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Fachmänner für das Kinderkriegen

Der § 218 regelt die Möglichkeit der Abtreibung in Deutschland. Vor ca. zwei Jahren hat man sich nach langer Diskussion auf eine Reform dieses Abtreibungsrechtes geeinigt. Die Diskussion wurde durch die deutsche Wiedervereinigung angestoßen. In der DDR konnte ohne große bürokratische Hürden bis zur 15. Schwangerschaftswoche abgetrieben werden. Das ging in der BRD nicht so einfach. Der jetzt gültige Kompromiß ist die DDR-Lösung plus ein Beratungsgespräch, in dem die Frau zum Austragen des Kindes 'beraten' werden soll. Hilfen werden angeboten. Wenn sich die Frau aber gegen das Baby entscheidet, kann sie nach der Beratung abtreiben lassen. Sie muß aber nachweisen, daß eine Beratung stattgefunden hat. Dazu benötigt sie den 'Beratungsschein', den die staatlichen und konfessionellen Beratungsstellen ausgeben.

Die katholische Kirche ist aus prinzipiellen Gründen gegen die Abtreibung. Hardliner wie Bischof Dyba bezeichnen z.B. den Beratungsschein als 'Lizenz zum Töten'. Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt ist die Reaktion des Vatikans auf die Reformierung des Abtreibungsrechts in Deutschland da. Der Pontifex hat die katholischen Bischöfe in Deutschland (nicht in der Welt!!) mit einem speziellen Brief aufgefordert, bei der Ausstellung des Beratungsscheines nicht mehr mitzuwirken. Die Bischöfe haben beraten und haben sich vorgestern entschieden, daß ab 1999 in ihren (katholischen) Beratungsstellen kein Beratungsschein mehr ausgestellt wird, der das 'abtreibungsauslösende' Dokument darstellt. Man will aber weiter beraten. Was das ohne Schein für einen Sinn haben soll, ist auch den Bischöfen unklar. Genau deshalb will man sich ein Jahr Zeit lassen, um über neue Verfahren in dieser Sache nachzudenken.

Das ist der objektive Sachverhalt. Auslöser dieses Konflikts ist die Position der katholischen Kirche zu Empfängnis, Leben, Seele und zur Unsterblichkeit. Ein sehr interessanter Artikel von Eugen Drewermann im SPIEGEL 5/1998 (ein hoch intelligenter, ehemaliger, exkommunizierter katholischer Priester) beleuchtet das gegenwärtig noch strikt gültige Denkmodell der Kirche in dieser Angelegenheit: Mit der Verschmelzung von Samen und Eizelle 'senkt' der Liebe Gott eine unsterbliche, menschliche Seele in diese Zelle. So ist von der Befruchtung an, ein fertiger Mensch vorhanden, dem die Unsterblichkeit gewiß ist. Das passiert nur bei Menschen, nicht etwa bei Schlangen, Vögeln oder Menschenaffen.

Und weil das so ist, ist eine befruchtete Eizelle ein Mensch und der wird getötet, wenn abgetrieben wird. Mit dem Abtreiben verliert er die Chance der Unsterblichkeit, denn er ist ja noch nicht getauft und voller Sünden...! Auch das Onanieren (von Männern) ist etwas ganz schreckliches, weil dadurch menschliche Samen vernichtet werden, die sonst die Chance hätten, unsterbliche Menschen zu werden.

Diese mittelalterlichen Vorstellungen von medizinischen Vorgängen und der Seele des Menschen bestimmen heute noch das Handeln der weltweit operierenden katholischen Kirche. Sie sind der Grund dafür, daß sich die Kirche vehement gegen alle Maßnahmen zur Empfängnisverhütung, zur Abtreibung und Geburtenkontrolle stellt und das durch Überbevölkerung hervorgerufene Elend ignoriert.

Diese Vorstellungen von der Menschwerdung sind durch keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse gedeckt oder bestätigt. Im Gegenteil. Durch nichts ist die Existenz von Seele und Unsterblichkeit nachgewiesen. Daß die Menschwerdung nach den Vorstellungen der katholischen Kirche abläuft ist genau so wahrscheinlich, wie die Existenz eines göttlichen Thronsaales über den Wolken und die Wiedergeburt als Sonnenblume in der Vorstellung von Buddhisten.

Dazu kommt noch, daß hier ausschließlich Männer am Werke sind über Dinge zu urteilen, die ausschließlich Frauen geschehen. Das Zölibat schreibt katholischen Priestern vor, allen Freuden der Liebe von Anfang an zu entsagen und auf eine Familie lebenslang zu verzichten. Ohne jede praktische Erfahrung erheben diese Herren aber darauf Anspruch, das Sexual- und Familienleben weltweit zu reglementieren.

Für alle, die mit mindestens einem Bein im täglichen Leben stehen und das Schulwissen der Grundschule besitzen, sind unüberbrückbare Widersprüche im mittelalterlichen Denken und Handeln dieser Herren offensichtlich. Deshalb kann man sich eigentlich nicht genug darüber wundern, welche Macht diese Kirche trotzdem und auch noch heute in Deutschland hat. Die Kirche hat Macht durch Tradition, Besitz und Gewohnheit. Wie man sieht, sind diese Dinge stärker als Vernunft und wissenschaftliche Erkenntnisse und sie sind in der Lage, riesige Zeiträume zu überdauern.

Jürgen Albrecht, 29. Januar 1998

 

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