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Kontaktanzeigen mit PR-Effekten

Die Kontaktanzeigen funktionieren natürlich auch nach den Gesetzen der Werbung. Das Angebot, das Produkt, wird in den schönsten Farben ausgemalt und dargestellt. Daß die Wahrheit dabei kaum eine Rolle spielt, ist besonders bei Kontaktanzeigen von Vermittlungsagenturen zu sehen, die schon nach drei bis vier Worten als solche zu erkennen sind. Wer privat eine Anzeige in die Zeitung setzt, traut sich nicht so unverschämt zu übertreiben und zu lügen, wie diese Institute. Es ist erstaunlich, daß die hinter diesen Anzeigen stehenden Frauen und Männern sich so offensichtlich überbewerten lassen. Auch stellt sich die Frage, warum eine junge, strahlende Frau aus den allerbesten Geschäftskreisen in Deutschland, die ständig zwischen Südostasien, Europa und den USA unterwegs ist, dabei nicht einen, auch nur halbwegs interessanten Mann trifft ?! Nein, sie findet ihn nicht und nun soll eine Anzeige im Berliner Tagesspiegel endlich die emotionale Leere ihres Herzens auffüllen! Aber das ist wie generell bei der Werbung: Sobald man sie rational analysiert stellt man fest, daß die Werbestory logische Fehler hat und daß keine sachlichen Fakten vermittelt werden. Es soll nur eine bestimmte emotionale Stimmung mit dem Produkt gekoppelt werden. Ein Feeling wird erzeugt, Schlüsselworte und Schlüsselbilder werden produziert. Genau so funktionieren auch Kontaktanzeigen. Es werden Signale ausgesendet, von denen man annimmt, daß sie eine bestimmte Zielgruppe sensibilisieren, von ihr verstanden werden. Wer nicht zu der Zielgruppe gehört (wie ich), dem und nur dem fällt auf, wie überspannt, unnatürlich und heuchlerisch sich da jemand präsentiert oder präsentieren läßt.

Nie ist eine Masche völlig ausgereizt, es gibt immer wieder Steigerungen. Die Kunst der Moderne hat vor der Werbung das Prinzip 'Mache genau das Gegenteil von dem, was man erwartet' benutzt. Es stammt aus der Technik und heißt dort kinematische Umkehr: Wie hebe ich mich aus einer Menge von Leuten heraus, die alle behaupten, schön, tolerant, reich und lieb zu sein? Man behauptet einfach das Gegenteil.

Es ist das erste Mal, daß ich solche Anzeigen im Tagesspiegel gesehen habe. Sicher ist diese Masche nicht ganz neu, aber im Tagesspiegel fällt das noch auf. Interessant ist auch, daß es heute gleich zwei solche Anzeigen gibt, eine von einer angeblich unleidlichen Ziege und die andere von einem nörgelnden Ossi. Aus meiner Sicht hat der Ossi überdreht. So etwas gibt es auch. Wer sollte bei diesem unmöglichen Kerl noch Lust verspüren,

ihm zu schreiben und danach vielleicht noch in seine abgewirtschaftete Bude ziehen?

Aber die zickige Weibsperson hat die richtige Mischung getroffen. Man glaubt ihr viel eher das Gegenteil, als das, was sie da behauptet. Außerdem provoziert sie zum Widerspruch und vor allem produziert sie sich als Herausforderung für alle Machos des Bizeps und des Geistes: Wo ist die Frau, der ein 'richtiger Mann' nicht gewachsen ist und die sich bei einem Supermann langweilt? Kann ja nicht sein !! Das ist gut gemacht, diese Lady hat instinktiv genau das richtige Maß getroffen oder sie ist die blanke Intelligenzbestie, die mit wissenschaftlicher Akribie ein halbes Jahr an diesem Text gefeilt hat. Hat sie nicht. Dann wäre der erste Teil der Anzeige noch mehr gestylt. Aber sie ist eine kluge Frau mit sensiblen Antennen für den Zeitgeist.

Wäre ich von ihr nicht so gelangweilt, würde ich mich auf ein Florettgefecht mit der schwierigen Lady einlassen. Mit links würde ich als erstes klarstellen, daß sich 'richtige Männer' in der Regel durch Frauen gelangweilt fühlen und daß es den umgekehrten Fall praktisch nicht gibt. Interessant wäre bei den Gefechten zu eruieren, wo 'Sie' denn meint so stark zu sein, daß ihr kein Mann gewachsen ist. Körperlich scheidet sofort aus, also kann es ja nur im psychischen oder im intellektuellen Bereich angeblich dazu kommen. Ha - das möchte ich sehen !! Alles nur Masche, Angeberei und bestenfalls eine ganz geschickt gestellte Falle !! Außerdem ist ja spätestens seit Freud hinreichend bekannt, daß man die Peitsche mitnehmen muß, besonders zu den schwierigen Frauen. Denn diese überspannten Wesen haben doch nur ein Problem: Sie leiden an sexueller Unterforderung und sind unfähig, einen ordentlichen Orgasmus zu erleben. Aber wahrlich, um ihnen dieses Defizit zu nehmen, bedarf es eben eines 'richtigen Mannes'. Einer, der es nicht nur kann, sondern der auch den großen geistigen Durchblick hat. Eben so einen, wie zum Beispiel mich.

Ja, so könnte das Gefecht beginnen (wenn die Zicke wirklich so intelligent wäre, wie ich es ihr unterstelle) und schon wäre man im schönsten Flirt, der in einem Feuerwerk spritziger Anspielungen und geistreicher Plänkeleien bis zum Vorspiel weitergeführt werden könnte ...

Man sieht an dieser Simulation, daß und wie diese Anzeige funktioniert. Gut gemacht, Lady, hoffentlich findet sich einer, der intelligent genug ist, das auch so zu verstehen, wie es (vielleicht !!!) gemeint ist.

 

 

Jürgen Albrecht, 08. März 1998

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