Deutsche
Bomben ... Seite 2/2 |
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Viele Probleme tun sich jetzt auf. Das schlimmste ist aus meiner Sicht die simple Sichtweise der Amerikaner, die sich in dieser NATO-Aktion zeigt: Die Amerikaner haben in ihrem Land die Erfahrung gemacht, dass jedes Problem mit der Pistole ‚ganz einfach' zu lösen ist. Und diese unkomplizierte Sicht der Dinge übertragen sie jetzt auf die Weltpolitik. Das ähnelt fatal der überwunden geglaubten kommunistischen Sicht aus dem Kalten Krieg: Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns. In einer Zeit, wo eigentlich den meisten klar wird, dass die Dinge viel eher unendlich komplex, als einfach sind, ist diese primitive Problemlösungsstrategie einfach haarsträubend. Die NATO hat ohne ein UNO-Mandat diesen Angriffskrieg begonnen. Ein souveräner Staat wird angegriffen, der die NATO weder bedroht, noch angegriffen hat. Serbien wird bombardiert, weil dort die Menschenrechte verletzt werden. Das ist ein Novum in der Geschichte der NATO. Sollte das Schule machen, hätte die NATO weltweit jede Menge zu tun, denn unter den ca. 230 Staaten, die es z.Z. auf der Welt gibt sind wenige, die von sich behaupten können, alle Menschenrechte einzuhalten. Ausserdem wurden die Menschenrechte vom reichen ‚Westen' definiert. Es ist mindestens fraglich, ob sie auf alle Staaten, Völker und Kulturen übertragbar sind. Russland hat sich massiv gegen diese Bombardements eingesetzt. Aber Russland hat (im Gegensatz zu den Zeiten des kalten Krieges) keine funktionierende Armee mehr, kann also dem Drohpotential der NATO nichts Gleichwertiges entgegen setzen. Ausserdem wird Russland vom Internationalen Währungsfond finanziell vor dem Bankrott bewahrt. Ohne die Kredite des IWF wäre Russland in wenigen Monaten zahlungsunfähig. Wenn Russland zu laut schreit, werden die finanziellen Daumenschrauben angezogen ...! Mit dieser Situation kann man auch einen völligen Niedergang von Ethik und Moral auf dieser Welt konstatieren: Das Recht liegt bei dem, der über das Gewaltmonopol und das Geld verfügt. Das steinzeitliche Prinzip: ‚Der Stärkere hat Recht' gilt auch noch in der hochtechnisierten Zivilisation. ‚Der Westen' dominiert diese Welt und er kann machen, was er für richtig hält. Ein Spezialproblem ganz besonderer Art ist bei diesem Kriegseinsatz zu beobachten: Deutsche Flugzeuge beteiligen sich das erste Mal nach dem II. Weltkrieg wieder an einem Kampfeinsatz gegen einen anderen Staat. Deutsche Piloten werfen wieder Bomben über Belgrad ab. Der Bundeskanzler hält im Fernsehen eine Rede und fordert ‚vom Deutschen Volk in dieser schweren Stunde Solidarität mit unseren tapferen Soldaten'. Mir läuft es bei solchen Sätzen buchstäblich kalt den Rücken herunter, denn das letzte Mal habe ich sie von Hitler gehört. Die Deutschen haben sich als Folge des Desasters von 1945 fünfzig Jahre zurück gehalten. Jetzt ist die Schamfrist vorbei: ‚Auf ein Neues! Hurra! Wir gehören wieder zu denen, die wissen, was gut für den Rest der Welt ist !!' Die Partei der Grünen trägt seit einem halben Jahr als Koalitionspartner der SPD die Regierungsverantwortung mit. |
Diese Partei ist das Paradebeispiel für die alte Weisheit: Macht korrumpiert. Die Grünen waren vor 25 Jahren für eine grundsätzlich andere, die Menschen und die Umwelt schonende Politik angetreten. Noch vor zwei Jahren haben sie die Auflösung der NATO in ihrem Parteiprogramm gefordert !! Wären sie nicht an der Regierung, würden sie (wie die PDS) Zeter und Mordio gegen diesen Angriffskrieg der NATO schreien. Jetzt reden sie von einem ‚gerechten Krieg' und stehen voll hinter diesem Bombenterror. Ich kann mich noch sehr deutlich daran erinnern, wie wir uns im Studium, Ende der 50-er Jahre und im Kalten Krieg, über gerechte und ungerechte Kriege heftig mit Lehrern und 'guten Genossen' gestritten haben. Krieg ist Krieg und die Gerechtigkeit bezieht sich immer nur auf die eigene Seite. Wie wird das Spiel mit dem Feuer ausgehen? Im schlimmsten Fall hört die NATO von alleine mit dem Bombardement auf, weil Milosewic nicht daran denkt, die Einschränkung seiner eigenen Souveränität zu unterschreiben. Er hält einfach für ein paar Wochen in seinem Bunker die Luft an. Je länger er das tut, ein desto grösserer Held ist er hinterher für seine Freunde. Sollte er unter Zwang doch unterschreiben, dann unterschreibt er pro forma und hält sich hinterher an keine dieser Vereinbarungen. So hat er es seit 1989 gehalten und ist damit nach seiner Meinung hervorragend gefahren. Das Bombardement kann nicht jahrelang anhalten, nicht mal wochenlang. Was ist hinterher? Tausende unschuldige Menschen sind getötet, viele wurden aus ihrer Heimat vertrieben, das Land ist von der NATO zerstört worden. Aber das sind natürlich keine Menschenrechtsverletzungen! Das war ja ein gerechter Krieg. Das eigentliche Problem des Balkans aber wurde von alledem nicht berührt: Die ethnischen Konflikte dieses Vielvölkergebiets existieren genau so, wie vor dem Bombenkrieg und sie werden auch in tausend Jahren noch existieren. Natürlich fragen jetzt alle: ‚Wo ist die Lösung für das Problem ??!'. Ausnahmsweise gibt es hier eine wirklich einfache Antwort: Es gibt keine Lösung. Wir sollten uns endlich daran gewöhnen, dass es auf dieser Welt und in der von uns geschaffenen Zivilisation viele Probleme gibt (ich habe den Verdacht, es sind die meisten), die prinzipiell nicht lösbar sind. Aus meiner Sicht dient jede Aktion in diesen Fällen nur dazu, die Tatsache der prinzipiellen Unlösbarkeit zu verdrängen. Das fängt bei Spendenaktionen ‚Brot für die Welt' an, geht über sinnlose ‚Klimagipfel' bis zum Krieg der NATO gegen Serbien. Alle diese hektischen Kampagnen dienen nur der Beruhigung des eigenen Gewissens: ‚Man hat wenigstens nicht tatenlos zugesehen !!' Alles Quatsch. Diese Aktionen lösen kein Problem, sie wirken wie der sprichwörtliche Tropfen auf den heissen Stein: Am eigentlichen Problem ändern sie überhaupt nichts. Auch wenn die Einsicht bitter, deprimierend und hoffnungslos ist: Hände weg !! Den Balkan kann man nur sich selber überlassen. Niemand und nichts kann die balkanischen Konflikte lösen. Es gibt unendlich viele Probleme auf dieser Welt, für die das gleiche gilt. Dort sieht die 'Weltgemeinschaft' ganz bewusst weg, um sich nicht die Finger zu verbrennen. |
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Jürgen Albrecht, 27. März 1999
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