Ein
Holocaust-Monument für Berlin |
||
Der Streit um das Denkmal für den jüdischen Holocaust ist immer noch nicht ausgestanden. Heute hat das erste von drei Kolloquien zu diesem Thema in Berlin stattgefunden. Historiker, Politiker und Künstler reden über das, was längst von allen Seiten betrachtet, diskutiert und analysiert worden ist. Fest steht jetzt, daß das Denkmal gebaut wird, daß der Grundstein spätestens 1999 gelegt wird und daß es nicht mehr als 15 Mio. DM kosten soll. Gesucht ist die Form, die dem Inhalt in allen Aspekten entspricht. Das kann nicht optimal gelingen, weil jeder Mensch eine andere Vorstellung vom Holocaust und seiner Wirkung hat. Nur ein möglichst guter Kompromiß kann das Ergebnis sein. Ich bin prinzipiell gegen das Mahnmal. Vor allen Dingen bin ich gegen ein 'Monument'. Aus meiner Sicht sprechen folgende Fakten gegen ein solches Denkmal:
Es gibt also wirklich gute Gründe, gegen ein Holocaust-Denkmal zu sein. Aber ich bin weit davon entfernt, ein militanter Denkmalsstürmer zu werden. Wenn die politische Entscheidung gefallen ist, dann sicher mit einer Liste genau so guter Gründe, die für ein Denkmal sprechen. Auch hier kann es in einer pluralistischen Gesellschaft keine einheitliche Auffassung geben. Um so spannender stellt sich jetzt die Frage, wenn es denn unbedingt ein Mahnmal geben muß, wie sollte es denn aussehen? |
Ich beschäftige mich schon lange mit dieser Frage. Nicht professionell, denn ich bin weder Künstler noch Architekt. Aber weil ich alt genug bin, um mich deutlich an diesen Krieg zu erinnern, läßt mich dieses Monument nicht los. Die Ausstellung mit den Entwürfen habe ich mir angesehen. Für mich sind alle Entwürfe zu vordergründig, zu trivial oder zu monumental. Heute hatte ich bei den Nachrichten zu diesem Thema plötzlich die (aus meiner Sicht) angemessene Idee: Ein großes Rapsfeld, mitten im Zentrum der Metropole Berlin. Rund herum ein staubiger Feldweg, Kornblumen und Mohn am Randes des Rapsfeldes und des Feldweges. Vielleicht ein ganz schmaler Trampelpfad durch das Rapsfeld. Rund herum Hochhäuser, Straßen, brausender Verkehr, Neonreklamen, Geschäfte, eilige Menschen. Dazwischen ein großes Feld, ein großer Kontrast. Die Natur sorgt dafür, daß es jeden Tag anders aussieht. Erst braune Erde, dann ein zartes Grün, dann grün satt. Über viele Wochen im Mai ein strahlendes, beziehungsreiches Gelb. Dann dunkleres Grün, braun, schmutzig. Holzige Pflanzen, wie Stacheldraht. Undurchdringlich. Millionen von Samenkörnern. In der Kristallnacht geht das Feld in Flammen auf. Schwarz und verbrannt liegt es im November und Dezember da, bis der Schnee ein Erbarmen hat und es zudeckt. Aber nicht für immer. Spätestens im März ist es wieder braun und der erste grüne Schimmer ist zu sehen. Die Menschen hasten vorbei, nur wenige verharren auf dem Feldweg und die Touristen wundern sich: Was soll das Feld hier, mitten in der Großstadt? So sieht in meiner Sicht eine stimmige Lösung aus. Etwas Alltägliches, das erst im Kopf zum Mahnmal wird. Ein Stück elementarer Natur. In Ruhe gelassen. Nur das Einfache, Schlichte wirkt in diesem Fall. Es muß Herz und Kopf erreichen, erst dann bewirkt das Rapsfeld vielleicht bei einigen von uns ein Nachdenken über unser jetziges Tun, über unsere kleinkarierte Borniertheit und auch über unsere Vergangenheit. Jedes Monument bewirkt das Gegenteil: Erregung über Zweck, Sinn Anmaßung, Hochmut und über verschleuderte Steuergelder. Ein Jammer, daß ich in der Minderheit bin. Die Masse Mensch und die Politiker, sie lieben die platten, vorgeblich einfachen Wahrheiten, die Trivialitäten, den Exhibitionismus und die Bildzeitung. Keine Zeit und keine Gesellschaft für intelligente, leise, nachdenkliche Zwischentöne. Zur Jahrtausendwende werden wir uns am Brandenburger Tor an einem Monument erfreuen können, das auf der gleichen Stufe wie der 'Nischel' von Karl-Marx-Stadt steht. Auch ein Monument. |
|
Jürgen Albrecht, 10. Januar 1997
|