Reaktionen
aus dem Internet
Seit fast genau fünf Jahren betreibe ich diese WebSite. Zuerst gab es dafür berufliche Gründe. Wenn der Lehrstoff im Internet nachzulesen ist, hat das Vorteile für den Professor und auch für seine Studenten. Der Lehrer fragt sich ständig, wie er seinen Lehrstoff aktualisieren und noch anschaulicher darstellen kann. Die Studenten können auf das Lehrmaterial jederzeit und von jedem Ort aus zugreifen. Die Reaktionen waren durchweg positiv, aber sie erreichten mich nur indirekt. Auch heute wird noch auf dieses Lehrmaterial zugegriffen, leider ohne jedes Feedback. Nach meinem Rückzug aus der Burg Giebichenstein habe ich die WebSite umgebaut und zu meinem Hobby gemacht. Ohne Werbung (sehr selten im Internet!), ohne finanzielle Interessen und im ersten Jahr ohne Promotion für dieses Web. Ich sah das Internet als eine interessante Möglichkeit der Publikation an und veröffentlichte Reiseberichte und Storys, die sich im Schreibtisch angesammelt hatten. Als ich nach einem Jahr aus Australia zurückkehrte stellte ich mit Erstaunen fest, dass es monatlich bis zu 65.000 Zugriffe auf mein Web gab. Besonders verwunderlich war dabei, dass sich fast keine Reaktionen zu diesem Web über E-Mail einstellten. Das ist bis heute so geblieben. Meine Erfahrungen kann ich mit folgender Faustformel beschreiben: Eine E-Mail als Feedback pro 100.000 Hits. Ich nehme an, für Leserbriefe an Zeitungen, Rundfunk und TV gelten ähnliche Verhältnisse. Die Provider liefern den Kunden statistisches Material zum Traffic ihres Web's. Es ist ganz erstaunlich, welche Informationen man über die User und ihr Verhalten daraus gewinnen kann. Auch das Rechenzentrum der Burg Giebichenstein stellte (für Insider) diesen Service bereites Mitte der 90-er Jahre zur Verfügung. Diese Statistiken sind so detailliert, dass man sich ein genaues Bild davon machen kann, wie ein solches Web frequentiert wird. Bei der Nutzung stellt sich schnell ein stationärer Zustand ein, der bei mir wie folgt aussieht:
Die 'Linkpopularität' bewertet den Bekanntheitsgrad einer WebSite. Die Anzahl der Links, die in Suchmaschinen zu dieser Site existieren, ist ein (relatives) Mass für ihre Popularität. Widexl ermittelte Ende April 2002 folgende Werte:
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durch die Spider der Suchmaschinen AllTheWeb, AltaVista und Lycos im Verlauf von fünf Jahren erzeugt. Bei Storyal.de sind sie durch Anmeldungen über Whitch im Verlauf eines halben Jahres entstanden und nicht nur auf drei Suchmaschinen verteilt. Die Werte kann man bei Widexl im Detail nachprüfen. Ihre Interpretation ist vielschichtig und es besteht keine direkte Korrelation zu Hits und Visits. Jedes ähnliche Tool liefert andere Werte. Auch bei den Reaktionen über E-Mails hat sich eine stabile Situation eingespielt. Die meisten E-Mails beziehen sich auf Australia und andere Reiseberichte: Dankschreiben und sehr konkrete Fragen. Einzelne E-Mails gehen z.B. zu 'Thesen zu schwierigen Fragen', 'Wie drucke ich mein eigenes Buch' und zur DDR Historie ein. Daneben erhalte ich seit ca. zwei Jahren alle paar Monate eine Mail, die sich auf Storys bezieht, in denen ich meine Meinung zu Israel sage. Es sind Menschen, die eine andere Auffassung vertreten und meine Ansichten kritisieren. Mir wird vorgeworfen, dass ich mich nicht an das geltende Tabu halte: Über Israel und die Juden redet man in Deutschland nicht. Ich habe in jedem Fall auf diese Mails geantwortet und gehofft, mit den Adressaten ins Gespräch zu kommen. Das ist mir in keinem einzigen Fall gelungen. Leute mit einer pro-israelischen Ansicht wollen ganz offensichtlich darüber nicht diskutieren oder sich mit Andersdenkenden auseinandersetzen. Eine extremer Vorfall dieser Art spielte sich im Herbst des Jahres 2001 ab. Er wirft ein Schlaglicht auf deutsche Verhältnisse: Herr M.G. schreibt an die Pressestelle der Burg Giebichenstein, fordert die Entfernung einer Story und droht mit dem Verfassungsschutz (s.u.). Er schreibt nicht an den Autor, der für die Story verantwortlich ist, sondern an die Hochschule, die in diesem Fall nur als Provider fungiert. Wie reagiert der Rektor einer deutschen Hochschule in so einem Fall? Ohne weitere Rückfragen bei dem Beschwerdeführer und ohne den Autor in den USA zu erreichen (E-Mail ist leicht in meinem Web zu finden) wird entschieden, in mein privates Web einzugreifen und die 'anstössige' Story aus dem Netz zu nehmen. Ich verlagere daraufhin mein Web zu einem kommerziellen Provider. Nachdem alles wieder läuft, teile ich das Herrn M.G. per E-Mail mit und biete ihm freundlich an, den Text der Story zu korrigieren, wenn er mir die Passagen nennt, die er als volksverhetzend' ansieht. Keine Reaktion. Bedauerlich. Die Verantwortlichkeiten, besonders für ein kommerzielles Web, sind juristisch derzeitig nicht klar geregelt. Drei unterschiedliche Gesetze kommen im Zweifelsfall zur Anwendung: Das Pressegesetz des jeweiligen Landes, das Teledienste Gesetz oder der Medien-Staatsvertrag. Bei einem privaten Web ist die Lage übersichtlicher, es existiert ein eindeutiger Autor. Eine interessante Linksammlung dazu findet sich unter www.abseits.de (Cooking with Computer ...!). Meine private HomePage habe ich in erster Linie als Experiment angesehen. Ich wollte die Techniken des WebDesign und der Promotion erkunden. Parallel dazu hatte ich gehofft, dass über dieses Web eine Kommunikation anzubahnen ist, dass sich Kontakte zu Menschen ergeben, die Interesse an den Storys haben oder sich an ihnen reiben. Meine technische Neugier kann ich mit dem Web befriedigen, mehr aber ist gegenwärtig nicht zu erreichen. Ich nehme an, dafür ist entscheidend der Zeitgeist verantwortlich. Die Informationsgesellschaft besitzt keine Message und sie ist trotz Internet und Handy auch keine Kommunikationsgesellschaft. Im Gegenteil. Sicher spielt auch eine wesentliche Rolle, dass sich in Deutschland kaum jemand die Flatrate für das Internet leisten kann (mindestens 50 €/Monat). Damit sind alle Recourcen des Internets nur eingeschränkt verfügbar. Keine guten Voraussetzungen, um im Internet ohne Zeitdruck auf Lese- und Entdeckungsreise zu gehen. Jürgen Albrecht, 18. April 2002 |