How much ?!
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Am nächsten Morgen parkt eine wunderschöne Banca wie verabredet nach dem Frühstück vor dem Balkon der L&M Lodge. Vor der Abfahrt wird nicht mehr über den Preis geredet, wir verlassen uns auf die Aussagen des Chefs. Nach einem Abstecher zum Lake Kayangan fahren wir bis zum Skeleton Wreck an der nordwestlichen Ecke von Coron Island und wieder zurück bis zu den schönen Korallen vor den Siete Picados. Vier Mal gehen wir Schnorcheln. Dann reicht es uns. Wir sagten den Drivern, dass wir nach Hause fahren können und schon um 15 Uhr sind wir wieder an der Lodge. Dort bezahlten wir 1.500 Peso und beide Seiten sind zufrieden mit diesem schönen Tag. Mit dem Bootsführer haben wir verabredet: Morgen ist Ruhetag, aber am Tag darauf, am Mittwoch, fahren wir mit dieser Banca nach Black Island. Es wurde Mittwoch und wieder stand die Banca vor dem Balkon. Wir starteten schon um 8:30 Uhr weil wir wussten, es ist ein weiter Weg bis nach Black Island. Wo Black Island eigentlich liegt, wussten wir nicht, wir hatten die Insel auf keiner Karte gefunden. Aber wir verfolgen den Kurs des Drivers mit Kompass und GPS und kennen die Lage dieser schönen Insel, als wir kurz nach 11 Uhr dort landen. Wir gehen auf Black Island spazieren, wir sind lange im warmen Wasser und nach der Umrundung der Insel geht es mit einem Abstecher auf Pamalican Island wieder zurück nach Coron. Um 17:45 legen wir beim beginnenden Sunset wieder an der Lodge an. Ich gebe dem Driver 1.500 Peso und damit ist für viel Stress in den nächsten Stunden gesorgt. Das ist nicht der ortsübliche Preis für die Tour nach Black Island! Wir hatten uns auf die Aussage des Chefs verlassen und gingen von einem Preis von 1.500 Peso aus. Nie war auch nur ein Wort darüber gefallen, dass der Preis von der Entfernung des Ziels abhängig ist. Jetzt plötzlich war dieser Preis strittig. Innerhalb von 10 Minuten wurden uns vier verschiedene Preise genannt: Der Bootsführer wollte 3.600 Peso. Nach unseren Protesten ging er auf 3.000 zurück. Er schaltete die Lady an der Rezeption ein, die uns erklärte, dass diese Tour mindestens 5.000 Peso kosten würde und der inzwischen auch alarmierte Chef sprach sogar von 6.000 Peso.
Wir nehmen den Chef beiseite und erklären ihm unsere Position: Wir sind mit seinen Aussagen von einem Preis von 1.500 Peso ausgegangen. Nie ist davon die Rede gewesen, dass eine Tour mehr als diese Summe kosten würde. Vor der Abfahrt hatte der Bootsführer nichts über den Preis gesagt, wir konnten nur davon ausgehen, dass 1.500 Peso vereinbart sind. Aber wir sind ja kompromissbereit. Heute ist der Diesel der Banca rund drei Stunden länger gelaufen, als gestern. Wenn man sehr grosszügig rechnet, wurden 30 Liter Diesel mehr verbraucht. Diese 30 Liter kosten 750 Peso. Wir sind bereit, zu den bereits bezahlten 1.500 noch 750 Peso dazu zu legen. Der Chef konnte unserer Logik folgen, der Driver nicht. Er wollte mindestens noch einmal 1.500 Peso haben. Wir machten das, was in solchen Situationen sehr nützlich ist: Wir präzisierten unseren Differenzstandpunkt und brachen die Verhandlungen ab. Morgen um 9 Uhr haben wir uns sowieso mit dem Driver verabredet, weil wir (für 1.500 Peso ...) nach Culion fahren wollen. Morgen um 9 Uhr können wir das Problem von heute noch einmal diskutieren. Beim Abendbrot merken wir, dass dieses ungelöste Problem alle Staffs der Lodge schwer beschäftigt. Uns auch, aber wie kommen wir zu einer Lösung? Ein schwieriges Problem ist allein die Frage: Wer ist eigentlich unser Vertragspartner? Der Bootsführer, der Chef oder der Besitzer des Bootes?! Der Chef meinte, er hat damit nichts zu tun, er hat uns nur (unverbindlich!) informiert. Der Bootsführer ist der Angestellte des Bootseigners und hat nichts zu sagen. Er verdient maximal 4.000 Peso im Monat, der Boy, der ihm assistiert, bekommt nur die Hälfte. Der Bootseigner, der den Gewinn einstreicht, aber blieb bei dem ganzen Trouble immer der grosse Unbekannte im Hintergrund. Nach dem Dinner kam der Chef noch einmal an unseren Tisch. Er hat das Problem mit einigen Leuten diskutiert, sagte er uns. Der Bootsführer hat einen Fehler gemacht, als er uns bei Fahrtantritt nicht den Preis genannt hat. Unser Angebot ist fair. Wir sollten morgen dem Bootsführer 750 Peso geben und die Sache ist ausgestanden. Am Morgen war der Bootsführer schon um 8 Uhr, statt um 9 Uhr zur Stelle, aber er hielt sich im Hintergrund. Wir waren beim Frühstücken. Als wir fertig waren informierte uns die Lady von der Rezeption, der Driver möchte mit uns sprechen. Wir baten ihn an unseren Tisch und er wollte als erstes über die heutige Fahrt nach Culion reden. 'Wollt Ihr die Tour machen?' Na klar, wollen wir nach Culion fahren, aber jetzt wird es spannend: Zu welchem Preis? Der Driver will 1.800 Peso haben. Bei anderen Bootsführern am Markt hatten wir uns erkundigt, der Handel fängt bei 2.000 Peso an. Wir akzeptieren ohne Diskussion den Preis von 1.800 Peso. Das erste Problem ist erledig. Das zweite wahrscheinlich auch, denn wir vermuten, der Chef hat am Abend vorher mit dem Bootseigentümer den Kompromiss mit den 750 Peso ausgehandelt. Denkste. Das Gegenteil ist der Fall, der Driver besteht jetzt darauf, dass wir 2.300 Peso nachzahlen, denn die Tour nach Black Island kostet 3.800 Peso. Ein völlig neuer Preis. Nach kurzer Diskussion erklären wir wieder die Verhandlungen für beendet. Auf dieser Basis werden wir uns nicht einigen. Entweder wir fahren für 1.800 Peso nach Culion und zahlen für gestern gutwillig noch einmal 750 Peso, oder es bleibt bei den bezahlten 1.500 Peso und die Fahrt nach Culion ist gestrichen. Der Driver geht, er schaltet noch einmal den Chef ein, der plötzlich eine ganz andere Meinung, als gestern vertritt: 'Ihr habt einen Fehler gemacht, weil ihr am Beginn der Fahrt nicht nach dem Preis gefragt habt. In so einem Fall ist es wie beim Tricycle: Wer am Anfang nicht HOW MUCH fragt, muss am Ende zahlen, was der Driver verlangt!' Wir lachen ihn aus. So eine Regelung hätten alle Driver liebend gerne, aber so funktioniert das nirgendwo auf der Welt. Die Verhandlung ist beendet. Wir gehen.
Ich hole meinen Hut und die Camera aus unserem Zimmer. Jürgen aber fordert bei der Lady an der Rezeption schnell noch sein Deposit zurück ... man kann ja nie wissen, was mit dem Geld passiert, das in diesem Beutel ist! Wir laufen zum Markt, denn wir wollen eine Banca chartern und nach Culion fahren. Plötzlich taucht hinter uns die Frau des Chefs mit der Frage auf. 'Ihr wolltet doch nach Culion fahren, was wird aus dieser Tour?' Wir fangen beide laut an zu lachen, denn gerade haben wir uns darüber unterhalten, wie kurzsichtig diese Leute hier denken: 750 Peso sind mehr als nichts und die Fahrt nach Culion lassen sie auch noch sausen! Genau diesen Zusammenhang haben sie wohl gerade erst begriffen. Die Frau bittet uns, noch einmal zurück zu kommen.
Jetzt beginnt das richtige Feilschen um den Kompromiss, denn vorher will keiner nach Culion fahren. Der Driver hat sich Verstärkung geholt. Der Boy ist ein anderer, als gestern und heute redet er mit. Der Chef ist da und noch ein Mann aus der Nachbarschaft, angeblich ein Vertreter der organisierten Bootsmänner. Das erste Angebot ist deutlich: 1.500 Peso statt 2.300 sollen wir zahlen. Wir bieten 1.000 Peso statt 750 Peso. Der Handel ist eröffnet. Es geht nicht um Mehrkosten, Logik oder Entfernungen, es geht nur um Geld. Schon nach 10 Minuten sind wir uns einig: Wir zahlen 1.100 Peso für gestern und fahren für 1.800 Peso sofort nach Culion. Ich bestehe darauf, dass wir schnell noch ein paar schöne Bilder machen. Alle lachen, alle sind zufrieden. Ein schwieriges Problem wurde aus der Welt geschafft. Die Fahrt nach Black Island hat uns 2.600 Peso gekostet - ein gerade noch annehmbarer Preis mit mehr als 100 Prozent Gewinn für den Eigner. Kurze Zeit später stehen wir auf dem Balkon und sehen, wie die Banca vom Steg gegenüber zu unserer Lodge gestakt wird. 'Sieh mal genau hin!', sagt Jürgen: Der Driver von gestern ist heute der Boy. Wir fahren mit einem neuen Captain. Der Eigner hat den Driver von gestern degradiert, denn er hat den entscheidenden Fehler gemacht: Er hat die Tour zu billig verkauft. Wahrscheinlich muss er sogar für den entgangenen Gewinn mit seinem Gehalt haften. Das sind die ganz einfachen, aber uralten Regeln der Marktwirtschaft: Die Eigentümer der Bancas, Tricycles und Jeepneys bestimmen den Preis, sie vermieten die Fahrzeuge an die Driver und sie kassieren den Profit. Für alle auftretenden Problemen sind sie nicht zuständig. Diese frühkapitalistischen Zustände werden auf den Philippinen nur dadurch ganz wesentlich abgemildert, dass alle Arbeitgeber mit ihren Arbeitnehmern mehr oder weniger verwandt sind.
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Jürgen Albrecht, 08. März 2005
Puerto Galera, Philippines