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Ein kleiner Kommentar:
Dieser Artikel geht von der (nicht angesprochenen) Voraussetzung aus,
dass das Leben immer an organisches Material gebunden ist.
Leben auf der Erde gründet sich auf C, H, N, O und S. Daraus bestehen Proteine und Nucleinsäuren.

Es ist kein Grund dafür erkennbar, warum Leben nicht auch auf anderen Elementen basieren sollte
und dann in einem höheren oder tieferen Temperaturbereich funktionieren kann.
Leben an 100 Grad heissen 'Schwarzen Rauchern' in der Tiefsee des Pazifik lässt darauf schliessen.

14. November 2003

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BIOLOGISCHER URKNALL

Das Leben explodierte in der Kälte

Von Markus Becker

Es war der Urknall der Biologie: Vor rund 500 Millionen Jahren kam es auf der Erde zur schlagartigen Ausbreitung von Leben. Deutsche Forscher glauben, das Rätsel der "Kambrischen Explosion" jetzt gelöst zu haben. Die Erde funktioniert demnach wie ein riesiger Organismus, und das All könnte voller belebter Planeten sein.

Vulkane: Je kühler die Erde wurde, desto weniger Treibhausgase spuckten sie in die Atmosphäre
GMS
GroßbildansichtVulkane: Je kühler die Erde wurde, desto weniger Treibhausgase spuckten sie in die Atmosphäre
Drei Milliarden Jahre hätte die Evolution Zeit gehabt, in aller Ruhe und Langsamkeit höheres Leben hervorzubringen. Doch sie tat es praktisch über Nacht, mit einer Wucht, die Paläontologen bis heute rätseln lässt. Innerhalb von nur 40 Millionen Jahren entwickelten sich komplexe Vielzeller mit harten Schalen, die Artenvielfalt stieg dramatisch an. Alle höheren Lebewesen inklusive des Menschen haben ihre Wurzeln in der so genannten Kambrischen Explosion, die am Übergang vom Proterozoikum zum Kambrium vor 542 Millionen Jahren begann.

Der biologische Urknall gilt als größtes Rätsel der Paläontologie und auch der Astrobiologie, seine Lösung könnte wichtige Rückschlüsse auf die Entwicklung von Leben auf der Erde und auch auf fremden Planeten ermöglichen. In zahlreichen Abhandlungen haben Wissenschaftler versucht, die Kambrische Explosion entweder mit externen Umwelteinflüssen oder internen biologischen Vorgängen zu erklären. Spökenkieker sehen in ihr gar den göttlichen Schöpfungsakt, da die plötzliche Ausbreitung der Arten scheinbar Darwins Evolutionstheorie widerspricht, nach der sich das Leben kontinuierlich entwickelt.

Entwicklung der Erde in einer Nasa-Zeichnung: Höheres Leben kam über Nacht
NASA
GroßbildansichtEntwicklung der Erde in einer Nasa-Zeichnung: Höheres Leben kam über Nacht
Ein Forscherteam des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung bietet jetzt eine bemerkenswerte Alternative an. Wie die Wissenschaftler um den Physiker Werner von Bloh im Fachmagazin "Geophysical Review Letters" schreiben, wurde die Kambrische Explosion durch die Abkühlung der Erde ausgelöst. Als eine globale Oberflächentemperatur von 30 Grad Celsius erreicht war, kam es demnach zu einem Rückkopplungs-Effekt: Mehrere Prozesse verstärkten sich gegenseitig und führten zu einer explosionsartigen Ausbreitung von Leben - und ermöglichen darüber hinaus, dass sich die Erde seitdem wie ein riesiger Organismus selbst regelt.

Rückkopplung begann vor 542 Millionen Jahren

"Wir glauben, dass höheres Leben nur auf Planeten mit einer Globaltemperatur von unter 30 Grad Celsius existieren kann", erklärte Bloh im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Höhere Temperaturen seien ungünstig für die Strukturbildung in Vielzellern und für die Energiegewinnung innerhalb von Organismen. Verschiedene Hypothesen legten zudem nahe, dass sich auch komplexe Nervensysteme oder gar hoch entwickelte Organe wie das menschliche Gehirn nicht bei einer Globaltemperatur über 30 Grad entwickeln können. "Nach unseren Computermodellen wurde diese kritische Schwelle auf der Erde erstmals vor 542 Millionen Jahren unterschritten, nachdem nachlassender Vulkanismus und der Zerfall radioaktiver Elemente im Innern die Erde langsam hatten auskühlen lassen."

Physiker Werner von Bloh: ''Höheres Leben entsteht zwingend''
GroßbildansichtPhysiker Werner von Bloh: "Höheres Leben entsteht zwingend"
Durch die Unterschreitung der kritischen Grenze entstanden der Theorie zufolge komplexe Lebensformen, die dann ihrerseits die globale Abkühlung verstärkten: Sie förderten die Verwitterung des Gesteins, wodurch die Atmosphäre große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid verlor. Das beschleunigte die Abkühlung weiter, die Kontinente wuchsen, die Verwitterung und der Kohlendioxid-Verlust stiegen erneut. Der Kreislauf hatte sich geschlossen, das Rad drehte sich immer schneller.

Leben formte die Umwelt

Dieser Rückkopplungseffekt führte zu einem drastischen Temperatursturz sowie zu einem raschen Anwachsen von Biomasse und Artenvielfalt. "Die höheren Lebensformen schafften sich ihre Umweltbedingungen praktisch selbst, indem sie einen Temperaturabfall auslösten", sagte Bloh.

IN SPIEGEL ONLINE
·  Fossile Sensation: Australier entdeckt ältestes Wirbeltier der Welt (23.10.2003)
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Die Forscher gehen noch weiter: Ihrer Meinung nach findet ein solcher Prozess und damit die Entwicklung von höherem Leben zwangsläufig auf jedem erdähnlichen Planeten statt. "Die globale Abkühlung und der mit ihr verbundene Rückkopplungseffekt sind nicht aufzuhalten", sagt Bloh. Die Chancen, dass intelligentes Leben außerhalb unseres Sonnensystems existiert, würden dadurch steigen - zumal auch jüngere Planeten als die Erde Leben beherbergen könnten. "Die globale Abkühlung kann durch besondere Ereignisse wie etwa den Einschlag von Meteoriten oder den Aufbruch der Kontinentalfläche beschleunigt werden. Verzögern lässt sie sich nicht."

"Höheres Leben entsteht zwingend"

Der Evolutionsbiologe Simon Conway Morris stellte jüngst im Gespräch mit dem SPIEGEL die Theorie der konvergenten Evolution vor, nach der die Entwicklung vom Einzeller zum intelligenten Zweibeiner ein Muss ist. Unter dieser Voraussetzung macht die Potsdamer Hypothese gar ein Weltall voller menschenähnlicher Aliens vorstellbar - schöne Grüße vom Raumschiff Enterprise. "Natürlich treffen wir keine Aussagen über den Verlauf der Evolution", betont Bloh. "Aber unser Modell besagt, dass höheres Leben zwingend entsteht - im Zweifel eher früher als später."

 
IM INTERNET
·  Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
·  "Geophysical Research Letters"
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Die Theorie untermauere ferner die "Gaia-Theorie", nach der die Erde wie ein lebender, sich selbst regulierender Organismus funktioniert. "Die Biosphäre reagiert auf veränderte Bedingungen und kann ihre Umwelt aktiv beeinflussen, indem sie Verwitterung fördert", meint der Physiker. Der Beweis sei die Tatsache, dass die globale Temperatur seit der Kambrischen Explosion erstaunlich stabil geblieben sei. Allerdings seien auch diesem Mechanismus Grenzen gesetzt: Die Sonne dehnt sich aus und strahlt immer größere Energie ab. "In 800 Millionen Jahren", sagt Bloh, "wird der Stress durch die Sonnenstrahlung zu groß. Die höheren Lebensformen werden aussterben."


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