Der Klimagipfel in Berlin
Schneetreiben, Gewitter und 10 cm Schnee in Berlin. Sehr ungewöhnlich im Frühling nach einem Winter ohne Schnee: Passend zum zweiten Klimagipfel, der gestern in Berlin eröffnet wurde. Die erste UNO-Klimakonfernz fand 1992 in RIO statt. Ohne Ergebnis. Das soll jetzt anders werden: Vertreter fast aller Staaten sind nach Berlin gereist, um über die vom Menschen verursachte Klimakatastrophe zu reden und sie in letzter Sekunde zu verhindern. Daß eine globale Wetterveränderung infolge Erwärmung der Atmosphäre im Gange ist, wird kaum noch bestritten. Die Anzeichen und die ersten Auswirkungen sind zu deutlich:
Auch der entscheidende Grund für die Erwärmung ist bekannt: Der Treibhauseffekt, hervorgerufen durch die CO2-Produktion der Menschheit. Die quasi schlagartige Verbrennung der in Jahrmillionen entstandenen fossilen Energieträger erzeugt das CO2. Ganz so einfach ist das natürlich alles nicht, denn Atmosphäre und Wetter sind hoch komplexe Systeme. Es spielen unendlich viele Stoffe und Prozesse zusammen. Aber erst in den letzten 20 Jahren wurde erkannt, wie labil dieses Gleichgewicht ist. Änderungen der globalen Temperatur in der Größenordnung von plus oder minus 3 Grad entscheiden über Eiszeiten oder Wärmeperioden mit Wüstenklima. Was ist zu tun? Die Hauptzielrichtung ist klar: CO2-Ausstoß sofort und möglichst total reduzieren. Aber das bedeutet für die technisierte Zivilisation, auf ihre entscheidenden Ergiequellen zu verzichten. Energie und Technik aber sind untrennbar verbunden. Weniger Energie heißt auch weniger Technik. Das will keiner, das macht keiner, aber das sagt auch keiner so deutlich. Im Gegenteil. Es wird schon zum zweiten Mal ein Gipfeltreffen aller Staaten dieser Erde organisiert. Man redet, man färbt schön, man bestreitet, man unterschreibt ein zu nichts verpflichtendes Protokoll, fährt nach Hause und lebt genau so weiter wie bisher ... bis zum nächsten Klima-Kongreß. Der Treibhauseffekt läuft seit mindestens 150 Jahren, seit dem Beginn der industriellen Revolution. Die Trägheit des Klimasystems ist groß, die Reaktionszeiten betragen 20 bis 50 Jahre. Wird der CO2-Ausstoß auf dem heutigen Niveau nur eingefroren, haben wir die Katastrophe in 20 bis 40 Jahren. Es muß reduziert werden, wenn die angeschobene Klimaveränderung rückgängig gemacht werden soll. Ob das gelungen ist, wird auch erst wieder in 40 Jahren zu erkennen sein. |
Das menschliche Verhalten spricht absolut dagegen, daß die Klimaveränderung verhindert wird:
Würde der Mensch seinem Verstand folgen, gäbe es mindestens zwei genau so plausible Gegenargumente:
Jeder kann in seiner unmittelbaren Umgebung selbst feststellen, wie einfach und in welchem erstaunlich großem Maße Energie eingespart werden könnte. Es ist nicht nur möglich, es ist sogar ohne wesentliche Einschränkungen machbar. Aber es wird nicht geschehen, weil sich jeder sagt: Ob ich das Licht gezielter einschalte, die Badewanne nicht so oft voll laufen lasse, oder weniger Benzin verbrauche, das ändert an der Gesamtsituation überhaupt nichts. Einzelaktionen haben keine Wirkung. Das stimmt. Und gleichzeitig ist auch klar, dass es koordinierte Aktionen nicht geben wird. Im pluralistischen Kapitalismus existiert keine übergeordnete, vernünftige oder moralische Gewalt, die jeden Einzelnen zur Umkehr zwingt. Der Klimagipfel ist beendet. Leute aus 160 (!!) Staaten dieser Erde fahren nach Hause und rechnen die Spesen ab. Bei der Mammut Veranstaltung ist das herausgekommen, was man erwarten konnte: Nach 14 Tagen intensiver Diskussion und zähen, nächtelangen Verhandlungen, hat man sich darauf geeinigt, in zwei Jahren das gleiche Spiel von vorne zu beginnen, diesmal in Tokyo. Schließlich wollen die japanischen Hoteliers auch mal was verdienen. Was Jens Reich vorschlägt ist rührend (SPIEGEL 14/1995). Sein Öko-Rat könnte nur von der jetzigen Regierung eingesetzt werden. Dazu müßte sie an entscheidender Stellen Macht abgeben. Genau da hört der Spaß auf, da macht die Wirtschaft nicht mit. So lange Regierungen der verlängerte
Arm der Wirtschaft sind, wird in Sachen Ökologie global nichts Einschneidendes
geschehen. Im Vordergrund steht die kurzfristige Rendite und nicht
die Höhe des Meeresspiegels auf den Malediven in 50 Jahren. |
Jürgen Albrecht, 01. April 1995