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Amerikanische Rechnungen

 

46 US-Staaten haben sich mit der Tabakindustrie geeinigt. Sie akzeptieren die Zahlung von 206 Milliarden (!) Dollar und ziehen ihre Klagen gegen die Tabakindustrie zurück. In diesen Klagen wurde auf Rückerstattung der Behandlungskosten erkrankter Raucher geklagt. Es ist die grösste aussergerichtliche Einigung, die in den USA jemals zustande gekommen ist. Die Rechtsstreitigkeiten ziehen sich schon mindestens fünf Jahre hin. Jetzt also hat man sich geeinigt. Zur Einigung gehört, dass diese Zahlungen über 25 Jahre verteilt werden und dass eine Werbekampagne gegen das Rauchen gestartet wird. Besonders Jugendliche sollen geschützt werden. So weit so gut.

Aber: Die US-Tabakindustrie hat erreicht, dass nicht eine Zigarettenfabrik geschlossen wird. Alle Massnahmen, die auf die Verringerung der Produktion von Zigaretten ausgerichtet waren, konnten abgewehrt werden. Auch die Qualität der Zigaretten wird nicht verändert. Auf die Gesundheitsschädlichkeit und den Teergehalt wird schon heute (wie in Europa) auf jeder Packung hingewiesen. Kenner der Szene gehen davon aus, dass die jährlich erforderlichen 8 Milliarden Dollar einfach durch die Erhöhung der Preise für Zigaretten eingespielt werden. Umgerechnet auf eine Zigarette kommt bei der Unzahl der Glimmstengel nur eine unmerkliche Preiserhöhung zustande.

Was soll das Spielchen? Formal steht die Tabakindustrie am Pranger, macht Asche Asche und bezahlt eine offenbar riesenhafte Strafe. Aber in der Summe hat sich nichts, aber auch gar nichts geändert: Es wird im gleichen Masse weiter geraucht und weiter gestorben und weiter verdient. Aber es sieht nach dieser Einigung einfach psychologisch besser aus, als vorher.

Ein anderer Fall: Klimaschutz. Die meisten Staaten dieser Welt haben sich auf Klimaschutzkonferenzen verpflichtet, den Kohlendioxydausstoss schrittweise zu verringern.

 

In den USA ist man auf die Idee gekommen, Kohlendioxydaktien auszugeben: Jeder Betreiber einer Produktionsstätte, die Kohlendioxyd erzeugt, erhält eine Menge von Aktienen, die seinem Kohlendioxydkontingent entspricht. Ist er gut und senkt seinen Ausstoss, kann er diese Aktien verkaufen, beim Gegenteil muss er welche dazukaufen. In den USA ist dieses System eingeführt, angeblich mit Erfolg. Den Schlüssel dafür, ob im Endeffekt eine globale Reduktion herauskommt, liegt in der Gesamtmenge der Aktien und ihrer Reduktion pro Jahr. Jetzt propagieren die USA dieses System weltweit und wollen, dass es auf der nächsten Klimaschutzkonferenz global eingeführt wird: Länder ohne Kohlendioxydproduktion (Sahara) hätten Aktien, die sie nicht brauchen, die sie also z.B. an die grössten Kohlendioxydproduzenten (USA) verkaufen könnten.

Was soll das? Mir ist nicht klar, ob das auch nur ein Spielchen ist, das am Kohlendioxydausstoss nichts ändert. Das liegt einzig und allein an der Festlegung der Spielregeln. National und global wird ein ‚Kommissar‘ gebraucht, der die Menge der Aktien mit jedem Jahr reduziert, sonst ist es Augenwischerei. Es ist noch nicht klar, ob dieses System von den Staaten, die sich an der Klimakonferenz beteiligen, akzeptiert wird. Es ist hoch kompliziert und es steuert sich nicht von selbst.

Die USA sind das Vorbild für die Welt, wenn es darum geht, kapitalistische Instrumente zu entwickeln. Im Prinzip ist es richtig: Der Mensch ist eigentlich nur über eine einzige Stellschraube zum Handeln zu bewegen: Über das Geld in seinem privaten Portemonnaie. Das ist der Grund, warum Kapitalismus und Imperialismus so erfolgreich sind und warum es dazu heute und in Zukunft keine Perspektive geben wird.

Jürgen Albrecht, 22. November 1998

 

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