Jupiter kein Mond auszumachen. (Das stimmt mit meinem Astronomiesystem überein: Zwei Monde sind nahe über dem Jupiter. Einer ganz dicht darunter, fast schon auf dem Jupiter und der vierte Mond, Ganymed, ist extrem weit oben, dort habe ich nicht gesucht.)

Jetzt fahre ich zurück zu meinem Zelt und lege mich, eingesalbt mit Mückentod, in mein schönes Bett. Morgen werde ich dann die dicksten Diamanten finden ... mit meiner CreditCard !!

19:30 Uhr, auf einem Feldweg vor Emerald

 

 

 

 

 

 

 

HERBERT, THE
BLOODY GREEN ...

18. September 1998, Freitag

 

Heute morgen war ich schon um 7:30 Uhr in Rubyvale – kein Mensch war da schon auf den Beinen! Das Leben beginnt hier erst gegen 9 Uhr. Ich aber bin kurz vor 6 Uhr aufgestanden – 10 Stunden Schlaf sind wirklich genug. Nach einem Frühstück mit Blick auf den Sonnenaufgang (heute ist es bewölkt, es sieht nach Regen aus), bin ich schon um 6:45 Uhr auf der Strasse. Fünf bis sechs Kilometer hinter Emerald habe ich das erste Erfolgserlebnis: Ich fahre über die Mess-Schläuche der Polizei, gucke auf den Tacho: Es sind exakt 100 km/h: AL bessert sich!

Über Anakie und Sapphire fahre ich direkt nach Rubyvale. Unterwegs ist bis Sapphire kaum etwas besonders zu sehen. Aber zwischen Sapphire und Rubyvale ist die Erde auf- und umgewühlt, so weit man sehen kann. Blechbuden und schnell zusammen gezimmerte Häuser, altes, verrostetes Arbeitsgerät liegt herum. Eine entsetzlich unordentliche Gegend, hier gibt es offensichtlich keine staatliche Bauaufsicht, keinen TÜV und keine Umweltschutzbehörde. Alles ist im ‚Gemfever‘ erlaubt. Viele der Claims sind zu verkaufen, überall stehen Schilder: ‚!!For Sale !!‘ Auch daran sieht man, wie viele Existenzen hier gescheitert sind. Ich fahre umher, gucke mir die Gegend an, schreibe Helga eine Karte: Das hier ist endlich eine Alternative zum täglichen Bohren in den alten Zähnen fremder Leute: Der stündliche Adrenalinstoss ist garantiert!

 

 

‚Wir sprechen Deutsch !!‘ Das Schild gehört Mr. Jim Varak, der am Strassenrand inmitten eines riesigen Schrotthaufens, der gleichzeitig auch sein Maschinenpark ist, eine Mine und einen Laden für Saphire betreibt. Als es 9 Uhr geworden ist, gehe ich in diesen Laden. Die Glocke bimmelt und natürlich spricht die freundliche, mittelalterliche Dame kein Wort Deutsch. Der angeblich deutsche Mann aber ist unter Tage schwer beschäftigt. Sie erklärt mir geduldig, nachdem ich mich als völlig schimmerlos in Sachen Edelsteine geoutet habe, dass man hier nur und ausschliesslich Saphire (Korund) sucht und manchmal auch findet. Aber der Saphir kommt hier in sehr vielen unterschiedlichen Farben und Varianten vor. Die Farbschattierung reicht vom leicht gelblichen Weiss bis hin zu absolut schwarzen Steinen. Die besten Steine werden geschnitten und dann geschliffen. Die roten Saphire sind am wertvollsten. Alle sind ziemlich klein und man muss sie mit der Lupe betrachten. Die meisten sind nur drei bis fünf Millimeter gross, fingernagelgrosse Steine kosten schon tausende von Dollars und wahrscheinlich träumen alle vom ‚ganz grossen Ding‘ und das wäre dann ein Stein, gross wie eine Pflaume. Aber für 50$ ist auch schon ein ganz schöner, geschliffener Stein zu haben. Meine Welt aber ist das nicht.

 

 

Anschliessend fahre ich zu ‚Miners Heritage‘. Das ist eine noch in Betrieb befindliche Mine, die zu einem ‚Schaubergwerk‘ ausgebaut worden ist. Eine sehr interessante Führung für 5 $ und nach einer Stunde weiss ich, was hier in der Gegend los ist, wie man nach den Saphiren sucht und wie man sie (vielleicht) findet: Die Saphire kommen nur in einer ganz bestimmten Geröllschicht vor. Bei dieser Mine hier liegt sie 17 Meter unter Tage und ist 30 bis 50 cm stark. Man muss sich also einen Tunnel nach unten graben (was macht man mit dem Grundwasser?), diese Schicht dort unten abbauen und das Material an die Erdoberfläche schaffen. Das alles geschieht von Hand, mit Hammer und Meissel, Schubkarren, Schaufeln und einer Förderwinde. Diese Mine hier ist seit 50 Jahren in Betrieb, erst seit ca. 10 Jahren gibt es auch Presslufthämmer und seit kurzem auch einen Minibagger. In diesen 50 Jahren hat man in die Erde ein Gewirr von ca. 400 Metern Stollen (1,50 Meter breit, 2 Meter hoch) getrieben. Oben wird das Geröll ausgewaschen, gesiebt und nach den rohen Saphiren durchsucht. Die Fläche mit der saphierhaltigen Geröllschicht ist ca. 50 x 50 Kilometer gross: Genug Platz, um sein Glück zu versuchen. Die Eigentümer dieser Mine betreiben das Geschäft seit 16 Jahren professionell und es scheint so, als ob man davon leben kann. Dazu trägt sicher auch bei, dass man sich hier mit dem Schaubergwerk ein zweites Standbein geschaffen hat: Ganze Busse voller Touristen werden hier angelandet: Geschliffene Steine mit und ohne Fassungen, Führungen, digging for your self, Seidenmalerei, Kaffeegarten, Toiletten: Alles ist hier gegen einen Obolus zu haben. Und da bedeutet jeder Bus sicher einen Umsatz von 100 bis 500 $, je nach Kaufkraft und Nationalität der Insassen. Ich bin auf der Führung mit vier Deutschen und drei Australiern zusammen. Die Deutschen aus dem Rheinland sind mit zwei Caravans vorgefahren und kaufen jede Menge Steine ...

Ich habe schon ein paar kleine, rohe Saphire im Gelände gefunden: Abfälle eines anderen Schaubergwerks. Die geschliffenen Steine gefallen mir nicht so, als dass ich unbedingt einen kaufen müsste. Ich kann mir vorstellen, dass das Schneiden und Schleifen dieser Steine interessant sein kann, aber unter Tage im Geröll nach erbsengrossen Steinen herum zu wühlen – nein Danke! Da setze ich mich lieber in das erste Café am Platze mit den Stahlrohrstühlen, Plastiksitzen und Plastikdeckchen, die die DDR geliefert haben könnte, trinke einen Cappuccino und esse ein Stück Kuchen aus der Kühltruhe. Im angeschlossenen Store kann man auch gleich Schippe und Sieb kaufen, um die Jagd auf die edlen Steine aufzunehmen.

10:55 Uhr, Café & Store, Rubyvale

 

 

Ich verlasse Rubyvale, ich denke, ich habe alles gesehen, was es hier zu sehen gibt. Zwischen Rubyvale und Saphire fotografiere ich einige Sites, schon an der Art, wie sie sich von der Strasse her mit ihrer Mine präsentieren kann man ahnen, was sich hier für schräge Typen niedergelassen haben. Dann kommt ein Schild: ‚Tea Garden Oasis‘ ... und weil ich ja heute viel Zeit habe und es erst 11 Uhr ist, fahre ich einfach einem Auto nach, das gerade nach links ins Outback abgebogen ist und wahrscheinlich auch zu diesem Tea Garden will. Ich habe keine Ahnung, was mich dort erwartet, ich lasse mich einfach mal wieder überraschen.

 

 

Herbert empfängt die fünf Ausies, die aus dem Auto steigen, das die ca. 3 Kilometer von der Strasse aus vor mir her gefahren ist, die hatten sich wohl angemeldet. Er wundert sich sehr, woher ich komme, unangemeldeter Besuch scheint hier sehr selten zu sein !? Ich erkläre ihm, dass ich einfach seinem Schild zum Tea Garden gefolgt bin, neugierig, was mich dort ausser Tea noch erwartet. Ausserdem sage ich, dass ich aus Germany komme ... ‚Was, ein Deutscher verirrt sich zu mir ?!?‘ Herbert spricht deutsch. Er stammt aus Österreich, ist viel in der Welt herumgereist und hat u.a. auch für die deutsche Entwicklungshilfe mal in New Guinea gearbeitet. ‚Nju Gihni, oooh it was wonderful ...‘ und gleich hat er Fotos parat: Herbert, umringt von schönen, barbusigen Eingeborenenfrauen... Letztendlich ist er hier vor 25 Jahren gestrandet, auf einer Rundreise durch Australien mit einem VW-Bus hier hängen geblieben.

 

 

Er führt die Ausies in seinem ‚Garten‘ umher, Tea wollen sie alle nicht, sie haben keine Zeit. Deshalb gehen sie auch bald wieder, nachdem sie Herbert 20$ zugesteckt haben. Herbert freut sich, dass ich noch bleibe und dass er sich mal wieder mit einem Deutschen unterhalten kann: ‚Du hast doch sicher viel Zeit ...!?‘ Ich will wissen, wie er hier her gekommen ist, ich brauche aber nicht viel zu fragen, Herbert redet ununterbrochen. Mal deutsch, wenn er sich erregt, fällt er in das gewohnte English zurück. Das macht nichts, es ist ein einfaches, unkompliziertes English, das ich mühelos verstehen kann. Ich merke, wie gut es ihm tut, endlich mal wieder mit jemandem reden zu können. Offensichtlich ist er sehr alleine und es fehlen ihm die sozialen Kontakte.

 

 

Dafür haben sich Schwärme bunter Kakadus an ihn gewöhnt, er füttert sie täglich und redet mit ihnen. Es stellt sich heraus, dass Herbert mehrfach um die Welt und einmal mit einem VW-Bus um Australien herum gefahren ist.

 

 

Dieser VW-Bus und noch ein zweites Exemplar stehen hier noch als Rostlauben im Bush. Jetzt fährt Herbert einen uralten, klapprigen, japanischen PKW. Nach diesen vielen Reisen hatte er das nomadisierende Dasein satt, er wollte sesshaft werden, seine eigene Scholle und sein eigenes Haus haben. Einen Beruf hat er nie gehabt, aber eigentlich kann er alles. Also hat er hier 1972 seinen Digger-Claim abgesteckt und angefangen, nach Saphiren zu graben. Nebenbei hat er begonnen, sich ein Haus zu bauen und noch lange hat er weiterhin im VW-Bus geschlafen. Das Diggen per Hand war eine schwere Arbeit, aber sie ernährte recht und schlecht ihren Mann. Aber als die Regierung den Abbau mit Maschinen erlaubte, was vor 1982 nicht gestattet war, da war Herbert nicht mehr konkurrenzfähig. Er hatte kein Geld, um sich Maschinen zu kaufen und auch keine Lust, mit anderen zusammen einen Betrieb zu gründen.

Also hat er sich auf Haus und Garten konzentriert und sich in den Gedanken verliebt, im heissen australischen Bush einen tropischen Garten anzulegen. Der grosse, terassierte Garten muss ihn Jahre seines Lebens gekostet haben. Unendlich viel Arbeit steckt alleine in den vielen Trockenmauern: Eine Unzahl von Pflanzen verschiedenster Arten, Büschen und Bäumen, alles voller Blüten, auch jetzt im Winter. Der Garten muss bewässert werden, sonst wächst hier nichts: Pumpen, Schläuche, Verteiler. Barbecue-Plätze, Kamine, Gewächshäuser für die jungen Pflanzen und Gemüse für die Küche, Steingarten, eine Stein- und Fossiliensammlung, bepflanzte Trockenmauern, Überdachungen, da ein Anbau, dort eine Schuppen, hier eine Garage und noch ein Vorbau.

 

 

Aber alles in Holz und Bambus, aus Palmwedeln und anderen Naturmaterialien. Alles sieht provisorisch aus, so als ob er erst mal nur einen Entwurf vom endgültigen Bau sehen wollte. Nur in Ausnahmefällen hat er mit Stein und Mörtel gebaut: Das ist deutlich teurer, als wenn man im Bush einfach ein paar Zweige abhackt. Der Garten geht durch die vielen Anbauten und Überdachungen nahtlos in das Haus über und im Haus mit den durchsichtigen Wänden fühlt man sich eigentlich im Garten ... Herberts Architektur ist einmalig und das Ergebnis eines 25-jährigen permanenten Experimentalprozesses, der täglich weitergeführt wird, solange Herbert hier wohnt: ‚Hier bin ich noch nicht fertig ...!‘ Das sagt er an vielen Stellen beim Rundgang durch sein Domizil, aber auch ihm ist klar, mit so einem Gartenhaus mit Hausgarten wird man nie fertig.

 

 

Aber es gibt auch einen abschliessbaren Raum. Das ist sein Wohnzimmer. Die Möbel sind komplett selber gebaut. Daran grenzen zwei kleine Gästezimmer und auch eine Dusche und ein WC existieren. Es gibt mehrere Küchen, alle sind überdacht, aber sie haben keine vier Wände, mindestens nach zwei Seiten sind sie offen, gehen über in den grossen, mit Ästen und Schindeln überdachten Freiluft-Kaffeegarten. Hier könnten mindestens 30 bis 40 Personen sitzen und im Garten verlaufen sich mühelos noch mal 50 Leute.

‚Wo sind die Gäste ?!‘ frage ich. Da aber winkt Herbert ab. Natürlich könnte er hier über Reisebüros Busse her holen, das hat er auch schon gemacht. Aber das macht ja sooo viel Arbeit: ‚Die Hektik, der Stress! Und dann muss ich auch Essen und Kuchen heranschaffen und Bier und Cola wollen sie auch trinken ...!!‘ Seine Geschäftsidee war gut und einleuchtend: Hier kann man Leute herholen, die sich auf den Gemfields abgequält oder sie nur besichtigt haben. Hier können sie sich bei Tea and Cookies in einem blühenden, tropischen Garten erholen und entspannen. Ein paar Mal hat das wohl auch geklappt, aber erstens gibt es einfach nicht so viele Touristen, das Geschäft läuft nur sporadisch. Ausserdem hat Herbert die von ihm zu erbringenden Nebenleistungen völlig unterschätzt. Auch seine Teamfähigkeit ist durch das lange Nomadenleben verloren gegangen: Herbert lebt allein und monatelang sieht er auf seinem Grundstück keinen Menschen.

‚Bitte ... keine Frauen !!‘ Offensichtlich hat er mehrfach schlechte Erfahrungen mit Frauen gemacht und sich danach entschieden, hier als Einsiedler zu leben. Trinkwasser und Essen aus einem Store, der 5 Kilometer weit weg ist. Kein Strom, kein Licht, kein TV, Radio mit Batterie, Kühlschrank mit Kerosin, Kochen mit Flüssiggas. Das Telefon ist sein einziger Luxus. Eine Solarzelle, gepuffert mit einer Autobatterie, liefert über eine kleine Neonröhre angeblich vier Stunden Licht zum Lesen, aber heller als eine Petroleumfunzel wird das nicht sein. In seinem Wohnzimmer in der Nähe der Lampe stapeln sich viele uralte deutsche Illustrierte und Magazine. Der letzte SPIEGEL ist vom März 1997. Abwasser? Waschmaschine? Müllschlucker? Elektrowerkzeuge? Das gibt es hier alles nicht oder es ist unklar, wie er das organisiert hat.

Aber Herbert ist durchaus informiert und er schimpft wie jeder Deutsche auf seine Regierung, als Australier auf seine australische Regierung. Dabei redet er sich sofort in Rage: Das sind alles nur Lügner und Betrüger, alle sind korrupt, überall geht es nur um’s Geld, alle agieren ohne Rücksicht auf die Natur: ‚So ein Wahnsinn, diese ‚Beef-Culture‘! Die ist das Rückrat der australischen Landwirtschaft. Die Regierung subventioniert alles, was mit Beef zu tun hat. Sogar das Abholzen der Bäume auf der Weide wird subventioniert, obwohl die Bäume keinen stören und das Vieh dadurch wenigstens ein bisschen Schatten hätte (... das Rätsel ist gelöst!). Im ursprünglichen Australien gab es nur Tiere, die hopsten oder hoppelten, es gab keine Huftiere. Darauf hat sich die Natur hier eingestellt. Die Rinder machen schon allein mit ihren Hufen das ganze Land kaputt. 20 % der Weidefläche muss man schon heute als landwirtschaftliche Nutzfläche abschreiben: Sie ist durch das Beef unbrauchbar geworden, wird durch Erosion vernichtet. Die Menschen glauben an nichts mehr, besonders die jungen Leute haben keine Perspektive. Woran sollen sie auch glauben, ausser an die Allmacht des Geldes, wenn die Zukunft so unsicher ist, wie jetzt hier in Australien: Keiner kann sagen, wie sich die Wirtschaft wohin entwickelt und wie Australien in Zukunft mit der Natur umgehen wird. Was wird in zwei, fünf oder zehn Jahren sein !!? Klar, die katholische Kirche ist natürlich Bullshit, aber irgendein Gott wird es wohl doch geben. Vielleicht weiss der, wo es lang geht ...!‘

Wenn Herbert die Macht hätte, er würde alles ganz anders machen. Vor allen Dingen würde er mit der Natur so sorgsam und bedacht umgehen, wie es die Aborigines ursprünglich gemacht haben. Diese Überzeugung ist bei ihm aber erst in den letzten 10 Jahren gewachsen. Vorher hat auch Herbert hier riesige Löcher auf der Jagd nach Saphiren gebuddelt und damit kräftig die Natur verschandelt. Jetzt sind sie voll Wasser gelaufen, Süsswasserteiche auf seinem Claim. ‚Den Aborigines hat man das eigene Land weggenommen, eine riesige Sauerei ist das. Aber die Australier und die Amis die hängen ja eng zusammen: Alles Rassisten !!‘ Ich frage ihn, warum er sich über diese Dinge so aufregt. Kein einzelner Mensch hat die Macht, an diesen Verhältnissen etwas zu ändern. Mit der Erkenntnis kann man nur resignieren oder, die bessere Variante: Aussteigen. Und das Aussteigen hat Herbert doch geschafft: In aller Ruhe könnte er doch jetzt von seinem Tea Garden House aus zusehen, was um ihn herum passiert. In seinem kleinen Imperium aber kann er machen, was er will. Hier auf seinem Land wird ihn keiner hindern, seine eigene Welt aufzubauen und nach seinen eigenen Gesetzen und Regeln zu leben. ‚Warum regst Du Dich über die Politik auf? Warum lässt es Dich nicht völlig kalt, was ausserhalb Deines Geländes passiert? Das wenige, was Du von da draussen brauchst, bekommst Du. Dich lässt man doch hier völlig in Ruhe, Du hast alle Freiheit das zu machen, was Du hier für gut und richtig hältst. Warum ist Dir das nicht genug ?!! Eigentlich ist das doch der Sinn, weshalb man sich in den Bush, in seinen Tea Garden zurückzieht und aus der Gesellschaft aussteigt !!?‘ ‚Ja, schön wär’s, aber das schaffe ich einfach nicht !! Es lässt mich nicht kalt, was hier in Australien gegen die Natur für eine Politik betrieben wird! Ich bin zwar mit Haus, Garten und den ganzen Lebensumständen seit 25 Jahren aus der australische und eigentlich aus jeder Gesellschaft ausgestiegen: Aber nicht mit dem Kopf !! Deshalb nennen mich ja auch alle "the bloody green" ...‘

Wie geht es weiter? Immerhin ist Herbert inzwischen 65 Jahre alt und er bezieht vom australischen Staat eine kleine Rente. ‚Ich muss jetzt was unternehmen, ich muss mich verändern, so geht es nicht noch einmal 25 Jahre weiter!‘ Herbert will verkaufen, will zurück nach Österreich. Er hat sich erkundigt, seine Rente würde man ihm auch nach Österreich überweisen. Die Steiermark: Das ist Kultur, das ist Tradition, da sind seine Wurzeln, dahin reichen seine Kindheitserinnerungen zurück. Ursprüngliche Natur, hoher Lebensstandard, heile Welt. Aber ob die Natur wirklich noch so heil ist, wie sie es schon vor 50 Jahren nicht mehr war? Herbert zweifelt. Und er zweifelt auch daran, ob er je wieder ein richtiger Österreicher werden kann, wo er doch jetzt mit Leib und Seele ein Australier geworden ist. ‚Die Amis haben einfach keine Kultur und die Ausies sind eigentlich Amis. Die haben hier soviel nachzuholen. Hier sind alle nur darauf aus, erst mal das Überleben zu sichern. Keine Zeit für Kultur. Das ist mir einfach zu wenig. Ich will zurück, will meine letzten Jahre nicht weiter in dieser Wildnis verbringen, der man jeden grünen Halm und jede Blume abtrotzen muss. Aber die Freiheit die ich hier hatte und habe, die werde ich nirgends in Europa wieder finden ... Kennst Du nicht einen, der das alles hier kaufen möchte ?? 10.000 $ würde ich brauchen, um nach Österreich zurück zu gehen ...!?‘

Wer wird für Haus, Garten und Grundstück (mit tiefen Schürfwunden aus der Zeit von Herberts Gemfever) auch nur 10.000 australische Dollar bezahlen? Hier, wo jeder Stuhl, jeder Anbau, jede blühende Pflanze und jedes Stück Alteisen nach Herbert riecht, auf Herbert zugeschnitten ist und nur für Herbert einen Wert besitzt ?!! Hier kann nur Herbert leben, kein anderer wird und kann in seine Haut schlüpfen. Dieses Lebenswerk hat nur für Herbert einen Sinn und einen Wert. Einen hohen Wert. Für jeden anderen aber ist es praktisch wertlos, abrissreif, ein Haufen Schrott.

Das ist nicht tragisch, das ist normal. Und es ist der Lauf der Welt. Was würde mein Enkel oder Urenkel mit einer Sammlung von Zeitungsausschnitten anfangen, gesetzt der Fall, ich hätte mein Leben lang alles über Glatteis in Deutschland oder Unfälle bei Seilbahnen gesammelt ?? Wem nützt nach mir eine Sache, in die ich zwar Herzblut und meine ganze Lebensenergie investiert habe, die man aber nicht zu Geld machen kann ?? Nichts, rein gar nichts nützt das meinen Nachkommen. Also haben sie daran auch kein Interesse. Früher oder später landen alle solchen, nur ideell und subjektiv wertvollen Dinge, auf dem Müllhaufen der Geschichte. Ideelle Werte verfallen rapide, werden im Handumdrehen zu Nichts, wenn der nicht mehr da ist, der diese Dinge mit ideellen Inhalten ‚aufgeladen‘ hat. Ein klassischer Fall sind meine Datenbücher einschliesslich der vielen Zeitungsausschnitte: Maximal einen Historiker, der spezielle, zeitgeschichtliche Studien treiben will oder muss und dem, grosser Zufall, diese 40 Kalenderbücher in die Hand fallen, der kann daraus Nutzen ziehen. Auch Kinder und Enkel, die etwas über ihren Vater oder Grossvater erfahren wollen, wird das noch eine Weile interessieren. Aber schon nach der dritten oder vierten Generationen ist auch da die Luft raus, das Interesse erschöpft. Herberts weitestgehend ideellen Werte sind noch einem viel schnelleren moralischem Verschleiss unterlegen: Woher soll der Mensch kommen, der eine bereits gescheiterte Idee noch einmal 30 Jahre weiterführt ?? Nach Herberts Auszug wird das Anwesen leer stehen und verfallen. Fängt einer neu auf diesem Grundstück an, wird er mit einer Planierraupe alles in ein Restloch schieben und mit ein paar Kubikmetern Sand zudecken. Am längsten werden die Trockenmauern des Tea Garden überleben: Es lohnt sich einfach nicht, die vielen Mauern zu planieren ... Bald ist nichts mehr von dem zu sehen, wofür Herbert 25 Jahre lang täglich gearbeitet hat. So grausam ist das Leben.

Der Abschied von Herbert fällt schwer – wir verstehen uns gut, obwohl wir uns erst zwei Stunden kennen. Herbert würde noch tagelang, wochenlang reden wollen. Er fragt nicht einmal danach, was ich mache, woher ich komme, ob ich eine Familie habe. Ich erzähle auch kaum etwas. Ausser, dass ich in Berlin wohne, 63 Jahre alt bin und dass ich einen Enkel habe, der Conny heisst, erfährt er von mir nichts. Ich muss Ausreden erfinden, um hier wieder wegzukommen. Ich versichere Herbert, dass ich bald schreiben werde, anrufen und wiederkommen werde ... So nur schaffe ich es, mich loszureissen und Herbert wieder allein zu lassen. Um 13:30 Uhr fahre ich den Weg zur Hauptstrasse zurück und es kommt mir vor, als ob ich aus einem Traumland in die Wirklichkeit zurückkehre.

17:20 Uhr, Fairbairn Damm bei Emerald

‚We have the best Cakes in town !!‘ steht auf einem Schild vor dem Café, in dem ich – wie gestern – jetzt sitze und Abendbrot esse. Für 6 bis 8 $ wird man hier incl. Cappuccino satt und gut bedient.

Nach Herbert brauche ich erst mal Ruhe. Ich fahre langsam in Richtung Süden, besichtige das lächerliche ‚Information Centre‘ von Anakie, das nicht mehr als ein Schuppen mit verstaubten Souvenirs ist, fahre durch Anakie, ein Dorf, das nur aus ein paar Häusern besteht und dann mache ich mich auf den Rückweg nach Emerald. Herbert und Conny im Kopf – der eine hat sein Leben gelebt, der andere hat es noch vor sich! Ich frage mich, wie viele solcher Träumer, Spinner, Eiferer und Weltverbesserer es wohl in diesem Lande geben wird, die spätestens am Ende ihrer Tage feststellen müssen, dass sie zwar gelebt, es aber trotz jahrzehntelangem Strampeln und schwerster Arbeit nach landläufiger Ansicht ‚zu nichts gebracht‘ haben. Vor allen Dingen aber sind sie auch ihren Idealen nicht näher gekommen, von der Erreichung phantastischer Ziele ganz zu schweigen. All‘ diesen armen Teufeln zum Trost: Keiner bewegt in diesem Leben wesentlich mehr. Auch vermeintlich grosse Leistungen schrumpfen bei der Relativierung mit der Natur zu Nichts zusammen. Wahrscheinlich kann kein Mensch nach einem Leben von 60, 80 oder 100 Jahren auf dieser Erde wirklich bleibende Spuren hinterlassen. Das grösste was man erreichen kann scheint zu sein, dass man 50 oder auch 90 Jahre überhaupt gelebt hat, dass es einem manchmal bewusst war, wie unwahrscheinlich allein diese Tatsache ist und dass das Leben (meistens, hoffentlich) ungeheuer spannend war und Spass gemacht hat. Wer das von seinem Leben sagen kann, darf sich zufrieden zurücklehnen. Mehr ist einfach nicht zu erreichen ...

Nur ein Computer in der public Library besitzt einen Internetanschluss und dieser Computer ist belegt. Ich hätte gestern eine Zeit für heute buchen sollen. Ich schenke der freundlichen Dame trotzdem ein paar unterwegs gepflückte Blumen – im Outback gibt es keine Blumengeschäfte! Dann ein kleiner Einkauf: Fresh fruits für die Gesundheit. Weil noch sooo viel Zeit bis zum Abend ist, fahre ich raus zum Fairbairn Damm in der Hoffnung, hier Kaffee und Kuchen zu bekommen (meine österreichischen Phantasien täuschen mich immer wieder ...). Aber wir sind hier nicht in Europa.

 

 

18 Kilometer südlich von Emerald gibt es einen grossen Stausee, einen herrlichen Aussichtspunkt vor dem Damm mit Tischen und Bänken. Aber ich bin hier weit und breit der einzige Mensch, der das geniesst und auf einen Kaffee wartet. Macht nichts, das hier ist eine schöne, ruhige Gegend, ich setze mich an einen der Tische und schreibe. Dabei esse ich etwas von meinem Knäckebrot. Sofort sitzen drei bunte Vögel vor mir auf dem Tisch und mindestens zehn andere, darunter auch ein paar grosse Raben, warten rundherum im Gras dieser schönen Anlage. Interessante Wolken und Farbspiele am weiten Himmel, der Sonnenuntergang beginnt und es ist kühl und windig. Ich fahre zurück, um in diesem Café hier in Emerald Abendbrot zu essen. Jetzt steige ich in mein Auto, fahre die paar hundert Meter bis zu meinem Zelt im CarPark und dort geht’s gleich in den Schlafsack.

Morgen gibt es einen neuen Tag, ein neues Buch (das erste Reisebuch ist voll) und einen neuen Kurs: Ab morgen geht es zurück nach Cairns und die Hälfte meines Australia-Trips ist fast schon vorbei: Heute war der neunzehnte von 41 Tagen.

18:30 Uhr, Café gegenüber dem Bahnhof, Emerald

 

Jürgen Albrecht
Leipziger Strasse 47/16.03
D-10117 Berlin
Fax: 030 2016 5019
E-Mail: dr.albrecht@t-online.de
AL/030599

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