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J. K. - Das ist das Letzte !

Jürgen Kuczynski, ich habe ihm einige Briefe geschrieben, ich habe mehrfach über ihn Storys und Memos geschrieben. Das hier ist das letzte Mal, daß ich diesen Namen in den Mund und in den Computer nehme.

Bisher hat mich dieser Mensch nur aufgeregt, weil mich seine Heilsgewißheit, seine platte Agitation für den Sozialismus und seine Selbstgefälligkeit und Eitelkeit genervt hat. Ich habe einfach nicht begriffen, wie man sich selbst in einer solchen Größenordnung überschätzen kann und trotzdem noch selber davon ausgeht, daß man zu den intelligentesten lebenden Menschen gehört.

Zu seinem Gunsten habe ich zu DDR-Zeiten immer angenommen, er tarnt seine (sehr sehr milde Kritik) mit systemkonformen Äußerungen. Nach der Wende habe ich aber festgestellt, daß er wirklich so platt und borniert denkt. Er hat seinen Satz: 'Der Sozialismus ist gut, nur die heutigen Menschen passen nicht zu diesem Sozialismus.' (Urenkel) nach der Wende nicht zurückgenommen. Nein, er glaubte trotz der eindeutigen Bruchlandung noch daran, daß man den 'neuen Menschen' durch Erziehung schaffen und dann ein utopisches Gesellschaftssystem aufbauen kann. Man kolportiert jetzt seine letzten Worte: '2048 ist es wieder so weit ...!'

Gut, alles geschenkt, alles vergessen. Es gibt vieles, an was Menschen glauben können, was mit Rationalität und Naturwissenschaften nichts zu tun hat. Warum nicht auch glauben an eine solche Utopie. Dagegen hätte ich sogar zu DDR-Zeiten nichts gehabt, wenn J. K. nicht gleichzeitig behauptet hätte, einer der größten Wissenschaftler zu sein.

Im aktuellen SPIEGEL 46/1997 steht ein Artikel über Günter Reimann. Ein 'Kampfgefährte' J. K.'s aus den 30-er Jahren. Darin eine völlig neue Information über J. K.: Kuczynski war seit September 1944 im Auftrag Stalins Mitglied im US Strategic Bombing Survey, dem Planungsstab, der die Ziele der alliierten Luftangriffe auf Deutschland festgelegt hat.

In dieser Funktion hat er die Bombardierung von Magdeburg, Dresden und Berlin mit beschlossen. Das sind die schlimmsten Bombardements gewesen, die diese drei Städte praktisch ausradiert haben. Jetzt noch sind überall die Folgen in diesen Städten zu sehen. Seine Schwester Ruth besorgte mit Sitz in London die Nachrichtenübermittlung an Stalin als Spionin des sowjetischen Militärgeheimdienstes.

Mit keinem Wort ist das zu DDR-Zeiten je publik geworden, obwohl das mindestens für die 'besten Genossen' und die Parteiführung nie ein Geheimnis gewesen sein kann. Auch nach 1989 ist davon nichts bekannt geworden. Und jetzt kommt das mit diesem Artikel quasi in Nebensätzen an die Öffentlichkeit. Pikanter Weise genau zum jetzigen Zeitpunkt, wo J. K. erst vor wenigen Monaten gestorben ist. So hervorragend haben die Geheimnisträger funktioniert: Sie haben dicht gehalten, bis er unter der Erde war, um ihn nicht zu gefährden. Ich glaube, wenn ich das gewußt hätte, ich wäre auch fähig gewesen, ihm einen Molotow-Coctail in seine schöne Villa in Pankow zu schmeißen.

Das sind Leute, die reizen mich bis aufs Blut, aufs Messer und die Pistole. Ich kenne mich selber nicht mehr wieder. Die DDR-Parteielite: Es sind moralisch die größten Schweine, aber sie spielen sich als die intelligentesten Wissenschaftler, als die Leute mit dem ideologisch saubersten 'Klasssenstandpunkt', mit dem größten Durchblick und als die arrogantesten 'Sieger der Geschichte' auf.

Die Menschen sind nur auf das Wohl ihrer Gene fixiert und dafür ist ihnen jedes Mittel recht. Exemplarisch kann man das hier wieder nur konstatieren. Ein riesiger Idiot, wer sich auf die Fahne geschrieben hat, immer und unter allen Umständen die WAHRHEIT hoch zu halten. J. K. hat alles gefälscht, was es nur zu fälschen gab. Zuallererst für seine persönlichen Eitelkeiten. Und trotzdem hat dieser Mensch die letzten 50 Jahre ruhig schlafen können !!

Jürgen Albrecht, 16. November 1997

 

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