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Schwarzmarkt für Software

 

Die Entwicklung von Software ist wie der Bereich Hardware seit ca. 20 Jahren ein florierender Wirtschaftszweig. Ohne Software funktioniert keine Hardware und umgekehrt. Die Softwareentwickler hatten aber von Anfang an das Problem, daß ihre Produkte mühelos kopiert werden konnten. Hardware kann man nicht kopieren, die kann man nur klauen. Ein Softwarepaket aber, das man einmal gekauft hat, funktioniert auf 50 Rechnern, man braucht die Software nur zu kopieren. Das Kopieren von Software ist ein Wesensmerkmal von Software. Eine digitale Befehlsfolge (Datei) kann beliebig oft kopiert werden. Original und Kopie sind nicht zu unterscheiden.

Von Softwarekriminalität spricht kaum einer, es ist weltweit selbstverständlich, daß ein großer Teil der in Benutzung befindlichen Software nicht bezahlt wird. Es gibt Untersuchungen, wie groß der Anteil der Raubkopien in verschiedenen Ländern ist. Vietnam stand 1996 an der Spitze mit 100% (vielleicht sind es heute 'nur' noch 99% ...), in den südostasiatischen 'Tigerstaaten' wird fast nur mit Raubkopien gearbeitet. Aber wieviel Raubkopien gibt es mitten in Europa: In Deutschland mehr als 30%. Wir an der Hochschule arbeiten fast zu 100% mit lizensierter Software (Schulversionen kosten meistens nur 10%). Aber ich habe hier auf meinem Rechner auch nur Raubkopien – zu 100 %.

Durch diese Situation gehen den Softwareentwicklern Milliarden von Dollars verloren. Raubkopien sind ein riesiges, aber nicht zu beherrschendes Problem, vergleichbar mit den Leckverlusten im Trinkwassernetz einer Großstadt. Die Firmen schützen sich mit zwei Verfahren: Die Software wird entweder durch einen Softwarekey, einen 'Registriercode' geschützt. Das ist ein bis zu 64 Zeichen langer Zahlen- und Buchstabencode. Das zweite Verfahren ist ein Hardwarelock, ein sog. 'Dongle'. Das ist ein Zwischenstecker, der zwischen die Verbindungsleitung von Drucker und PC eingebaut wird. Der Dongel produziert eine Nachricht (einen Code), den die Software abfragt. Damit ist der Dongel auch wieder nur ein spezieller Softwarekey und damit ist die Software nicht total zu schützen, denn prinzipiell ist jeder Softwarecode zu knacken. Es ist nur die Frage, wie lange es dauert. Sicher ist nur die Physik und die Mechanik: Der Zugang zu einem Rechner ist z.B. nur dann absolut sicher geschützt, wenn er physisch von jeder Art von Netz getrennt ist.

Seit es Softwareschutz gibt, gibt es auch 'Hacker', die es als herausfordernde Lebensaufgabe ansehen, solche Codes zu knacken. Es geht hier viel weniger um Kriminalität, Raub und Geld

 

(natürlich gibt es das auch), als um die intellektuelle Herausforderung. Hacker knacken nicht nur Softwarcodes, das ist eine der leichtesten Übungen. Mit dem Internet gibt es jede Menge Möglichkeiten, in fremde, angeblich völlig gesicherte, Rechner einzudringen. Die 'Firewals' bestehen in der Regel auch nur aus Codes und deshalb sind sie auch prinzipiell zu knacken. Viele haben sich darauf, just for fun, spezialisiert. Die Hacker rechtfertigen ihre Tätigkeit mit dem Sicherheitsbedürfnis der Nutzer. Sie wollen einfach nachweisen, daß es z.Z. keinen sicheren Softwarecode gibt. Den gibt es erst mit dem sog. 128-bit-Code. Es dauert mehr als 100 Jahre, um ihn mit der Trial-and-Error-Methode und den heutigen PC's zu knacken. Das FBI und der CIA verhindern die weltweite Einführung dieses Sicherheitssystems, weil dann auch sie nicht mehr mithören können – interessant, oder ?!!

Das Internet hat auch hier die Welt verändert. Ich habe mich mal mit diese Frage befaßt und entsprechende Seiten gesucht. Es gibt neben dem offiziellen Softwaremarkt heute einen regelrechten Markt auf einer zweiten Ebene, der nicht mal ein Schwarzmarkt ist, weil er für jeden offen und zugänglich ist. Es gibt Internet-Seiten, wo kostenlos Registriercodes zu haben sind, für jede Software, die weltweit existiert. Es kann 'entdongelte' Software aus dem Netz downgeloadet werden, Zugangscodes für kostenpflichtige Internetseiten gibt es auf einer benachbarten Internetseite ... Das nicht zu kontrollierende und zu zensierende Internet höhlt systematisch den Softwarevertrieb gegen Geld aus.

Ich denke, hier ist die Zukunft zu erkennen. Es wird in weiteren 20 Jahren nichts mehr an Software für Text, Layout, Bildbearbeitung, Konstruktion und Finanzverwaltung zu entwickeln sein. Das was nötig ist, ist schon lange da. Heute schon gibt es Freeware (ich selber habe DECOS dazu gemacht). Shareware gibt es für wenige Mark. Das Preis-Leistungs-Verhältnis der Hardware wird immer günstiger. Gerade 1998 ist der Zustand erreicht, daß kaum ein privater Nutzer Prozessoren größer als 300 MHz auslasten kann. In zwei Jahren sind aber Prozessoren bis zu 2000 MHz auf dem Markt! Was tun ?? Das wird die Zukunft der Computertechnik sein: Hardware zu Preisen, die heute ein guter Staubsauger kostet ( 250 DM) und Software umsonst. Wann wird das sein? Ich denke, schon in den nächsten 5 bis höchstens 10 Jahren. Wetten, daß ... !!?

Natürlich wird es immer spezielle und rasend teure Hard- und auch Software geben, aber schließlich gibt es ja auch Spezialstaubsauger ...

Jürgen Albrecht, 20. März 1998

 

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