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Ende des Bombardements

Am 10. Juni 1999 war es endlich so weit: Nach 80 Tagen wurde die pausenlose Bombardierung der Republik Yugoslawien durch die NATO eingestellt. Die Diplomatie hatte es geschafft: Beide Seiten fühlten sich als Sieger und konnten (ungeheuer wichtig) ihr Gesicht wahren. Der Luftkrieg wurde 'unterbrochen' wie es im offiziellen Sprachgebrauch der NATO heisst, Frieden aber wird es auf dem Balkan auf absehbare Zeit nicht geben.

Zu diesem diplomatischen Erfolg hat in erster Linie Russland beigetragen. Russische Politiker sind als Emissäre zwischen den verfeindeten Parteien hin und her gereist. Russland sieht die Serben als 'slawische Brüder' an und hat Ihnen das Gefühl vermittelt, dass das Papier, was letztlich unterschrieben wurde, keine bedingungslose Kapitulation ist. De facto aber ist es genau das, denn Milosevic erfüllt damit alle Forderungen der NATO, die Anlass für diesen Krieg waren: Rückzug der serbischen Armee und aller paramilitärischen Kräfte aus dem Kosovo, eine schwer bewaffnete Friedenstruppe unter Führung der NATO besetzt (diesmal mit UNO-Mandat!) das Kosovo und alle albanischen Flüchtlinge kehren in das Kosovo zurück.

Seit einer Woche wird dieses Abkommen jetzt umgesetzt. Die jugoslawische Armee zieht sich mit einer Unmasse schwerer Waffen, einschliesslich des letzten Dorfpolizisten, zurück. Im Schutze dieser Armee flüchten jetzt die serbischen Einwohner des Kosovo vor der Rache der zurückkehrenden Albaner.

Die NATO hat das Kosovo unter sich und in Einflussgebiete aufgeteilt (England, Deutschland, Frankreich, USA und Italien) und marschiert jetzt von allen Seiten mit einer 'Friedenstruppe', ausgestattet mit 'schwerem Gerät', in diese Zonen ein.

Den Russen wurde keine eigene Zone zugestanden. Das haben die Russen zum Anlass genommen, im Handstreich mit einem Stosstrupp von 200 Mann, 24 Stunden früher als alle anderen, unter dem Jubel der Serben in die Hauptstadt des Kosovo, Pristina, einzumarschieren. Schliesslich müssen auch die Russen darauf achten, keinen Gesichtsverlust zu erleiden. Sie halten den Flughafen besetzt, an dem eigentlich die Briten ihr Hauptquartier aufbauen wollten. Besonders an dieser Episode wird deutlich, welchen extremen Stellenwert Emotionen in einem Krieg haben und dass Vernunft keine militärische Kategorie ist.

Die Zahl der ausser Landes vertriebenen Albaner wird auf mindestens 1 Million geschätzt. Dazu existieren noch mindestens eine halbe Million 'Binnenflüchtlinge'. Nur ca. 50.000 Menschen wurden aus der Region ausgeflogen. Sie alle merken jetzt, dass sich die Lage geändert hat. Aus den Wäldern und von den Flüchtlingslagern aus versuchen sie jetzt, in Trecks ihre angestammte Heimat wieder zu erreichen. Das alles passiert in diesen Tagen gleichzeitig: Rückzug der serbischen Armee, Flucht der serbischen Zivilbevölkerung, Eimarsch der NATO und Rückkehr der albanischen Flüchtlinge. Jeder kann sich vorstellen, was das für ein Chaos ist.

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