Der
unaufhaltsame Abstieg des Manfred Krug |
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Manfred Krug war in der DDR eine Identifikationsfigur. Er konnte was. Er war ein hervorragender Schauspieler und auch ein wirklich guter Jazz-Sänger. Er hatte Charakter. Er hat in einigen seiner Filme eindeutige Positionen gegen die von dogmatischen Ideologen beherrschte Kulturpolitik bezogen. Er hat sich öffentlich gegen die Ausbürgerung von Biermann gestellt. Er war unbestechlich und konsequent. Als die DDR-Kulturoffiziere seine künstlerische Bewegungsfreiheit weiter einschränkten, verliess er unter Protest die DDR und verlegte seinen Wohnsitz nach Westdeutschland. Wie sehr er trotzdem in der DDR privilegiert war, zeigt seine Ausreise: Er durfte ausreisen und zwar mit seinem gesamten Hausstand, er wurde vorher nicht eingesperrt, wie alle anderen, die weg wollten und er wurde auch nicht freigekauft, wie alle anderen. Ich weiss nicht genau wann, aber ca. 1985 kam er in der Bundesrepublik an. Er sang nicht mehr mit einer Band, er spielte nicht Theater, er machte auch keine grossen Filme mehr - offensichtlich hat man in der Bundesrepublik, in der alle Pfründe längst verteilt waren, nicht auf Manfred gewartet. Aber er bekam Arbeit beim Fernsehen, er spielte in vielen Seifenopern mit, aber zu grosser Form lief erst wieder als Liebling Kreuzberg auf, eine ihm direkt auf den Leib geschriebene TV-Serie. Sein Abstieg begann, als er vor ca. 3 Jahren das erste Mal Fernsehwerbung für die Telekom machte. Die Telekom hatte bei ihren Kunden nie ein gutes Immage, im Gegenteil. Die Marketingstrategen der Telekom nutzten die Popularität von Manfred Krug für ihre Zwecke aus und offensichtlich zeigte der Einsatz von Manfred Krug in ihren Bilanzen Wirkung. Das traf sich gut, denn die Telekom wollte an die Börse. Manfred Krug machte Werbung für eine (Staats-) Firma, die sehr hoch verschuldet an die Börse wollte, die monatelang während dieser Werbekampagne nicht sagte, was die Aktie am Ausgebetag eigentlich kosten sollte und die zu dieser Zeit noch das Telefon-Monopol in Deutschland besass und schamlos die Telefonkunden abzockte. Nach spätestens drei Wochen Telekom-Aktien-Werbung konnte ich mir die Werbespots nicht mehr ansehen. Der Widerspruch zwischen Realität und Werbetext war (für einen mitdenkenden Zeitgenossen) haarsträubend. Das ging nicht nur mir so, sondern auch meinem ganzen Bekanntenkreis. Jetzt, ca. zwei Jahre nach dem Börsengang ist die Telekomaktie - für mich völlig unerwartet - deutlich gestiegen. Ihr Ausgabewert lag bei ca. 32 DM, jetzt steht in der Gegend von 45 DM. Manfred hat ganze Arbeit geleistet. Anschliessend an den Börsengang hat die Telekom am 1.1.98 (planmässig) ihr Telefon-Monopol in Deutschland verloren. |
Jetzt muss sie gegen die Konkurrenten kämpfen. Der gekaufte Manfred kämpft mit. Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass nach der Aktienwerbung noch eine Steigerung des Brechreizes möglich sein könnte, aber genau das ist mit dem letzten Werbespot, der jetzt über die Bildschirme flimmert, passiert: Krug raucht Zigarre,
die Zigarre explodiert: Wie tief muss ein Mensch moralisch sinken, wie korrumpiert muss er sein, dass er sich hinreissen lässt, im Brustton ehrlichster Überzeugung so einen Text in der Öffentlichkeit und zur besten Sendezeit gegen Mobilcom zu sprechen??! Was ist das für ein Unternehmen, für das er seine Reputation verkauft? Die Onlinekunden der Telekom streiken ab 1.11.98 jeden Sonntag gegen die Wuchergebühren der Telekom. Die Hotline von T-Online = Telekom antwortet drei Wochen überhaupt nicht auf eine dringende Anfrage, die Software ist fehlerhaft, es gibt keinen Support. Das einzige, was hervorragend funktioniert, ist die Rechnungslegung: Telefon ( ca. 50 Ortsgespräche) + ISDN + E-Mail + ca. 10 Stunden Internet = 180 DM pro Monat. Und für so ein Unternehmen, das bei allen Kunden jedes Ansehen verloren hat, klopft der ehemals so charakterstarke Manfred Krug solche Reklamesprüche. Warum ?? Seit er für die Telekom Reklame macht, habe ich Manfred Krug nicht mehr als Schauspieler im Fernsehen gesehen. Das ist charakteristisch: Manfred hat gemerkt, dass er mit der Telekom viel mehr Geld verdienen kann, als mit Charakter und durch künstlerische Arbeit. Also muss diese Kuh mit aller Gewalt gemolken werden, wenn sie tot ist, ist Manfred für alle Zeiten saniert. Wenn ihn dieser Text als Leserbrief erreichen würde, ginge er damit zu seinem Auftraggeber und würde ihn als Argument für die Erhöhung seiner Honorare benutzen. Ein Paradebeispiel für die These: Jeder Mensch ist käuflich, alles ist ausschliesslich eine Frage des Preises. Schade um Manfred Krug. Aus einem Mann mit Grundsätzen wurde ein Schwein. |
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Jürgen
Albrecht, 31. Oktober 1998
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