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Die USA dominieren ... Seite 2/2

Hier scheint der Schlüssel für des Rätsels Lösung zu liegen: Die Politik der UNO ist eine internationale, auf Ausgleich gerichtete Politik. Sie kollidiert auf vielen Gebieten mit den nationalen Interessen der USA. Die demokratisch verfasste UNO besitzt ein vollständiges Instrumentarium zur Bewältigung internationaler Krisen. In vielen Fällen hat sich dieses Management auch weltweit bewährt. Aus der Sicht der USA hat es nur einen, dafür aber entscheidenden Nachteil: Die USA haben in der UNO nur eine von ca. 230 Stimmen. Im Weltsicherheitsrat hätte es nie ein Mandat für einen Angriffskrieg gegen Yugoslawien gegeben. Mindestens China und Russland hätten dazu ihre Zustimmung verweigert.

Diametral liegen die Grundstrategien der UNO und der USA zur Krisenbewältigung auseinander: Die UNO sieht als entscheidendes Mittel zur Entschärfung von Konflikten neutrale Friedensmissionen an. Sie stellt sich zwischen die Konfliktparteien und spielt (endlos) auf Zeit. Die USA haben für jeden Konflikt die schnelle und einfache Lösung: Ledernacken, Bomber, Kampfhubschrauber und jede Menge Feuerwaffen. Deshalb stehen die USA (gelinde gesagt) der UNO seit Jahren sehr reserviert gegenüber, sie bezahlen ihre Mitgliedsbeiträge in Milliardenhöhe nicht und verweigern der UNO auch die moralische Unterstützung. Jetzt betreiben sie offen eine Politik gegen die Interessen der Weltgemeinschaft.

Die USA installieren sich selbst als Weltpolizisten. Das wurde spätestens im Golfkrieg deutlich. Wie anders soll man sonst z.B. die Patrouillen und Luftgefechte in den ‚Flugverbotszonen' des Irak bezeichnen, die von den USA proklamiert und von der UNO nicht sanktioniert wurden? Jetzt wird auf dem Balkan demonstriert, wie eine ‚Befriedung' nach diesem neuen Polizeisystem funktioniert und wer als einziger geeignet ist, den Weltpolizisten mit dem nötigen Durchsetzungsvermögen zu spielen. Natürlich herrschen Recht und Ordnung. Aber es gelten das Recht des Stärkeren und die Ordnungsvorstellungen der USA. Solche Fragen kann man nicht am runden Tisch der UNO mit demokratischen Spielchen ausloten. Das Primat der Politik wird jetzt weltweit durch das Primat der Gewalt ersetzt. Die historisch gewachsene amerikanische Innen- und Aussenpolitik, wird zur Weltpolitik.

Der sinnlose und extrem gewalttätige Krieg gegen die Serben bekommt unter diesem globalen Machtaspekt plötzlich wieder einen Sinn. Hier geht es nicht um die Wahrung von Menschenrechten, nicht um Öl und auch nicht um lokale Einflussphären. Das entscheidende Kriegsziel ist die Demonstration des amerikanischen Gewaltmonopols. Die labile Zeit nach dem Kalten Krieg und nach dem Zusammenbruch des gewaltigen Drohpotentials des Sozialistischen Lagers ist vorbei. Jetzt wird das Machtvakuum aufgefüllt, das durch den Niedergang der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Paktes seit Beginn der 90-er Jahre existiert hat.

 

Die Führungsrolle der USA ist im Westen seit 50 Jahren unumstritten. Wer aber ‚befriedet' die Einflussphäre des ehemaligen ‚Ostblocks'? Russland ist nur noch ein Schatten der ehemaligen Sowjetunion und ausserdem wirtschaftlich vom Westen völlig abhängig. Ohne die Kredite des IWF ist Russland in wenigen Monaten bankrott. Russland ist mit dem Niedergang der Roten Armee auf der internationalen Bühne abgetreten. China ist noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt und wirtschaftlich nicht in der Lage, eine potente Kriegsmaschinerie aufzubauen. Asien befindet sich in einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise und hat deshalb keine Weltmachtambitionen. Die Europäische Union ist (Gott sei Dank aus der Sicht der USA) nur ein Wirtschaftsverbund und kein politische Union. Politisch dominieren die USA die Europäer über die NATO.

Die deutschen Politiker sind so fasziniert davon, dass sie endlich wieder ‚echt' Krieg spielen dürfen, dass sie offensichtlich blind in die von den USA inszenierte Falle getappt sind. Jetzt scheint einigen zu dämmern, worum es eigentlich geht. Die erbärmlichste Figur macht der grüne Aussenminister Fischer, der noch vor zwei Jahren mit pazifistischen Ambitionen die NATO abschaffen wollte. Jetzt wird er von seinem amerikanischen Amtskollegen als Hardliner gelobt. ‚Hier wendet sich der Gast mit Grausen ...'

Der Krieg der NATO gegen Serbien ist für die Amerikaner geradezu ein Glücksfall. Je grösser die angerichteten Schäden in einer möglichst kurzen Zeit sind, desto besser ist der Showeffekt für die USA. Erstens kann hier den Europäern das Prinzip Weltpolizist deutlicher (weil vor der Haustür) demonstriert werden, als z.B. im Irak. Zweitens wird vorgeführt, dass die UNO zwar demokratisch ist, dass aber Macht und Gewalt wichtiger sind, als Demokratie. Drittens wird Russland klar gemacht, dass die Zeiten ihres Einflusses vorbei sind. Und nicht zuletzt wird allen auf der Welt drastisch veranschaulicht, dass es ein grosser Nachteil sein kann, kein Freund der USA zu sein.

Es können nicht genug Bomben und Raketen abgefeuert werden, denn nicht nur nebenbei ist auch dieser Krieg ein glänzendes Geschäft: Die Waffenarsenale werden geräumt und müssen anschliessend natürlich wieder aufgefüllt werden. Die zerstörte Infrastruktur muss irgendwann auch erneuert werden. Gerade heute haben die Finanzminister der EU bereits einen Marshal-Plan für Yugoslawien nach Ende des Krieges beschlossen. Es ist auch klar, wer die Rechnungen für neue Waffen und den Wiederaufbau bezahlt: Die Steuerzahler in Europa und den USA.

Zynisch könnte man sagen, die Demonstration der neuen Rolle der USA hat einen fabelhaften Nebeneffekt: Vor drei Wochen wurde ein weltweites Konjunkturprogramm in Gang gesetzt, Arbeitsplatzbeschaffung inklusive

Jürgen Albrecht, 17. April 1999

 

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