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Schwierige Kommunikation

In der vorigen Woche habe ich an einem Tag zwei Schreiben erhalten bei denen ich nicht weiß, was mir die Leute eigentlich mitteilen wollen. Das eine Schreiben kommt vom Finanzamt und das zweite Schreiben ist eine Reaktion auf meinen Rentenantrag.

Den Rentenantrag habe ich am 11.04.1997 bei dr BfA abgegeben und das ist die erste schriftliche Reaktion darauf. Inzwischen sind 7 Monate vergangen. Trotz aller Bemühungen bin ich wirklich nicht in der Lage zu erkennen, um was es hier eigentlich geht. Der einzige Satz, der handschriftlich in das vorgefertigte Formular eingefügt wurde lautet: 'Die Wartezeit zum 2.10.90 wurde erfüllt.' Welche Wartezeit, ich habe doch immer gearbeitet ... Was bedeutet das, daß die Wartezeit erfüllt wurde? Ist das gut oder schlecht? Aus dem vorgedruckten Text kann ein Laie wie ich nicht erkennen, worum es eigentlich geht.

So geht es mir auch bei dem Schreiben vom Finanzamt. Offensichtlich habe ich 1994 einen Bescheid erhalten, der unter Vorbehalt erteilt wurde. Dieser Vorbehalt wird jetzt aufgehoben, gleichzeitig aber ist er (noch immer ?) 'teilweise vorläufig'. Was bedeutet das? Muß ich jetzt was tun? Ich bin schon beruhigt, daß die Leute von mir kein Geld haben wollen. Aber die folgenden Erläuterungen und Belehrungen (einschließlich Abkürzungsverzeichnis !!) sind für einen unbedarften Bürger nicht zu verstehen. Das ist zwar noch deutsche Sprache, aber es ist ein absoluter Fachtext. So unverständlich für Normalbürger wie eine beliebige Seite aus dem Nutzerhandbuch von Windows NT oder AutoCAD.

Ich könnte versuchen, mir die zitierten Gesetzestexte vorzunehmen, sie zu analysieren und zu interpretieren. Auch das könnte ich alleine nicht, weil mir der Fachkontext fehlt. Gerade bei Steuern und Rente scheint die Materie in den letzten 100 Jahren des Wirkens der deutschen Beamten so kompliziert geworden zu sein,

daß man ohne Steuer- und Rentenberater mit den Behörden nicht mehr kommunizieren kann. Die Leute, die die Verbindung zwischen Volk und Regierung herstellen, haben sich so weit von den Bürgern entfernt, daß Dolmetscher gebraucht werden, um sich mit ihnen zu verständigen. Erschreckende Situation.

Aber genau das sagt Murphy's Gesetz: Je länger die Beamten in Ruhe gelassen werden, desto mehr beschäftigen sie sich mit der Organisation der eigenen Beschäftigung und der Verkomplizierung der Beschäftigung mit der Beschäftigung. Natürlich muß bei eine 'Festsetzung', die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt ist, irgendwann mal wieder der Vorbehalt aufgehoben werden ... wenn auch nur 'teilweise vorläufig' ... man will sich ja auch übermorgen noch beschäftigen und unentbehrlich machen.

Erst wollte ich dem Finanzamt einen Brief mit der Bitte schreiben: 'Erklären sie mir wenigstens die ersten zwei Sätze Ihres Schreibens in einem für Dieter Mustermann verständlichen Deutsch.' Ich habe mir diesen Brief verkniffen. In ein paar Monaten muß ich dort wieder meine Steuererklärung einreichen und es ist sehr wahrscheinlich, daß ein Beamter, der so einen Brief beantworten muß, sich den Namen dieses renitenten Bürgers merkt ...

Was sieht man hier wieder: Auch in der Bundesrepublik Deutschland ist Opportunismus, wie in der DDR, angesagt. Er macht das Leben erträglicher.

Und auch hier wieder das Phänomen: Ob es Sozialismus, Kaiserreich, Nationalsozialismus oder Bundesrepublik heißt, was über den Beamten existiert, ist für ihre Arbeit und ihre Verhaltensweise völlig irrelevant. Das was hier unbeirrt wirkt, ist ein Naturgesetz !

Jürgen Albrecht, 02. Dezember 1997

 

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