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Grand Canyon Village, Touristenrummel 1/4

Dessert View, Blick vom Watch Tower

Grand Canyon Village
Wer Grand Canyon sagt, der meint die südliche Seite des Grand Canyon. Der South Rim ist historisch älter als der North Rim und auch deutlich besser touristisch erschlossen. Grand Canyon Village ist das Zentrum des touristischen Rummels. Hier ist man auf Massenansturm und die Bedienung des durchschnittlichen Touristen eingerichtet. Der ist Amerikaner, über 60 Jahre alt, er will ein bequemes Hotel, gut essen und vom Grand Canyon alles sehen, ohne das Auto verlassen zu müssen. Für ihn gibt es viele Aussichtspunkte, wo man vom Auto aus ein Foto vom Grand Canyon für die Lieben daheim schiessen kann.

Die Touristen kommen entweder mit dem eigenen Auto oder mit einer Bus-Pauschalreise, um alles vom Grand Canyon in ein bis zwei Tagen zu sehen. Für diese Touristen ist vorgesorgt: Bewachte Parkplätze, Hotels der mittleren und der gehobenen Preisklasse, riesige Souvenir Shops, geführte Touren, Unterhaltung (IMAX), einarmige Banditen und Fast Food. Für die Camper steht auch ein riesiger Campground bereit, nicht weit weg ein teurer Supermarkt.

Auch nach dem gerade überstandenen 11. September fragt niemand im besten Hotel am Platze nach einer Zeitung oder einem Magazin, schon gar nicht nach dem SPIEGEL. Einige Tageszeitungen bekommt man an Automaten, die vor dem Supermarkt stehen. Wer mehr will wie ich, muss zehn Kilometer nach Süden fahren, erst in Tusayan bekomme ich die neuesten Magazine mit den ersten Bildern von dem Crash in NYC.

Die Tageszeitung USA TODAY (Untertitel: No.1 In the USA) veröffentlicht am 17. September 2001 unter der Überschrift: America ready to sacrifice, die Ergebnisse einer Umfrage des Gallup Instituts. America ist bereit, Opfer zu bringen (Zustimmung in Prozent):

Unterstützung eines Militärschlages:

Militärische Vergeltung 88 %
Bestrafen von Terror Gruppen 86 %
Längerer Krieg zur Beendigung des Terrorismus 52 %

Militär Aktion auch, wenn dabei:

Die Steuern erhöht werden 84 %
US Bodentruppen eingesetzt werden 80 %
Oil und Gas knapp wird 79 %
Weitere Terroranschläge drohen 78 %
Aktionen für mehrere Jahre nötig sind 66 %
Tausend eigene Soldaten getötet werden 65 %

Hier in Grand Canyon Village habe ich den Eindruck, dass der 11. September Menschen und Geschäfte kaum beeindruckt hat. Alles läuft so weiter wie bisher, Business as usual. Was schert uns hier, was in New York passiert und was Mr. Bush macht? Wir haben darauf nicht den geringsten Einfluss. Das Problem aller repräsentativen Demokratien: Das Volk darf zwar wählen, aber dann machen die Gewählten vier Jahre lang, was ihnen am meisten nützt.

 

Auch über das Internet will sich kaum jemand in Grand Canyon Village informieren. Es gibt kein Internet Café. 'Unsere Touristen fragen nicht nach dem Internet.', erklärt man mir in den Hotels. Für die, die trotzdem danach fragen, steht in der Post einer der Automaten, die ich so liebe: Tastatur mit Plastiküberzug, Touchmaus, natürlich kein Floppy und einen Schlitz für Dollarnoten und Credit Cards: Vier Minuten kosten einen Dollar und das System ist gähnend langsam. Das ist Internet zum Abgewöhnen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Nach einer schwierigen Suche habe ich am Abend die Library gefunden. Hier stehen tatsächlich drei Computer mit free Internet, nur zwei funktionieren und jetzt ist gerade Feierabend: 18 Uhr. Der Andrang der Backpacker sorgt für eine Voranmeldungszeit von drei Tagen ...

Nach einem halben Tag in Grand Canyon Village ist mir klar, dass ich hier nicht lange bleiben werde. Zu teuer, zu viele Menschen und zu viel Nepp. Aber es gibt keinen anderen Zugang zum Grand Canyon. Wer den Grand Canyon sehen, oder sogar in ihn hinuntersteigen will, der muss nach Grand Canyon Village kommen und bezahlen.

Dreissig Dollar spare ich jede Nacht , weil ich auf den Campground mit Dusche und Strom verzichte. Es gibt Alternativen. Ich stelle mich mit meinem Camper auf den Parkplatz vor dem Back Country Office. Ursprünglich war das die Santa Fe Railway Station. Ein sehr angenehmer Ort zum Übernachten. Im Office gibt es eine ordentliche Toilette, die 24 Stunden geöffnet ist. Der nachts hell erleuchtete Parkplatz ist ruhig, das Übernachten ist erlaubt und bis zum Rand des Grand Canyon läuft man nur fünf Minuten. Sogar eine Steckdose hätte ich hier gehabt. Aber mit meinem Generator bin ich ja unabhängig.

Am zweiten Tag bin ich informiert, was man hier unternehmen kann. Ich will in erster Linie diesen wunderbaren Canyon sehen und möglichst auch in die Schlucht hinunter steigen. Aber als sich auf dem Bright Angel Trail nach unten laufe ist mir schnell klar, dass ich hier völlig fehl am Platze bin. Der Bright Angel Trail ist die Autobahn in den Grand Canyon - Mulis und Pferde sind die Transportmittel. Wer so dumm ist, zu Fuss zu gehen, wandert knöcheltief in Staub und Mist und ist für die vielen Karawanen ein ständiges Verkehrshindernis. Das reicht mir bald und ich entschliesse mich, morgen den abgelegensten Hermit Trail zu erkunden und dann dieses Touristenparadies nach drei Tagen schnell wieder zu verlassen.

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Guided Tour auf dem Bright Angel Trail