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Unglaubliche Märchen
Phantastische Geschichten aus einer fremden Welt


 

 

Die zwei ungleichen Hälften

Die riesengrosse Hälfte der Menschheit sind Habenichtse und sie wollen nichts anderes als Fressen, Ficken, Fussball und Fernsehen und ansonsten in Ruhe gelassen werden. Weil das den Habenichtsen reicht, kommen sie auch zu nichts. Aber sie wollen gar nicht mehr als das Wenige, was sie haben. Habenichtse sind mit ihrem Dasein zufrieden, wenn sie satt die Beine vor dem Fernseher hochlegen können.

Die wesentlich kleinere andere Hälfte der Menschheit (höchstens fünf Prozent) aber hat schon viel und will ALLES und zwar SOFORT. Die Habevielwillalles entdeckten die Demokratie als die beste Spielgelddruckmaschine, die es je gab. Um sie zum Laufen zu bringen, kaufen sie sich als erstes Marionetten und Strohmänner. Die lassen sie bei der nächsten Gelegenheit von den Habenichtsen als Politiker wählen. Die Politiker (unheilbar kranke Habenichtse) sind durch ihre Wahl so berauscht und benebelt, dass sie zu kleinen Willalles werden. Wie die Habevielwillalles es ihnen aufgetragen haben, melken sie jetzt die Habenichtse nach dem Motto: Wenig Geld von vielen Habenichtsen macht viel öffentliches Geld.

Endlich haben die Mächtigsten der Habevielwillalles den riesigen Geldsack den man braucht, um mit fremdem Geld das schönste aller Spiele zu spielen: Wer hat die grösste Keule und ist der Stärkste im ganzen Land? Ein uraltes Spiel, für das jetzt gerade wieder eine neue Runde eingeläutet worden ist: Wer kriegt am schnellsten diese grosse Kugel kaputt? Während wir Habenichtse immer noch mit offenem Mund auf unserem Sofa und vor dem Fernseher sitzen (Beine hoch), erklärt uns Bush gerade die Spielregeln.

Und wenn der Planet immer noch heil ist, dann brauchen wir nur noch eine kleine Weile ruhig sitzen zu bleiben, dann hat es Bush geschafft.

07. Dezember 2002, 23:59

 

Das Märchen von den Bratkartoffeln

Es war einmal ein riesengrosses Land. Das war so gross, dass es vom Nordpol fast bis zum Äquator reichte. Dieses grosse Land hiess Ladum. Millionen von Menschen lebten in diesem riesigen Land, nur wenige waren wirklich reich, aber viele waren arm, auch an Verstand. Die Schulen waren nicht viel wert, deswegen wussten die Ladumer wenig von den anderen Ländern der Erde, dafür aber waren sie sehr fromm. Ob es ein Land mit dem Namen Irak gab, wusste fast niemand und wo es lag, erst recht nicht. Fischen, Fernsehen und Schiessen, das waren die Lieblingsbeschäftigungen der Ladumer, alles andere interessierte sie wenig. Fischen aber durfte man nur bei Sonnenschein.

Schon seit mehr als 200 Jahren wurde Ladum von einem Präsidenten regiert. Leider war der Präsident kein König, er musste von den Ladumern gewählt werden. Wenn er aber erst mal Präsident war, dann konnte er das Land wie ein König regieren. Dann konnte er machen was er wollte. Nur an ein Versprechen musste er sich immer halten: Es musste immer genug Öl in Ladum zu kaufen geben. Denn alle Ladumer assen jeden Tag Bratkartoffeln, ihr Leben lang. Dafür brauchte Ladum jede Menge Bratkartoffelöl.

Der Präsident von Ladum hatte ein schönes Leben. Die Arbeit liess er seine Minister machen. Er selber ging jeden Tag zum Fischen (besonders gern bei trübem Wetter). Von den Horchern und Guckern liess er sich viel erzählen, er lud sich schöne Frauen in sein weisses Haus ein, vor allen Dingen aber spielte er Krieg mit echten Waffen. Schiessen und Kriegspielen war die Lieblingsbeschäftigung aller Präsidenten von Ladum, schon immer gewesen. Aber wie jeder Präsident musste auch er ständig daran denken: Es muss immer genug Öl in den Supermärkten zu haben sein, sonst funktioniert das mit den Bratkartoffeln nicht. Dann aber machen die Ladumer sofort Revolution und setzen ihren Präsidenten ab!

Aber die schöne Zeit als Präsident geht schnell vorbei. Nach vier Jahren musste der Präsident wiedergewählt werden, oder er wurde wieder ein ganz normaler Ladumer und musste sich seine Bratkartoffeln wieder selber braten. Was stellt man als Präsident nicht alles an, um die Zeit zu verlängern, in der man so herrlich mit Frauen und Raketen spielen und so dicke Fische an Land ziehen kann?! Alles ist man bereit zu tun, weil es so schön ist, Präsident zu sein! So eine Wahl aber ist sehr unangenehm. Alles kann ein Präsident alleine und ohne Volk machen, nur die Wahl funktioniert nicht ohne Volk. Noch nicht.

In Ladum musste man sich ganz besonders abrackern, um das Volk für die Wahl zu mobilisieren. Das Land war so unendlich gross und das Volk ist seven days/twenty-four hours nur mit Bratkartoffeln, Fischen und dem Schiessen beschäftigt. Auch über Zeitungen und das Fernsehen waren die Ladumer nur schwer zu erreichen. Obwohl viele Ladumer sogar lesen und schreiben konnten, war das nicht gerade ihre Stärke. Nur ein Prozent hatten Bücher zu Hause im Schrank stehen. Im Fernsehen sahen sie sich nur Filme an, wo viel gekämpft und geschossen wurde und wo man grosse Fische fing. Sobald einer im Fernsehen länger als eine Minute redete, zappten sie weiter, oder gingen in die Küche zu ihren Bratkartoffeln.

Einmal aber hatten die Ladumer einen ganz schlauen Präsidenten gewählt. Er hiess Dumbya und hatte versucht, mit Bratkartoffelöl Geld zu verdienen. Als das nicht klappte, wurde er Präsident. Der Job gefiel ihm gut und er wollte wiedergewählt werden. Wie aber stellt man das am geschicktesten an? Da fiel ihm ein Trick ein, uralt, aber der hatte immer und auch schon oft in anderen Ländern funktioniert: Er schickte seine Minister über das Land und ins Fernsehen und sie erzählten dort ein ganz fürchterliches Schauermärchen: Ein ferner, böser König im Land Irak, mitten in einer grossen Wüste am anderen Ende der Welt, hat schreckliche Waffen gebaut und rüstet sich, das Land Ladum anzugreifen. Bald werden Atompilze über den grossen Städten von Ladum stehen! Der böse König wird allen Ladumern das Fischen verbieten und ihnen sogar die vielen Revolver wegnehmen.

Diese Mähr hörten die Ladumer mit Grausen und sie hatten grosse Angst. Schnell baute jeder in seinem Garten einen Atombunker. Atombomben waren nicht so schlimm, aber wenn sie nicht mehr fischen und um sich schiessen durften - das ging entschieden zu weit! In ihrer Not und aus Gram sassen die Ladumer vor ihren Atombunkern und assen gleich noch einmal soviel Bratkartoffeln wie sonst. Kaum jemand hatte noch Lust, zum Fischen zu gehen. Die Aktien fielen ins Bodenlose, Trübsinn und Verzagtheit senkte sich über ganz Ladum und alle hatten die Hoffnung auf bessere Zeiten schon fahren gelassen.

Da aber trat Dumbya vor die Fernsehkameras und versprach den Ladumern feierlich, den fernen, bösen König von Irak in einer fürchterlich gefährlichen Schlacht zu besiegen. Ladum, das Land der Freien, der Grössten und der Stärksten muss vor der Achsel des Bösen geschützt werden! Dafür wird Dumbya jetzt ganz schnell in den Krieg ziehen, bald ist er wieder zurück und Ladum ist gerettet. Das Volk war diesmal tatsächlich vor dem Fernseher sitzen geblieben und hatte zugehört, schliesslich ging ja um Fischen oder Nichtfischen. Die Ladumer jubelten und fassten wieder Mut und Zuversicht. 'Wie gut', sagten sie sich, 'dass wir so einen mächtigen und klugen Präsidenten haben! Er denkt für uns, wir brauchen uns selber keine Gedanken machen. Alles wird gut werden und so, wie es früher war, wo jeder fröhlich und frei fischen und schiessen konnte.'

Dumbya zog mit vielen Soldaten und mächtigen Haubitzen über sieben Berge und sechs Meere in den Krieg. Was für eine Freude! Endlich konnte er die vielen schönen Waffen ausprobieren, die ihm seine Knechte gebaut hatten. Fünf von den sieben Bergen wurden in Brand geschossen, vier Meere färbten sich rot von Blut, unzählige Menschen mussten ihr Leben lassen und es herrschte für lange Jahre grosse Not. Wen aber interessierte das schon in Ladum? Von diesem schrecklichen Krieg merkte man dort nichts, denn Gott sei Dank war das Schlachtfeld ja am anderen Ende der Welt.

Noch gerade rechtzeitig vor der Präsidentenwahl kehrte Dumbya wieder nach Ladum zurück. Er verkündete dem ganzen Land, dass Ladum gesiegt hat, weil die Ladumer am besten schiessen können und überhaupt in Ladum die besten Menschen der ganzen Welt wohnen. Aber nicht nur im Schiessen und Fischen sind die Ladumer einsame Spitze, sie wählen sich auch immer besonders Schlaue und Starke als ihre Präsidenten. Nur so wird man the greatest nation on earth.

Das Volk war begeistert, denn jetzt war alles wieder wie ehedem. Die Ladumer durften ihre Revolver und Gewehre behalten und weil alle wieder Spass am Fischen hatte, stiegen auch die Aktienkurse wieder. Dumbya wurde als Retter von Ladum gefeiert und natürlich auch als Präsident wiedergewählt.

Das ganze grosse Land war glücklich, besonders aber Dumbya. Denn nur er und seine Minister kannten das grosse Geheimnis und wussten, dass alles ja nur ein Schauermärchen gewesen war: Das Land Irak gab es wirklich, es wurde auch tatsächlich ein schrecklicher Krieg geführt und so das andere Ende der Welt schwer verwüstet. In Wirklichkeit aber war der böse König von Irak viel zu klein und zu schwach, um das grosse Land Ladum erobern zu können. Das hatte er auch nie vor, weil Ladum viel zu weit weg und viel zu mächtig war.

Aber dieser böse König besass einen unermesslichen Schatz. In einem seiner vielen Paläste stand eine grosse Bratkartoffelölflasche. Soviel Öl man daraus auch für die Bratkartoffeln abzapfte, die Flasche wurde nie leer! Diesen Schatz wollte Dumbya dem bösen König unbedingt abjagen. Und das hat er tatsächlich geschafft: Bei dem schrecklichen Krieg hat Dumbya die Bratkartoffelölzauberflasche geraubt und (ganz, ganz heimlich) nach Ladum mitgenommen. Zu Hause in Texdum baute er um die Flasche eine grosse Bratkartoffelöltankstelle. Das machte er so geschickt, dass niemand die wunderbare Flasche sehen konnte.

Das Bratkartoffelölzauberflaschengeheimnis aber gab er nie im Leben preis. Hätten die Ladumer gewusst, dass das Schauermärchen nur erfunden und dass es bei dem schrecklichen Krieg in Wirklichkeit um die Bratkartoffelölzauberflasche ging, nie mehr hätten sie Dumbya vor dem Fernseher zugehört. Deshalb war es gut, dass sie das Geheimnis nicht kannten. Ausserdem: Wer viel weiss, kann nicht mehr gut schiessen. Viel wichtiger war doch, dass die Ladumer fürderhin ihr tägliches Öl für die Bratkartoffeln bekamen. Dumbya konnte es ihnen jetzt mühelos verkaufen.

Und so lebte das Volk von Ladum mit seinem schlauen Präsidenten glücklich auch noch eine zweite Amtszeit und jeden Tag konnten sich alle viele Bratkartoffeln leisten. Jedermann durfte nach Herzenslust fischen und bei trübem Wetter drückten die Sheriffs jetzt sogar meistens beide Augen zu. Auch konnte jeder Ladumer wieder sorglos auf alles schiessen, was ihm vor die Flinte kam. Alles war so, wie es schon früher immer gewesen war.

Und wenn die Ladumer inzwischen nicht gestorben sind, dann freuten sich alle schon auf die nächste Präsidentenwahl, denn die ist immer ein grosses Fest im ganzen Land Ladum.

10. Dezember 2002, 22:23

 

Noch ein Märchen ?

Jürgen Albrecht, 10. Dezember 2002

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