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Spass muss sein

 

 

Der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses

Seit Jahren laufen Bemühungen, initiiert von Wilhelm von Boddien, das Berliner Stadtschloss wieder aufzubauen. Im Sommer 1993 hat die Stadtschloß-Attrappe Aufsehen erregt und viele Touristen nach Berlin gelockt. Das Berliner Stadtschloss hat eine 500-jährige Geschichte. Im II. Weltkrieg wurde es schwer beschädigt. Die Ruine wurde 1950 vom Ulbricht-Regime gesprengt, um Raum für einen grossen Aufmarschplatz zu schaffen. Die riesige und öde Fläche zwischen Friedrichwerderscher Kirche und dem Alexanderplatz steht in der Mitte von Berlin zur Disposition, seit hier nach 1989 die architektonischen Statussymbole der DDR möglichst schnell verschwinden sollten: Das DDR-Aussenministerium wurde ohne Konzept abgerissen und der Palast der Republik ist zielgerichtet zu einer Bauruine verkommen.
Die einfachste Lösung scheint zu sein, die Zeit zurück zu drehen und die alte Bebauung wieder herzustellen.

Die Lobby dafür ist gross und seriös: Ein internationales Netzwerk INTBAU setzt sich für traditionelles und urbanes Bauen ein. Der Vorreiter für einen historischen Wiederaufbau war Dresden. Gerade in diesen Tagen ist es gelungen, die Frauenkirche in ihrer barocken Pracht wieder herzustellen. Der Innenausbau ist noch zu bewältigen. Gleich zwei Fördervereine bemühen sich in Berlin um den Wiederaufbau des Stadtschlosses. Die Stadtschloss Berlin Initiative will das neue Stadtschloss Berlin bauen. Die Gesellschaft Berliner Schloss e.V. hat es sich zum Ziel gesetzt, das Stadtschloss zu rekonstruieren. Und weil es offenbar im Trend liegt, beschloss auch die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Potsdam im Jahr 2000 den Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses. Es fehlt nur noch das Geld.

Gerade ist es gelungen, auch die Schinkelsche Bauakademie als Attrappe wieder auferstehen zu lassen. Damit hat Berlin seit wenigen Tagen eine neue Attraktion. Besonders attraktiv sind die dezenten Werbeflächen eines Sponsors, der nicht genannt werden möchte ...


Von links: Auswärtiges Amt, Attrappe mit gemauerter Ecke, Schinkel-Denkmal,
Hochhäuser der Leipziger Strasse, Friedrichwerdersche Kirche (Schinkel)


Links das Auswärtige Amt, Französische Strasse, im Hintergrund der Französische Dom


Sicht von der Französischen Strasse in Richtung Alexanderplatz. Rechts das Auswärtige Amt,
im Hintergrund die Ruine des Palastes der Republik und das Rote Rathaus


Attrappe und gemauerte Ecke


Original und Imitation

Ich bin gegen den Wiederaufbau des Schlosses und der Bauakademie. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Was sollen die Fassaden dieser Bauwerke in der heutigen Zeit, wenn der Inhalt nicht mehr existiert? Niemand will doch allen Ernstes der heutigen Gesellschaft das erzkonservative deutsche Kaiserreich als Vorbild empfehlen?! Warum dann dessen Statussymbole restaurieren? Haben wir selber keine Ideen mehr?

Aus meiner Sicht ist es ein Armutszeugnis für die Architektur der Gegenwart, dass sie nicht in der Lage ist, die riesige Fläche von der Friedrichwerderschen Kirche bis zum Alexanderplatz dem Zeitgeist entsprechend zu bebauen. Aber vielleicht ist gerade dieses Unvermögen der Zeitgeist ...?!

 

Ein Eintrag im Gästebuch

Im Gästebuch der WebSite www.berliner-stadtschloss.de fand ich folgenden Eintrag. Er ist nicht gerade typisch aber er zeigt, wie die Debatte um den Wiederaufbau historischer Gebäude die Gemüter erhitzt:

Ohne hier polysemantisieren zu wollen, möchte ich gerade jetzt, wo die Frauenkirche, welche man in der Architektenzunft schon gerne als Paradigma der synklinalen, ja – fast schon szintillierenden Redundanz bezeichnet, äußerlich fertiggestellt ist, fast schon schadenfroh einige Anmerkungen machen: Einige werden sich vielleicht noch an meine fast intangiblen Beiträge erinnern, in denen ich auf das schärfste davor gewarnt habe, die Frauenkirche zu rekonstruieren. Doch meine Beiträge wurden mit qualsterartigen Bemerkungen ins Lächerliche gezogen. Doch nun hat sich die Situation quasi umgedreht.
Womit die ewig Gestrigen wohl nicht gerechnet haben ist die aposteriorische Tatsache, dass die fertige Frauenkirche, wie übrigens die gesamte Silhouette Dresdens, von allen Menschen (ob Tourist oder Bürger) verlacht wird. Dresden wird architektonisch nicht mehr ernst genommen, was geradezu eine metaphaxe Prädisponierung der, auf die Stadt projizierten Architektur darstellt! Eine Bemerkung eines Kollegen von mir freute mich ganz besonders, er sagte: Jetzt fehlt nur noch eins, um das Stadtbild zu komplettieren, Ein riesiges Schild auf dem steht WILLKOMMEN IN DISNEYLAND. Schade um das Geld, was dieses überflüssige und peinliche Sujet verschlungen hat und noch verschlingen wird! Doch jetzt ist es leider zu spät!
Ich habe schon vor fast 10 Jahren vor dieser Katastrophe gewarnt. Meine geniale empathische und stadtbildprägende Vision für diesen prometheischen Ort hätte weniger als ein viertel gekostet und wäre sogar noch etwas höher geworden: zwei übereinander liegende transparente Glaswürfel von denen der obere leicht gedreht und vollkommen verspiegelt werden sollte - dies hätte eine in alle Richtungen frei ausschwebende und dennoch transzendente Tiefendynamik freigesetzt! Der Innenraum wäre so für die, das Kunstwerk betretenden Menschen zu einer Art vertikale Brücke mutiert, welche aus der tiefe des Raumes heraus die moderne Lebensanschauung und Freiheit kanalisiert und schließlich synoptisch versetzt (durch die Reflexion im oberen Klaswürfel) synklinal auf die das Innere betrachtenden Menschen reflektiert hätte.
Derartig transzendentes ist in diesem steinernen Monster, das jetzt für lange Zeit den Platz versperrt, nicht möglich. Mit einer Kantenlänge von 50 Metern pro Würfel, hätte meine Kreation eine Höhe von genau 100 Metern bekommen und wäre der einzig moderne Lichtblick in der Silhouette Dresdens gewesen. Von der Elbe hätte man schon von weitem gesehen, dass Dresden eine Stadt mit Zukunft ist, die in die Zukunft schaut, statt gelähmt und in tiefer Scham versunken, zwischen kitschigen Redundanzen zu ersticken! Ich habe davor gewarnt, denkt immer daran!
Flender, freier Architekt
Deutschland Datum: 31.07.04 14:44:28

 

Ich war beeindruckt ...

... und konnte es mir nicht verkneifen, die verbissene Debatte etwas zu entkrampfen.
Sorry ... aber Spass muss sein:

Polysemantisierend möchte ich der Architektenzunft schon gerne das Paradigma der synklinalen, ja – fast schon szintillierenden Redundanz empfehlen. Meine intangiblen Beiträge erinnern qualsterartig an die aposteriorische Tatsache, dass die metaphaxe Prädisponierung der projizierten Architektur die transzendente Tiefendynamik dieses prometheischen Ortes vollkommen verspiegelt hätte. Ich habe davor gewarnt. Meine geniale empathische und stadtbildprägende Vision hätte synklinal das Innere der synoptisch betrachtenden Menschen reflektiert und weniger als ein Viertel gekostet. Denkt immer daran! In tiefer Scham versunken. Al, http://www.storyal.de/index.htm
Jürgen Albrecht <hello.al@web.de>
Berlin, Deutschland Datum: 31.07.04 18:07:52

 

Jürgen Albrecht, 31. Juli 2004

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