BACK

 

Gibt es objektive Grenzen ... Seite 2/2

Ein ähnlicher Grenzfall ist die spannende Frage nach der Erkennbarkeit der Welt. Sie ist deshalb so spannend, weil sie von den Materialisten zur 'Grundfrage der Philosophie' hochstilisiert wurde. Haben wir eine Chance zu beweisen, dass diese These richtig oder falsch ist?

Die Frage nach der Erkennbarkeit der Welt spitzt das Problem der menschlichen Erkenntnisfähigkeit noch zu. Dieser These liegt die Auffassung zugrunde, dass es nicht nur keine Grenzen gibt, sondern dass unsere Erkenntnisfähigkeit unendlich gross, dass sie total ist. Wenn sich herausstellt, dass der menschlichen Erkenntnisfähigkeit Grenzen gesetzt sind - und vieles spricht dafür - erweist sich auch die 'Grundfrage der Philosophie' nur als einer von vielen Glaubenssätzen.

Das passt zur aktuellen Wirklichkeit, denn im 'real existierenden Sozialismus' war die 'wissenschaftliche Weltanschauung' zum Religionsersatz verkommen. Wir waren (und sind?) so 'rationalistisch versaut' (MJ), dass wir nicht mehr wahrgenommen haben, dass der dialektische Materialismus eine Philosophie ist, eine Modellvorstellung, ein Gedankengebäude. Wir waren geneigt, dieses Instrument, weil es über weite Strecken so schön funktionierte (wenn man einige Fragen nicht mehr stellte), zu verabsolutieren und mit der Realität gleichzusetzen. Und genau das ist unzulässig. Nie ist ein Modell identisch mit der Realität. Die Negation der Negation sollte uns davor schützen.

Gerade bei den Religionen sieht man exemplarisch, wie solche Gedankengebäude funktionieren:

Sie sind in sich schlüssig, solange man die ‚verbotenen Fragen‘ nicht stellt. Mit diesen Fragen aber stürzt das Gebäude im schlimmsten Fall ein. Mindestens aber erkennt man an diesen Fragen, dass man es mit einem Modell zu tun hat und wo seine Grenzen liegen.

Ich bin aber nicht der Meinung, dass die ‚Grundfrage der Philosophie‘ etwa zu Gunsten der Idealisten entschieden ist, wenn man annimmt, dass die Welt nicht erkennbar ist. Ganz im Gegenteil: Die Grundfrage ist doch heute schon lange nicht mehr, ob ‚Gott‘ existiert, oder nicht. Es ist doch völlig klar, dass damit irgendein Gott aus einer der vielen Religionen gemeint war. Dass der weder existiert noch aus wissenschaftlichen oder philosophischen Gründen benötigt wird, ist heute ja fast Allgemeinwissen. Jede Simplifizierung ist verdächtig und potentiell gefährlich. Das als ‚Grundfrage der Philosophie‘ zu bezeichnen ist zu simpel. Für Agitatoren aber genau das richtige Instrumentarium.

Aus meiner Sicht kann man unser heutiges Erkenntnisproblem gar nicht auf eine 'Grundfrage' reduzieren. Es sind solche Fragen wie oben angesprochen: Wie kommt man zu einem Intelligenzbegriff, ohne sich auf den Menschen zu beziehen, was ist ‚Denken‘ generell, wie ist die Schicht zu beschreiben, in der wir uns mit unserem Denken bewegen können, sind wir prinzipiell in der Lage, sie zu verlassen und wenn ja, wie ??!

Jürgen Albrecht, 13. Mai 1999

 

BACK