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Mit dem Jeepney nach Sabang

 


Bei den letzten Häusern an der Strasse von Puerto Galera nach Sabang befindet sich die Haltestelle. Hier stehen fünf bis sechs leere Jeepneys in einer Warteschlange, in den ersten kann man einsteigen. Im Gegensatz zu einem Jeep befördert ein Jeepney Menschen auf der überdachten Ladefläche und in der Regel ist er länger, als ein Jeep. Neben dem Fahrer können zwei Passagiere sitzen, hinten auf zwei gepolsterten Bänken je zehn. Nicht nur auf Tuchfühlung, sondern Becken an Becken. In der Mitte, zwischen den Bänken, steht das Gepäck: Grosse Schüsseln mit Bananen, lebende Hühner, Beutel mit den Waren der Strandverkäufer. Da kann es für die Füsse schnell eng werden. Grosse Körbe, Säcke oder Kanister werden vorne vor dem Kühler oder auf dem Dach verstaut. Wenn auf der hinteren Tür auch noch zwei Passagiere sitzen, fährt der Jeepney endlich los. Hat man Pech, muss man auf den Start eine Dreiviertelstunde warten. Sind viele Passagiere auf einmal da, sitzen rechts und links vom Fahrer Leute, hinten hängen bis zu sechs am Auto und halten sich am Dach fest, wo neben ungesicherten Körben, Tonnen und Säcken jede Menge Platz ist. Ich habe schon einen kleinen Jeepney (4 Meter lang) gesehen, der auf dem Dach ein Bündel Bambusstangen geladen hatte - 15 Meter lang. Leider war so schnell keine Camera zur Hand.

Wer Eigner eines Jeepneys ist, hat es schon zu etwas gebracht. Er verfügt über ein regelmässiges Einkommen: 25 Passagiere zahlen je 15 Peso für die sechs Kilometer bis Sabang. Aber weil es so viele Jeepneys gibt, wird jeder täglich nicht mehr als zwei Touren hin und zurück machen. Das aber sind immerhin 1.500 Peso. Ausserdem kann jeder einen Jeepney mieten, der etwas zu transportieren hat. Das reicht vom Transport von Baumaterial bis zum sonntäglichen Ausflug zum Cock Fight (Hahnenkampf).

Die Fahrer aber sind nicht die Eigentümer der Fahrzeuge. Die Eigner bleiben im Hintergrund. Sie vermieten die Fahrzeuge an die Driver. In der Regel muss ein Driver eines Tricycles oder Jeepneys täglich einen festen Betrag an den Eigentümer zahlen und er ist für alle Betriebskosten und die Wartung des Fahrzeuges verantwortlich. An allen darüber liegenden Einnahmen ist der Eigner auch wieder beteiligt. Der Prozentsatz ist Verhandlungssache. Bei einem anderen System ist der Driver lediglich Angestellter des Eigners und bezieht ein festes Einkommen - kaum mehr als 100 bis 200 Peso pro Arbeitstag. Und die Eigner haben ein ausgeklügeltes Kontroll- und Spitzelsystem aufgebaut, mit dem sie ihre Driver überwachen. Vielleicht haben sie das System bei den Busunternehmern abgeguckt. Dort sind die Kassierer auch unter ständiger Kontrolle.

Ist der Jeepney voll, gibt der Kassierer, der das Beladen des Fahrzeuges überwacht hat, dem Driver ein Zeichen. Der Fahrer sitzt mit anderen bei Schwatz, jetzt bindet er sich ein Handtuch um den Kopf, spuckt in die Hände und startet die schwere Maschine. Endlich geht es los. Die Strasse nach Sabang ist kurvenreich und schlecht. Nur höchstens die Hälfte der Strecke besteht aus einer Betonstrasse. Der Rest ist eine Piste ohne Belag: Rohe Felsen, ausgewaschene Rinnen, Steine und viel Staub. Beim Überholen und bei den häufigen Begegnungen wehen Staubwolken durch die nicht vorhandenen Fenster. Beim Strassenbau wurden keine Vorkehrungen für das Regenwasser getroffen. Wenn es regnet, ist die Strasse voller Wasserlöcher und Matsch, an manchen Stellen wird sie zum Flussbett. Rechts und links der Strasse geht es manchmal steil bergab. Leitplanken gibt es aber nicht, wenn man von den Drei-Zoll-Rohren der Wasserleitungen absieht, die ohne Fundamentierung neben der Strasse liegen. Leitplanken sind auch nicht nötig, der Jeepney rollt nicht weit nach unten. Überall stehen Palmen, die halten ihn schnell auf. Ich glaube nicht, dass es viele solcher Unfälle gegeben hat. Man fährt langsam, vor jeder Biegung wird gehupt, Schritttempo bei Gegenverkehr und vorsichtig bei Überholmanövern. Die aber sind nicht zu vermeiden, denn ein Jeepney muss einfach schneller als ein Tricycle sein. Der Kassierer steht hinten auf dem Heck des Jeepneys und hält sich an den Haltestangen des Daches fest. Mit einer Fünf-Peso-Münze klopft er auf die Blechkarosse, wenn der Fahrer anhalten oder weiterfahren soll. Das kann auch jeder Fahrgast an einer beliebigen Stelle der Strecke tun. Aus- und Einsteigen ist jederzeit möglich. Nach spätestens 15 Minuten ist Sabang erreicht. Die Hauptstrasse ist gerade so breit, dass zwei Jeepneys ganz langsam aneinander vorbei fahren können. Das Wendemanöver erfordert Umsicht und Geschick und es ist nur auf den zwei Kreuzungen dieser Strasse möglich. Bezahlt wird erst bei der Ankunft, denn wo man den Jeepney anhält und ob man in Sabang ankommt, das weiss man ja erst beim Aussteigen.

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Der Jeep wurde ab 1940 als kleines, aber leistungsfähiges und geländegängiges Fahrzeug in den USA in Serie produziert und im zweiten Weltkrieg eingesetzt. John Wayn wurde in so einem Jeep zur Legende. Dieses Fahrzeug wurde in USA, Japan und Südkorea in den letzten 50 Jahren weiterentwickelt. Besonders auf den Philippinen hat sich auf der Basis des Jeeps eine ganz individuelle Autoproduktion entwickelt. In Japan und Südkorea werden alte, originale Jeeps mit Motoren von Isuzu, Nissan oder Mitsubishi abgewrackt. Bis auf das Chassis, den Motor und die Achsen wandert alles in die Schrottpresse. Das Chassis wird in zwei Teile geschnitten und mit vielen anderen Schrott-Chassis auf die Philippinen verschifft. Hier hat man sich darauf spezialisiert, die alten Motoren und Achsen zu recyceln und auf dem wieder zusammengeschweissten Chassis neue Jeeps sehr phantasievoll aufzubauen. Die Motoren sind unverwüstlich, die Achsen mit den Blattfedern sind überdimensioniert und halten jede Belastung aus. Wenn rechts und links der Vorderachse ein anderer Stossdämpfer eingebaut wurde, interessiert das niemanden. Der Jeepney fährt und das reicht. Die Preise für einen auf diese Weise neu aufgebauten Jeep oder Jeepney richten sich nach Länge und Ausstattung. Sie variieren zwischen vier und zehntausend US-Dollar.

Eine Autowerkstatt, die sich auf das Remodeling 'neuen' Jeeps und Jeepneys spezialisiert hat, ist unter Palmen ganz in meiner Nähe angesiedelt: RC Motors, Small Tabinay, Assemble – Repair – Remodel - Painting. Hier kann man alles (ohne technische Zeichnung) bestellen, was die Phantasie beflügelt. Die Breite der Jeeps und Jeepneys ist festgelegt, die Länge und die Höhe sind in weiten Grenzen variabel. Gerade ist hier ein Chassis in Arbeit, dass neu aus Stahlprofilen zusammengeschweisst wird. Es entsteht ein Super-Jeepney: Fast 12 Meter lang. Bei den Vier- oder Sechszylinder Dieselmotoren werden ein paar Lager und die Kolbenringe erneuert und schon laufen sie weitere 25 Jahre lang. Die Getriebe mit zuschaltbarem 4WD sind nicht kaputt zu kriegen. Die Karosse wird aus Weissblech oder aus nicht rostendem Stahlblech nach den individuellen Wünschen des Auftraggebers 'geschneidert'. Jedes Auto ein Unikat. Es ist ganz erstaunlich, wie geschickt diese Blechschneider mit dem Material umgehen können. Weissblech wird lackiert. Nirosta glitzert und ist das blanke Statussymbol. Neben der Farbe sind viele blinkende Lichter und eine Hupe mit einer möglichst langen Trompete auf der Motorhaube sehr begehrt. Auf Fenster wird bis auf die Frontscheibe generell verzichtet. Bei Regen werden transparente Plastikvorhänge herunter gerollt. An der flachen Frontscheibe sind die Scheibenwischer montiert, die ich 1947 aus alten Militärfahrzeugen in Salzwedel ausgebaut habe: Motor mit Schalter an der Innenseite, die Antriebswelle des Scheibenwischers wird in einem Gewinderohr durch den Scheibenrahmen geführt und von aussen verschraubt. Aber es gibt eine Weiterentwicklung: Ein Wasserbehälter auf dem Dach, Düsen über der Scheibe und einen Hahn in Reichweite des Fahrers (s. Bild oben, linkes Fahrzeug).

Von Umwelt- und Arbeitsschutz hat in diesem Betrieb unter Wellblech und Palmen noch nie jemand etwas gehört. Das Öl landet früher oder später im Erdboden - die Palmen vertragen das ganz offensichtlich. Gearbeitet wird, wenn es die Auftragslage verlangt, sieben Tage in der Woche von sieben Uhr bis Sonnenuntergang. Niemand ist für diese Arbeit qualifiziert, alle Worker sind angelernt, sie haben nur zugeguckt und machen nach, was sie irgendwo gesehen haben. Es gibt keine Berufsausbildung, keinen Meisterzwang und natürlich auch keine technische Überwachung, die die fertigen Fahrzeuge abnimmt. Geschweisst wird in Badelatschen, ohne Blendschutz und wenn es hoch kommt, mit Sonnenbrille. Immerhin haben manche Schweisser lange Hosen an, aber schon für Schuhe reicht es nicht. Der Elektroanschluss dieser Firma wäre der Herzinfarkt für jeden Elektroinstallateur. Aber ich bezweifle, ob sich die so sehr pragmatische Einstellung zu jeder Art von Technik auf den Philippinen, in den nächsten 50 Jahren wesentlich verändern wird.

 

Jürgen Albrecht, 16. Februar 2005
Puerto Galera, Philippines

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