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Ein
sehr interessantes Buch:
Joseph Ledoux, Das Netz der Gefühle - Wie Emotionen entstehen.
München (2003) Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN 3-446-19308-1,
11,50 Euro
Um
was geht es ?
Ein Hirnforscher
liess sich vor Jahren zu der Bemerkung hinreissen: "Wir wissen mehr
über das Universum, als über unser eigenes Gehirn." Heute
stimmt das so nicht mehr, aber das grösste Problem existiert immer
noch: Das Gehirn besteht aus einer Unmenge von Nervenzellen. Es gelingt
aber nur schwer, die sichtbare und sehr einfache Struktur des Gehirns
seiner hoch komplexen Funktion zuzuordnen. Ledoux versucht dieses Dilemma
mit der Sicht auf die Evolution des Gehirns und der detaillierten Funktionsbeschreibung
des Furchtsystems (Abwehrverhalten) wenigstens in groben Zügen aufzulösen.
Er bezieht sich dabei auf eigene Forschungen und den Stand der Hirnforschung.
Detailliert wird die Fachliteratur bis ca. 1995 zitiert.
Seit mindestens
10 Jahren denken Hirnforscher und Molekularbiologen über das menschliche
ICH und den (angeblich) freien Willen des denkenden Menschen nach. Die
radikalsten Forscher sehen das ICH als Konstrukt des Gehirns und den persönlichen,
freien Willen als Illusion an. Bisher haben sie bei ihren Forschungen
nichts gefunden, was als vom menschlichen Körper unabhängig
existierenden Geist und/oder Seele des Menschen angesehen werden könnte.
Wenn Ledoux von 'Geist' spricht, meint er das menschliche Denken. Die
unsterbliche Seele des Menschen kommt auch bei seinen Untersuchungen nicht
vor.
Das Buch
von Ledoux beschreibt keine bahnbrechenden Neuigkeiten, aber es enthält
eine Menge Fakten und interessante Überlegungen, die aus der Kenntnis
gehirnphysiologischer Details resultieren. Ich habe das Buch in wenigen
Tagen verschlungen und stelle die interessantesten Aspekte in Form von
wörtlichen Zitaten dar:
Thesen
von Ledoux
- Emotionen
und unbewusste Verarbeitung
- Das Gehirn
verwirklicht seine Verhaltensziele ohne Beteiligung des Bewusstseins.
Dies ist im gesamten Tierreich eher die Regel als die Ausnahme. Wenn
wir nicht auf bewusste Empfindungen angewiesen sind, um das, was man
emotionales Verhalten nennen kann, bei Tieren zu erklären, dann
sind wir auch nicht auf sie angewiesen, um dieses Verhalten beim Menschen
zu erklären. Emotionale Reaktionen werden überwiegend unbewusst
erzeugt. Seite 20 und ...
Subjektive emotionale Zustände fasst man am besten als Endergebnis
einer unbewusst ablaufenden Informationsverarbeitung auf. Seite 42
- Menschen
benutzen zur Lösung von Alltagsproblemen ihr implizites Verständnis
vom Funktionieren der Welt und verlassen sich oft lieber auf Vermutungen,
die durch eine gewisse Sachkenntnis gestützt sind, als auf die
formalen Prinzipien der Logik. Seite 40
- Der menschliche
Geist hat sowohl Gedanken (bewusst) als auch Emotionen (unbewusst),
und es wird nie recht befriedigend sein, das eine ohne das andere zu
erforschen. Seite 44
- Wir kennen
unsere Emotionen dadurch, dass sie in unser Bewusstsein eindringen.
Doch entwickelt haben sie sich (in der Evolution) als Emotionen, nicht
als bewusste Empfindungen. Sie entwickelten sich als verhaltensmässige
und physiologische Spezialisierungen, als vom Gehirn gesteuerte körperliche
Reaktionen, die den Organismen, von denen wir abstammen, erlauben, in
einer feindlichen Umwelt zu überleben und sich fortzupflanzen.
Seite 46
- Wenn die
biologische Maschine der Emotion - nicht aber der Kognition - notwendig
den Körper einschliesst, dann muss die Maschine, auf der die Emotion
laufen kann, eine andere sein als jene, auf der die Kognition laufen
kann. Selbst wenn man das funktionalistische Argument (dass die Art
der Hardware gleichgültig sei) für den kognitiven Aspekt des
Geistes gelten lassen könnte (und es ist nicht klar, ob man das
kann), so scheint es für die emotionalen Aspekte des Geistes jedenfalls
nicht zu gelten (da es bei der Emotion sehr wohl auf die Art der Hardware
ankommt). Seite 46
- Die physiologischen
Reaktionen (auf Emotionen) werden jeweils in Gestalt körperlicher
Empfindungen ans Gehirn zurückgemeldet, und die spezifische Beschaffenheit
der sensorischen Rückmeldung verleiht der jeweiligen Emotion ihre
spezifische Qualität. Furcht wird anders empfunden als Zorn und
Liebe, weil sie eine andere physiologische Signatur besitzt. Seite 50
- An der
Idee, dass Präferenzen für Reize entstehen können, die
nicht ins Bewusstsein dringen, ist nicht zu rütteln. Seite 60
- Heute
scheint es unbestreitbar, dass die emotionalen Bedeutungen von Reizen
unbewusst verarbeitet werden können. Das emotionale Geschehen im
Gehirn spielt sich weitgehend im emotionalen Unbewussten ab. Seite 70
- Die physischen
Merkmale des Reizes müssen bewertet werden; ihre Bedeutung für
das Individuum muss bestimmt werden. Es ist diese berechnete Bedeutung,
welche die Emotionskugel ins Rollen bringt. Dies gilt für alle
bisher beschriebenen Theorien. Das Gehirn muss einen Reiz bewerten und
entscheiden, ob er ignoriert werden oder zu einer Reaktion führen
soll. Die Bewertung schliesst also die Lücke zwischen Reizen und
Reaktion und zwischen Reizen und Gefühlen. Seite 70 Aber ...
- Das Ergebnis
einer emotionalen Bewertung wird uns zwar bewusst (wir wissen, dass
wir jemanden nicht mögen), aber das heisst nicht, dass wir die
Grundlage der Bewertung bewusst verstehen (dass wir wissen, warum wir
den Betreffenden nicht mögen). Das zum Bewusstsein gelangte Ergebnis
beruht möglicherweise auf nichtverbalisierbaren Intuitionen, sogenannten
"Gefühlen im Bauch", und nicht auf verbalisierbaren Voraussetzungen.
Seite 71
- Da sowohl
die emotionale als auch die kognitive Verarbeitung weitgehend unbewusst
ablaufen, ist es möglich, dass emotionale und kognitive Verarbeitung
identisch sind oder dass, wie es gewöhnlich heisst, die Emotion
bloss eine Art von Kognition ist. Seite 74 und ...
Meine Auffassung ist, dass man Emotion und Kognition am besten als getrennte,
aber miteinander wechselwirkende mentale Funktionen versteht, die durch
getrennte, miteinander wechselwirkende Hirnsysteme vermittelt werden.
Seite 75
- Kennzeichen
der kognitiven Verarbeitung ist eine Flexibilität der Reaktionen.
Die Kognition gibt uns Entscheidungsspielraum (im Gegensatz
zur Emotion). Seite 76
- Wir haben
vermutlich (da die Erforschung der unbewussten Verarbeitung sich so
stark auf verbale Prozesse stützt) ein
höchst unzutreffendes Bild vom Grad der Komplexität
unbewusster Prozesse beim Menschen. Zu einem richtigen Verständnis
des Wirkens unbewusster Prozesse beim Menschen werden wir wahrscheinlich
erst dann gelangen, wenn wir auf die Benutzung verbaler Reize und verbaler
Auskünfte verzichten. Seite 78
- Das
physiologische Gehirn
- Das viszentrale
Gehirn kümmert sich um all die instinkthaften Verhaltensweisen
und elementaren Triebe, die das Überleben des Individuums und der
Art ermöglichen. Mit dem Auftauchen des Neokortex bei den Säugetieren
trat nach und nach die Fähigkeit zu höheren Formen psychischer
Funktionen wie Denken und Urteilen hervor, die ihren Zenit beim Menschen
erreichte. Aber selbst beim Menschen bleibt das viszentrale Gehirn praktisch
unverändert und ist an den primitiven Funktionen beteiligt, die
es bei unseren fernen evolutionären Vorläufern erfüllte.
Seite 102
- Am Anfang
der Psychotherapie ist nicht damit zu rechnen, dass man mit Worten viel
ausrichten kann. Die wichtigsten ersten Schritte des Therapeuten bestehen
darin, eine Beziehung zum viszentralen Gehirn des Patienten herzustellen.
Seite 105 weil
gewisse psychiatrische Probleme darauf beruhen könnten, dass das
emotionale (viszentrale) Gehirn unabhängig vom "Wortgehirn"
operiert. Seite 107
- Das Vorderhirn
(der Neokortex) hat drei Evolutionsstadien durchlaufen: Reptilien, Paläosäuger
und Neosäuger. So entsteht eine bemerkenswerte Verbindung von drei
Cerebrotypen, die sich chemisch und strukturell grundlegend voneinander
unterscheiden und zwischen denen, was die Evolution angeht, Äonen
liegen. Es besteht gewissermassen eine Hierarchie von drei Gehirnen
in einem - das dreieinige Gehirn. Jeder dieser Cerebrotypen
hat seine eigene spezielle Art von Intelligenz, sein eigenes spezielles
Gedächtnis, seinen eigenen Sinn für Zeit und Raum und seine
eigenen motorischen und sonstigen Funktionen.
- Gefühle
haben wir dann, wenn Informationen über die Aussenwelt mit Empfindungen
aus dem Körperinneren verknüpft werden. Viele Forscher und
Theoretiker sind davon ausgegangen, dass das Gehirn ein limbisches System
hat und dass unsere Emotionen aus diesem System kommen. Aus
meiner Sicht existiert das limbische System nicht. Aus heutiger
Sicht bestand der Fehler darin, das ganze emotionale Gehirn und seine
Evolutionsgeschichte in ein einziges (nicht klar abgrenzbares) System
zu packen. Da die einzelnen Emotionen aber an unterschiedlichen überlebenswichtigen
Funktionen beteiligt sind (Gefahrenabwehr, Nahrungssuche, Fortpflanzung,
Fürsorge ...), kann es sehr wohl sein, dass sie jeweils andere
Hirnsysteme in Anspruch nehmen. Es könnte nicht bloss ein emotionales
System im Gehirn geben, sondern etliche. Seite 111
- Höchstwahrscheinlich
sind die Bemühungen, ein Allzweck-Emotionssystem im Gehirn zu finden,
deshalb gescheitert, weil es ein solches System nicht gibt. Seite 114
- Die
evolutionäre Entwicklung des Gehirns
- Das menschliche
Gehirn ist die komplizierteste Maschine, die man sich vorstellen kann,
und doch wurde es von niemand konstruiert. Es ist ein Produkt evolutionärer
Bastelei, in dem im Lauf sehr langer Zeiten eine Menge kleiner Veränderungen
zusammen gekommen sind. Seite 112
- Statt
von Null anzufangen, arbeitet die Evolution mit dem, was sie hat.
Innerhalb kurzer Zeiträume ist das schrecklich ineffizient, doch
im Rahmen gewaltiger Zeiträume funktioniert die Bastelstrategie
der Evolution recht gut. Es bleibt ihr übrigens auch gar
keine Wahl. Seite 112
- Auch wenn
wir über das Gehirn oft so reden, als habe es eine Funktion, so
hat das Gehirn als solches doch keine Funktion. Es ist eine Ansammlung
von Systemen, die bisweilen auch Module genannt werden und jeweils andere
Funktionen haben. Es gibt keine Gleichung, nach der die Zusammenfassung
der Funktionen all der verschiedenen Systeme eine weitere Funktion namens
Hirnfunktion ergibt. Seite 113
- Die meisten
evolutionären Veränderungen im Gehirn vollziehen sich auf
der Ebene einzelner Module. Diese Module erledigen so exotische Aufgaben
wie Denken und Glauben, aber auch so alltägliche Geschäfte
wie das Atmen. Evolutionäre Verbesserungen in der Fähigkeit,
von etwas überzeugt zu sein, helfen uns nicht unbedingt, besser
zu atmen. Möglich ist es zwar, aber es muss nicht so sein. Seite
113
- Ich bin
davon überzeugt, dass Emotionen alles andere als spezifisch menschlich
sind, ja dass einige emotionale Systeme im Gehirn bei den meisten Wirbeltieren
praktisch identisch sind; dazu zählen die Säuger, die Reptilien
und die Vögel, möglicherweise auch die Amphibien und die Fische.
Statt danach zu fragen, was an der menschlichen Evolution einzigartig
ist, müssen wir klären, warum die Evolution die emotionalen
Funktionen bei allen Arten hartnäckig beibehält, während
sie viele sonstige Hirnfunktionen und Körpermerkmale verändert.
Seite 115
- Welches
sind die elementaren Emotionen? Die meisten Listen enthalten: Furcht,
Zorn, Ekel und Freude. Was dann noch als Nichtübereinstimmung bleibt,
betrifft überwiegend Grenzfälle wie Interesse, Begehren und
Überraschung. Seite 131
- Die Hirnevolution
ist im wesentlichen konservativ und bestimmte Systeme, besonders jene,
die dem Überleben insgesamt dienlich waren und seit langem bestehen,
haben sich in ihrer grundlegenden Struktur und Funktion erhalten. Seite
134 ... beispielsweise hat sich der Code, der die Verdrahtung der Funktionen
im Gehirn während der embryonalen Entwicklung steuert, über
die Artgrenzen hinweg erhalten, obwohl der genetische Code,
der die für den Ausdruck dieser Funktionen benutzten Körperteile
aufbaut, bei den einzelnen Tieren verschieden ist. Seite 135
- Grundbausteine
der Emotionen sind neurale Systeme, die verhaltensmässige Interaktionen
mit der Umwelt vermitteln, speziell solche Verhaltensweisen, die eine
Antwort auf grundlegende Überlebensfragen sind. Gefühle können
nur entstehen, wenn das betreffende Gehirn neben einem Überlebenssystem
auch die Fähigkeit zum Bewusstsein besitzt. In der Evolution kamen
die Gefühle nach den Reaktionen. Gefühle sind direkt an die
Fähigkeit gebunden, sich seiner selbst und des eigenen Verhältnisses
zur übrigen Welt bewusst zu sein. Seite 135
- Das
Furchtsystem
- Emotionale
Verhaltensweisen wie das Abwehrverhalten haben sich unabhängig
von - und das heisst, vor - bewussten Gefühlen entwickelt. Das
Furchtsystem operiert unabhängig vom Bewusstsein. Furchtgefühle
sind ein Nebenprodukt der Evolution zweier neuraler Systeme, von denen
das eine Abwehrverhalten und das andere Bewusstsein erzeugt. Seite 139
- Beschreibung
des Furchtsystems: Amygdala, Thalamus, sensorischer Kortex, lateraler
Kern ... Seite 178
- Wir kommen
zu dem unausweichlichen Schluss, dass die grundlegenden Hirnmechanismen
der Furcht über viele Stufen der evolutionären Entwicklung
hinweg im wesentlichen dieselben geblieben sind. Seite 184
- Allem
Anschein nach wurde die Amygdala wahrscheinlich schon zu der Zeit begründet,
als Dinosaurier auf der Erde herrschten und sie hat sich in verschiedenen
Zweigen der evolutionären Entwicklung erhalten. Die Abwehr von
Gefahr ist wohl die höchste Priorität eines Organismus (nach
Lebenserhaltung und Fortpflanzung). Es spricht einiges dafür, dass
bei den untersuchten Hauptgruppen (Reptilien, Vögel und Säugern),
dieser Hirnfunktion ein gemeinsamer Bauplan zugrunde liegt. Seite 187
- Viele
Tiere kommen fast durchweg mit einem emotionalen Autopiloten durchs
Leben, doch ihnen gegenüber sind solche Tiere im Vorteil, die vom
Autopiloten leicht auf willkürliche Steuerung umschalten können.
Dieser Vorteil beruht auf der Koppelung emotionaler und kognitiver Funktionen.
Seite 188 und die automatischen Reaktionen waren in der Evolution zuerst
da. Seite 189
- Die Evolution
hätte es vermutlich schon schaffen können, die Kognition schnelle
zu machen, so dass Denken stets dem Handeln hätte vorausgehen können,
und damit das unwillkürliche Handeln gänzlich aus dem Verhaltensrepertoire
verbannt. Das wäre allerdings ziemlich aufwendig. Bei vielen Dingen
ist es besser, wenn wir nicht erst überlegen müssen. Seite
189
-
Gedächtnis und Lernen
- Beschreibung
der Gedächtnisfunktion: Sensorischer Kortex, Temporallappen, Hippocampus
... Seite 207
- Mit der
Idee, dass es eine Vielzahl von Gedächtnissystemen gibt, wurde
alles verständlich. Seite 212
- Die Idee,
dass die Bildung unterschiedlicher Arten von Erinnerungen auf ziemlich
universellen Mechanismen beruht, wird immer unwiderstehlicher. Untersuchungen
an so unterschiedlichen Arten wie Schnecken, Mäusen und Fruchtfliegen
kamen, was die molekularen Vorgänge angeht, die aus Lernergebnissen
Langzeit-Erinnerungen machen, zu übereinstimmenden Ergebnissen.
Die vom genetischen Apparat im Zellkern gesteuerte Proteinsynthese scheint
eine entscheidende Rolle zu spielen. Seite 238 Daraus ergibt sich eine
wichtige Folgerung: Auf der molekularen Ebene mag das
Gedächtnis auf einem universalen oder zumindest
weit verbreiteten Mechanismus beruhen, doch auf der Systemebene
gibt es eine Vielzahl von Gedächtnissen. Seite
239
- Psychische
Störungen: Angst
- Angst
ist das Ergebnis von traumatischen Lernerlebnissen. Wie soll Angst behandelt
werden? Die Freudianer sahen das Ziel der Therapie in der Auflösung
unbewusster Konflikte. Die andere Richtung (Wolpe) sieht in neurotischen
Symptomen konditionierte Reaktionen: "Werde die Symptome los, und
Du hast die Neurose beseitigt." Seite 253
- Die menschliche
Phobie scheint der Lösung mehr Widerstand entgegen zu setzen und
irrationaler zu sein, als die konditionierte Furcht beim Tier. Seite
254
- Unbewusste
Furchterinnerungen, die von der Amygdala gebildet wurden, bleiben wahrscheinlich
ein Leben lang erhalten. Das ist in vielen Fällen sehr sinnvoll.
Wenn es allerdings Fehlanpassungen sind, müssen wir die unglaubliche
Wirksamkeit des Furchtsystems teuer bezahlen. Seite 272
- Um die
Furchterinnerungen zu löschen oder wenigstens zu regulieren, müsste
man den Kortex dazu bringen, die Amygdala zu kontrollieren. Das ist
schwierig und langwierig. Eine interessante und wohlbekannte Tatsache
ist, dass die Verbindungen von den kortikalen Bereichen zur Amygdala
weit schwächer sind als die Verbindungen von der Amygdala zum Kortex.
Das könnte erklären, warum emotionale Informationen so leicht
in unsere bewussten Gedanken eindringen, während es uns schwer
fällt, bewusste Kontrolle über unsere Emotionen zu gewinnen.
Die lange Dauer der Psychoanalyse könnte auf dieser Asymmetrie
der Verbindungen zwischen Kortex und Amygdala beruhen. Seite
286
- Keine
Gefühle ohne Bewusstsein
- Ein subjektives,
emotionales Erlebnis wie das Gefühl, sich zu fürchten, entsteht,
wenn wir bewusst wahrnehmen, dass ein Emotionssystem des Gehirns - wie
das Abwehrsystem - aktiv ist. Was aber ist das Bewusstsein? Seite 289
- Wir folgern
daraus, dass eine der Hauptaufgaben des Bewusstseins darin besteht,
unser Leben zu einer in sich stimmigen Geschichte, einem Selbstkonzept,
zu bündeln. Es leistet dies dadurch, dass es Verhaltenserklärungen
generiert, deren Grundlage unser Selbstbild, Erinnerungen an die Vergangenheit,
Erwartungen für die Zukunft, die aktuelle soziale Situation und
die physische Umgebung bilden, in der das Verhalten ausgelöst wird.
Seite 37
- Emotionale
Gefühle entstehen dadurch, dass wir uns emotional mehrdeutige körperliche
Zustände mit Hilfe kognitiver Interpretationen (so genannter Attributionen)
erklären und ihnen aus verschiedenen äusseren und inneren
Ursachen eine zuweisen. Seite 53 und ...
Emotionen sind nach Schachter und Singer möglicherweise kognitive
Interpretationen von Situationen. Seite 54
- Das Arbeitsgedächtnis
besteht aus einem Arbeitsraum, wo Informationen aus den spezialisierten
Puffern zeitweilig festgehalten werden können, und einer Reihe
von Überwachungsfunktionen, welche die an diesen Informationen
vorgenommenen Operationen kontrollieren. Die Überwachungsfunktionen
sind für die Koordination sämtlicher Aktivitäten des
Kurzzeitgedächtnisses verantwortlich; sie legen fest, welche spezialisierten
Systeme im Augenblick zu beachten sind, und verschieben Informationen
von diesen und anderen Systemen in den Arbeitsraum und von diesem dorthin.
Seite 292
- Der Arbeitsraum
besitzt eine Kapazität von etwa sieben verschiedenen Informationen,
allerdings sieben von jeder Klasse (Buchstaben, Wörter, Ideen ....).
Seite 292
- Das Arbeitsgedächtnis
steht in Verbindung mit der aktiven Information im Langzeitgedächtnissen,
der Information in Kurzzeitgedächtnissen und den Entscheidungsprozessen
darüber, welche Informationen dort festgehalten werden. Ein solches
Arbeitsgedächtnis ist zum Beispiel erforderlich für Kopfrechnen,
Lesen, Problemlösen und logisches Denken generell. All diese Aufgaben
erfordern nicht nur eine Form von temporärer Speicherung, sondern
auch ein Wechselspiel zwischen temporär gespeicherten Informationen
und einem grösseren Bestand an gespeichertem Wissen. Seite 294
- Zu den
Bereichen des Frontallappens, von denen man annimmt, dass sie an Funktionen
des Arbeitsgedächtnisses beteiligt sind, gehören der präfrontale
Kortex, der orbitale und der vordere zinguläre Kortex. Seite 299
- Eine Reihe
von Kognitionswissenschaftlern vertritt die Auffassung, dass Bewusstsein
das Wahrnehmen dessen ist, was sich im Arbeitsgedächtnis befindet.
ausserdem: ... muss eine Verbindung zwischen der mentalen Repräsentation
eines Ereignisses und einer mentalen Repräsentation des "Selbst"
als des Handelnden oder Erlebenden hergestellt werden, damit wir uns
dieses Ereignisses bewusst sein können. Seite 301
- Der Bewusstseinsprozessor
arbeitet auf der symbolischen Ebene, die introspektiv zugängliche
Inhalte bereitstellt, doch die parallelen Prozessoren (darunter) arbeiten
subsymbolisch, und ihre Operationen sind dem Bewusstsein nicht direkt
zugänglich. Mit anderen Worten: Wir sind uns der Ergebnisse mentaler
Berechnungen bewusst, nicht aber der Berechnungen selbst. Seite 302
- Das Arbeitsgedächtnis
ist der serielle Prozessor von begrenzter Kapazität, der symbolische
Repräsentanten erzeugt und manipuliert. In ihm erfolgt die integrierte
Überwachung und Steuerung verschiedener untergeordneter spezialisierter
Prozessoren. Das Arbeitsgedächtnis ist, anders gesagt, ein entscheidender
Teil des Systems, aus dem das Bewusstsein hervorgeht. Seite 302
- Es steht
allerdings nicht fest, dass das Bewusstsein berechenbar ist. Diese Theorien
zeigen vielleicht, wie eine Repräsentanz im Arbeitsgedächtnis
erzeugt wird, aber nicht, wie es ist, sich dieser Repräsentanz
bewusst zu sein. Seite 303
- Die Vermittlung
des Arbeitsgedächtnisses durch das Gehirn sowie der Zusammenhang
zwischen dem Bewusstsein und dem Arbeitsgedächtnis und/oder anderen
Hirnsystemen sind noch weitgehend ungeklärt. Seite
303
- Sicher
aber scheint zu sein: Ein bewusstes emotionales Gefühl entsteht
nur unter folgenden Voraussetzungen:
- Das Arbeitsgedächtnis
funktioniert
-
Die Amygdala wird aktiviert
- Erregungssysteme
werden aktiviert
- Es existieren körperliche Rückmeldungen
- Vermutlich
kann man ein bewusstes emotionales Gefühl auch ohne die direkten
Projektionen von der Amygdala zum Kortex haben, und ohne sich des auslösenden
Reizes bewusst zu sein.
- Wohin
geht die Evolution des Gehirns?
- Bei allen
Säugern sind die Bahnen von der Amygdala zum Kortex
stärker ausgeprägt als die Bahnen vom Kortex zur Amygdala.
Die Amygdala besitzt einen grösseren Einfluss auf den Kortex als
der Kortex auf die Amygdala, so dass emotionale Erregung das Denken
dominieren und kontrollieren kann. Seite 325
- Zugleich
ist offenkundig, dass die kortikalen Verbindungen zur Amygdala bei den
Primaten weit stärker sind als bei den übrigen Säugern.
Das spricht für die Möglichkeit, dass, falls diese Verbindungen
weiterhin zunehmen sollten, der Kortex mehr und mehr Kontrolle über
die Amygdala gewinnen könnte, so dass die Menschen künftig
eher imstande wären, ihre Emotionen zu beherrschen. Seite 325 ...
Nicht im Sinne der Dominanz der kortikalen Kognition über die emotionalen
Zentren, sondern im Sinne einer harmonischeren Integration von Vernunft
und Leidenschaft. Kognition und Emotionen könnten dann zusammenwirken,
statt (wie heute) getrennt zu funktionieren. Seite 326
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