| Im
Schlaraffenland |
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Mit einer Zeitung habe ich eine Postwurfsendung erhalten: 'Westfalia Extra-Angebote'. In diesem Heft wird auf 48 Seiten vorgeführt, was für sinvolle und unsinnige Dinge überall auf Lager stehen und auf Käufer warten. Das entscheidende Problem ist, daß die Käufer aus den alten Bundesländern diese Dinge schon seit 30 Jahren im Schrank stehen haben und die aus der DDR dazugekommenen Konsumenten haben sich in den Jahren 1990 bis 95 ausgiebig bedient. Der Zusammenbruch der DDR war für die Konjunktur der Bundesrepublik ein wahrer Segen. Ein ganzes Volk hat seine Wohnungseinrichtungen und seine Autos weggeschmissen. Unvorstellbar und einmalig in der neuen Geschichte dieser Zivilisation. Jetzt aber gibt es nur noch wenige, die nur zwei Bestecke, ein Brotmesser, vier Teller und zwei Töpfe in der Küche haben. Was tun? Viel billiger kann man Töpfe aus rostfreiem Stahl und (angeblich) handgeschliffenes Bleikristall nicht mehr machen. Es bleibt nur noch das 'Bundle'-Angebot: 'Wenn Sie vier Bananen nehmen, gebe ich Ihnen fünf!' Hier in diesem Heft ist diese Strategie praktisch auf jeder Seite zu bewundern. Ich blättere einfach mal durch und schreibe jedes fünfte Sonderangebot ab: 88 Teile, Gefrier- u. Mikrow.garnitur
27,50 |
Das ist noch nicht alles, aber das Prinzip ist längst klar: Hier soll die Masse das Geschäft machen. Andere Geschäftsleute verfallen auf alternative Strategien, um Umsatz zu machen. Da gibt es die Firma MANUFACTUM. Sie greift 40 oder 60 Jahre zurück und bietet die Produkte aus der 'Guten alten Zeit' wieder an, alles angeblich 'handmade' und zu unverschämten Preisen. Es gibt Kataloge, die verführen zum Schlemmen ausgesuchtester Feinkostwaren und zum Genießen uralter und edler Tropfen. Aber auch hier ist die Menge der zahlungskräftigen Kunden begrenzt, die sich das leisten können. Die Gesellschaft ist satt und ausgestattet. Außerdem ist die Kaufkraft bei 5 Millionen offizieller und 7 Millionen tatsächlich arbeitsloser Menschen gering. Wie kann man mit denen noch ein Geschäft machen? Die meisten Menschen essen und trinken ordentlich, mit 50 DM pro Woche und Person kommt man (wenn man keine hohen Ansprüche stellt und sparsam ist) über die Runden. Für Miete und fixe Kosten muß man 1/3 bis zu 50 % des Einkommens eines Normalbürgers rechnen. Und was dann noch übrig ist, das geben die Bundesbürger für ihr Auto und für ihren Urlaub aus. Es geht uns gut in Deutschland im Jahre 1998. Das zeigt nicht zuletzt die technische Ausstattung der deutschen Haushalte. Leider habe ich keine aktuellen Zahlen - ich werde sie nachreichen - aber fast jeder deutsche Haushalt verfügt neben Waschmaschine, Kühlschrank, Fernseher und Computer (45 %) über ein Auto. Und natürlich fährt der Deutsche auch mindestens einmal im Jahr für 14 Tage in den Urlaub, auch der die arbeitslose Deutsche. Bei solchen paradiesischen Zuständen nimmt es nicht Wunder, daß zu den jetzt monatlich veranstalteten Arbeitslosendemonstrationen nur ca. 0,5% der Arbeitslosen auf die Straße gehen. Vor drei Tagen war es wieder so weit. In Berlin marschierten ca. 3.000 Leute - ein voller Erfolg !! |
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| Jürgen
Albrecht, 07. März 1998
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