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Wie drucke ich mein eigenes Buch ? Seite 2/2

Die lukrative Masche des Frieling Verlages beschäftigt meine Phantasie und lässt mich auf ein paar gute Ideen kommen. Seit dem Sommer schon steht für mich fest, dass ich ein Buch 'Australian Storys' mit 50 bis 60 Storys zu Weihnachen für meine Familie zusammenstellen werde. Kein Verlag kann mir dabei helfen. Ich muss die Storys auswählen, ich muss sie bearbeiten. Vorwort, Inhaltsverzeichnis, Impressum, Index und Foto CD - wer soll das machen, wenn nicht ich? Weil ich sowieso am Rechner sitze, erledige ich auch noch den Umbruch selbst.

Wenn das Buch druckfertig und komplett als Datei existiert, ist die Arbeit erledigt, die noch vor 20 Jahren nur ein Verlag erbringen konnte. Es fehlen das Drucken und die buchbinderische Herstellung des Buches, bis man es auch in die Hand nehmen kann. Auch für diese Leistungen braucht man keinen Verlag, heute kann ein Buch direkt von der Datei gedruckt werden. Für die Buchherstellung ist kein weiterer Arbeitsaufwand mehr erforderlich, sondern nur noch Geld.

Druckereien unterbreiten jedem gerne ein Angebot für eine solche Produktion. Die Kosten sind von der Auflagenhöhe abhängig. Ein Buch mit 500 Seiten, Format A5, Klebebindung, zweifarbiger Kartonumschlag, nur Text, kostet bei 25 Exemplaren 37,- DM. Mit diesem Angebot von Repro Central aus meiner direkten Nachbarschaft, habe ich 25 Bücher 'drucken' und binden lassen. Ist die Auflage höher, kann man das gleiche Buch im Offset drucken und kommt schon bei einer Auflage von 2000 Exemplaren in die Nähe von 10,- DM pro Stück. Mehrere solche Angebote liegen mir vor, zum Beispiel das der Firma BärenDruck, Plauener Strasse, D-13053 Berlin.

Um eine ISBN-Nummer zu erhalten, genügt ein Brief an die Buchhändler-Vereinigung GmbH, Frankfurt am Main. Für 150 DM erhält man diese schöne Nummer und wird in das 'Verzeichnis lieferbarer Bücher' eingetragen. Zwischen Mitternacht und Morgen habe ich am 17. Oktober 2000 auch gleich noch einen Verlag gegründet. Der Story Verlag Berlin existiert nur in meiner Phantasie. Auch das ist problemlos möglich, solange man damit kein Gewerbe betreiben will.

Parallel zur Vervielfältigung des Booklets habe ich schon im September 2000 diesen Text auch im Internet veröffentlicht. Dort kann man einige Storys lesen, schöne Bilder sind zu sehen und man kann sich das Booklet aus dem Netz holen. Es liegt nahe, auch das umfangreichere Buch im Internet zu veröffentlichen. Das Downloaden darf nichts kosten, denn man muss froh sein, wenn überhaupt jemand etwas liest.

 

Die zeitgemässe Publikationsstrategie lautet also: Das Buch wird in einer Kleinstauflage für die Familie und die besten Freunde gedruckt und im Internet verschenkt.

Braucht man heute noch einen Verlag, um seine Werke zu publizieren? Der Vergleich der Kosten meiner 'Privatinitiative' mit den Leistungen des Frieling Verlages führt zu einem erstaunlichen Resultat:

Frieling Verlag Berlin:

2000 Bücher mit je 500.000 Zeichen,
192 Seiten, Paperback, Kosten: 29.386,51 DM
= 14,70 DM/Stück (Angebot liegt vor)

Das gleiche Buch mit 500 Seiten besitzt die
2,5-fache Zeichenmenge und würde kosten
= 36,75 DM/Stück (meine Schätzung)

Story Verlag, Berlin:

2000 Bücher mit je 1.250.000 Zeichen,
500 Seiten, Paperback, Kosten: 20.580,14 DM
= 10,30 DM/Stück (Angebot liegt vor)

Der Frieling Verlag ist um den Faktor 3,6 teurer. Wenn seine Angaben richtig sind, dass der Kunde nur 30% der Kosten trägt, dann würde das 500 Seiten starke Buch tatsächlich 122,50 DM kosten und der Multiplikationsfaktor erhöht sich auf 12,0. Bei der CD-Herstellung wird das Verhältnis noch ungünstiger, denn praktisch jeder kann an seinem privaten Rechner CD's herstellen, der Rohling kostet nur eine DM.

Warum bezahlt man beim Frieling Verlag für das gleiche Buch das Dreieinhalbfache? Hat ein Privatier tatsächlich auch bei einer hohen Auflage einen zwölffach günstigeren Wirkungsgrad als ein professioneller Verlag, oder macht der Verlag Frieling & Partner schon beim Faktor 3,6 einen Gewinn von 300 % ?!? Die oben genannten Zahlen basieren auf tatsächlich vorliegenden Angeboten. Über die Interpretation dieser Werte will ich nicht spekulieren. Jeder kann und muss selbst entscheiden, wieviel Geld er beim Publizieren seiner Werke aus dem Fenster wirft.

Aber dieses Beispiel zeigt, wie drastisch sich die althergebrachten Publikationsstrukturen und die Lesegewohnheiten unter dem Einfluss von Computer und Internet verändern. Natürlich wird es bis in alle Ewigkeiten verhinderte Schriftsteller, ehrgeizige Autoren, Verlage und auch Bücher geben. Von den digitalen Technologien, die heute jeder Abiturient in den Grundzügen beherrscht, werden die Verlage aber rechts überholt, ohne dass sie es wahrnehmen und darauf reagieren.

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Al/051200