Die
Misere des deutschen Ostens
Zitate aus DER SPIEGEL 29/2002 S. 96 ff
Kein Kanzler, egal welcher
Partei,
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Mit 1,4 Millionen hat die Arbeitslosigkeit im Osten vergangenen Monat den höchsten Stand seit 1990 erreicht. Nie war zugleich die Zahl der Erwerbstätigen in den neuen Ländern niedriger, niemals jene der Pendler höher als im Jahr 2002. Viele, meist Jüngere, ziehen ganz in den Westen. Die 'Unterbeschäftigungsquote' - das sind die Arbeitslosen plus jene, die sich beim Arbeitsamt nicht mehr melden - sinkt nur langsam von 35,6 Prozent im Jahr 1992 auf heute 25 Prozent. Fast eine Billion Euro sind seit der Vereinigung in den Aufbau Ost geflossen - doch von dem Ziel, sich als Region selbst zu tragen, ist das Gebiet zwischen Elbe und Oder noch Jahrzehnte entfernt. Der Befund ist eindeutig: Produktivität und Wachstumsraten bleiben weit unter westdeutschem Niveau. Fast jeder dritte Euro, der in den neuen Ländern konsumiert oder investiert wird, stammt aus dem Westen. Je 20 Prozent der jährlichen Fördermilliarden steckt der Staat in die Arbeitsmarkt- und in die Sozialpolitik. Weitere 30 Prozent flossen direkt in die Kassen der ostdeutschen Länderhaushalte, und nur 13 Prozent wurden tatsächlich für den Aufbau der Infrastruktur genutzt. Drei von vier Ostdeutschen erklärten bei einer Umfrage ... sie hätten kein Vertrauen in die wirtschafliche Lösungskompetenz der Politiker. Angela Merkel: 'Die Leute plagt die Sorge, dass die neuen Länder auf Dauer nur für schlecht qualifizierte Arbeit interessant sind.' Den Keim für die Fehlentwicklung legte Kohl nach der Wende. Er drückte ... die deutsche Währungsunion zum problematischen Umtauschkurs von eins zu eins durch. Die Menschen im Beitrittsgebiet steckten die Gelder meist in ein Auto, einen Fernseher oder neue Möbel - von Firmen aus dem Westen geliefert und vom Staat auf Pump finaziert. Für die ostdeutsche Industrie eine fatale Entwicklung: Ihre Produkte waren mit einem Schlag um den Faktor vier verteuert und unverkäuflich. Unter den Folgen leiden die neuen Länder heute noch. Die Wirtschaftsinstitute ... halten es für dringend geboten, das Geld künftig 'auf diejenigen Regionen zu konzentrieren, in denen die Wachstumspotenziale hoch sind' und 'dünn besiedelte Regionen (weite Teile Mecklenburg-Vorpommerns, das nördliche Sachsen-Anhalt)' links liegen zu lassen. Dort, so der kalte Befund, gebe es wenig Perspektive außer flächenintensiver Landwirtschaft, Tourismus und Dienstleistungen für die Städte. Wenn Polen, Tschechien und Ungarn als vollwertige Mitglieder der EU um Fördergelder aus Brüssel wetteifern ... drohen die Ostprovinzen aus der Brüsseler Förderung zu fallen. Kein Weg führt an dieser Erkenntnis vorbei: Der Aufbau Ost wird noch Jahrzehnte dauern - und manche Regionen dürften auch in 20 Jahren noch vergebens auf den Aufschwung warten. So etwas darf ein Politiker höchstens denken, aber niemals zugeben. Und folglich übertrumpfen sich die Parteien neun Wochen vor der Bundestagswahl wieder mit Sonderprogrammen und gewaltigen Ankündigungen. |
Jürgen Albrecht, 15. July 2002
Wert im Jahr 2001: 77,5 % (siehe Bild oben). Die öffentlichen Arbeitgeber wehren sich in den gerade laufenden Tarifverhandlungen vehement gegen die Gewerkschaftsforderung, einen Termin (2007) für die Angleichung der Löhne in Ost und West festzulegen. Eine 100 Jahre alte Forderung: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Und die regierende SPD redet ständig von Gerechtigkeit ...! Al/16.
Dezember 2002 |
SPIEGEL ONLINE, 13. September 2002:
STUDIE Ostdeutsche
fühlen sich in der Berlin - Die Einheit wird in Ostdeutschland lange nicht mehr so positiv gesehen wie zu Beginn. Das ist das Ergebnis des "Sozialreports 2002". Nach Meinung der Befragten haben die Ostdeutschen durch die Einheit vor allem die soziale Sicherheit und Gerechtigkeit verloren. Zehn Prozent wollten sogar die DDR wiederhaben. Das resultiere unter anderem aus der gefühlten Ungleichheit in den individuellen Entwicklungschancen, sagte der Geschäftsführer des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburg, Gunnar Winkler. Immerhin wurden auch positive Auswirkungen genannt: An der Spitze der "Gewinne durch die Einheit" stehen weiterhin das veränderte Warenangebot, das Reisen und die persönliche Freiheit. Auch die Unzufriedenheit der Ostdeutschen mit ihren persönlichen Lebensumständen hat zugenommen. Bezogen auf die wirtschaftliche Situation vor zwei Jahren sahen 30 Prozent eine Verschlechterung in ihrer wirtschaftlichen Situation, 58 Prozent keine Veränderung. Besonders die jungen Leute erklärten häufig die Absicht, in den Westen zu ziehen: 20 Prozent der 18- bis 24-Jährigen äußerten derartige Pläne. 44 Prozent der Befragten bejahten, dass sie unsicher in die Zukunft sehen. Auch auf dem Gebiet der Politik zeigen die Ostdeutschen eine sehr hohe Unzufriedenheitsrate: Mit dem eigenen politischen Einfluss waren nur neun Prozent zufrieden. 1992 lag diese Quote noch bei 13 Prozent. Die Daten wurden im Mai und Juni erhoben - also vor der Flut. |
Rekord
bei Arbeitslosigkeit
04. Dezember 2002, 23:11 |