Birger Sellin
Von Birger Sellin hörte ich Anfang der 90-er Jahre das erste Mal durch einen Artikel im SPIEGEL. Ein zur Koordinierung seiner Bewegungen fast unfähiger junger, sprachloser Autist teil über die Tastatur der Welt ganz erstaunliche Botschaften aus dem Gefängnis seines eigenen Körpers mit. Aber nur, wenn er von seiner Mutter am schreibenden Arm berührt wird. Diese Methode der 'gestützen Kommunikation' ist in den 80-er Jahren in den USA entwickelt worden. DER SPIEGEL übernahm die Kritik aus den USA an der Methode und kam zu dem Schluss, die Texte stammen von seiner 'ehrgeizigen Mutter'. Nach einem Test ohne Mutter, der von Birger Sellin als "Tortur dritten Grades" bezeichnet wurde, revidierte DER SPIEGEL Monate später sein Urteil. Ursula Eichenberger hat Birger Sellin besucht und beschreibt, wie schwer es ihm fällt, auch nur einen Satz in den Rechner zu bringen. Fast zehn Jahre danach steht fest: Diese Art der Kommunikation funktioniert und inzwischen haben viele Autisten Bücher über ihre Situation geschrieben.

Autismus
Beim Autismus werden nach Dr. Peter Langer zwei Haupttypen unterschieden:

Das Kanner-Syndrom (1943) mit den Merkmalen: hochgradige Abkapselung aus der Umwelt, ängstlich-zwanghaftes Bedürfnis nach Gleicherhaltung der Umwelt, Stoerungen der Intelligenzentwicklung, Stoerungen der Sprachentwicklung.

Das Asperger-Syndrom (1944) mit den Merkmalen: gute bis überdurchschnittliche Intelligenz, eine weniger hochgradige Beziehungsstoerung, frühzeitige Sprachentwicklung, grosser Wortschatz und originelle Wortschöpfungen,die Fähigkeit zu abstrahieren und logisch zu denken, oft übermässige und intensive Sonderinteressen, qualitativ andere Emotionalität und ein disharmonisches Gemüt, Gefahr, durch absonderliches Verhalten, insbesondere durch überschiessende Aggressionen und unangemessenes Verhalten in Isolation zu geraten.

Diese Definition vermittelt keinen ausreichenden Eindruck vom Verhalten und der Situation autistischer Menschen, weil die Streubreite der Symptome aussserordentlich gross ist. Natürlich ist jeder Autist ein Individuum und auch Autisten sind so verschieden, wie es die Menschen sind, die man landläufig als 'normal' bezeichnet. Ein Artikel von J.Blackburn vermittelt eine Vorstellung von den Schwierigkeiten, mit denen autistische Menschen ihren Alltag bewältigen.

Autistische Autoren
Einige Autisten habe es mit ungeheurer Willensanstrengung geschafft, Bücher zu schreiben. Sie schildern eine völlig andere Welt, als wir sie kennen, obwohl wir in der gleichen Welt leben. Auch ihre Sprache ist eine andere. Autisten sind in der Lage, ihre Situation mit neuen Begriffen und treffenden Worten sehr bewegend zu beschreiben. Hier sind einige Leseproben.

Die folgende Tabelle wurde mit Einverständnis der WebDesignerin von Dianas erstaunlicher Aspergerseite übernommen, sie führt direkt zu einigen autobiographischen Werken autistischer Autoren:

Gestützte Kommunikation (FC)
Nach zwanzig Jahren Erfahrung ist die gestützte Kommunikation (Facilitated Communication, FC) eine anerkannte Methode. Sie ist schwierig zu praktizieren und muss erlernt werden. Es scheint immer eine Gratwanderung zu sein, ob sich der autistische Mensch artikuliert, oder ob ihm der Helfer seinen Willen aufzwingt. Wissenschaftliche Studien haben aber inzwischen hinreichend geklärt, dass sich Betroffene auf diesem Wege tatsächlich authentisch der Welt mitteilen können. Andreas Autenrieth gibt einen Überlick und Literaturhinweise zu FC mit dem Stand von 1998.

Autisten im Internet
Viel ist über medizinisch/psychologische Forschungen, Autismus und Selbsthilfegruppen im Internet zu finden, auch Erfahrungsberichte und weitere Bücher.

Neben den Büchern haben mich am meisten aber WebSeiten beeindruckt, auf denen sich Autisten selbst äussern:Es existiert ein Aspie Network, ein Webring, zu dem sich betroffene zusammengeschlossen haben. Diana (23) ist der Ringmaster und betreut technisch das Aspie Network. Die Seite von Wolfgang (28) wurde in diesen Tagen eingestellt. Da ist Schlimmes passiert, aber was? Ich hoffe Wolfgang, Du schaffst es, weiter zu machen! Die Lebenshilfe Lörrach e.V. ermöglicht Betroffenen im Internet zu chatten.

Übrigens ...
Peter ist ein Langdon Down mit typischen Merkmalen des Kanner-Syndroms. In seinem 'Büro' produziert er mit Akribie Zettel mit komplizierten Reihen (s.u.) ... warum?!