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RÜCKFLUG
MIT HALE – BOPP

03. April 1997, Donnerstag, in der Luft

 

Ich gehe problemlos durch die Paß- und Zollkontrolle. Eine riesige Shopping-Mall vor den Flugsteigen: Viele Uhren, viele unsinnige Geschenke, viel Schnaps, aber es gibt auch was zu Essen. Dafür aber reicht es nicht mehr, ich habe nur noch 50 Bath. Einen Kaffee aber kann ich mir noch leisten, das restliche Kleingeld bekommt Conny. Zum Kaffee esse ich genüßlich die letzten zwei Müsli-Cakes aus der German-Bakery von Jomsom – ein tolles Abendbrot gegen 22:15. Scharno ist nicht zu sehen. Ich gehe zum Flugsteig 22 – auch hier gibt es keinen Scharno, aber hier muß er auftauchen. Ich setze mich in einen bequemen Sessel und beobachte, wie viele Leute sich hier sammeln, um dann in einen Jumbo verpackt und nach Europa expediert zu werden. Erstaunlich, nicht alle bekommen in diesem großen Raum einen Sitzplatz und Toiletten gibt es hier auch nicht. Der Charme und die Gemütlichkeit eines Viehhofes. Scharno kommt nicht. Es wird aufgefordert, an Bord zu gehen, das Einsortieren der Ladung beginnt. Ich bleibe sitzen. Scharno ist noch nicht da. Gegen 23:25 (eigentlich sollten wir schon fast in der Luft sein), taucht eine braune Glatze am Horizont auf, nestelnd an seinem Brustbeutel vor dem offenen Hemd, wo ist die Bordkarte ... dahinter ein strohgelber Pinsel: Familie Scharno ist da! Begrüßung, große Freude auf beiden Seiten, gleich geht das Erzählen los, aber dafür ist jetzt keine Zeit, wir müssen an Bord.

Ich habe, weil ich so früh einchecken konnte, einen schönen Fensterplatz, 32 A, direkt da, wo der Flügel vorne links außen ansetzt. Scharno sitzt weiter hinten in der Mitte. Eine Boing 747, der Start verzögert sich etwas. Aber am 3. April, 1997 um 0:05 Uhr starten wir in Bangkok. In Berlin ist es 19:05. Ich stelle meine vielen Uhren gleich auf die Heimatzeit um, man kann sich ja nicht schnell genug wieder an neue Zeiten gewöhnen. Das hier ist ein guter, ruhiger Platz, hier rattert nichts, es ist zwar laut, aber gleichmäßig laut. Es gibt (endlich) etwas zum Abendbrot, ein großes, auf Hochglanz gedrucktes Menü: Ich esse Fisch – sehr gut. Dann, ungefähr zwei Stunden sind seit dem Start vergangen, gucke ich mal nach Familie Scharno. Die Familie schläft schon. Draußen ist nicht viel zu sehen, es geht in Richtung Nepal, Kathmandu bleibt rechts liegen, aber wir fliegen direkt über Calcutta. Dann wird in der Maschine das Licht ausgemacht, Decken sind schon ausgeteilt, die TV-Geräte sind stillgelegt und auch ich schalte ab und schlafe in einem Stück ca. 6,5 Stunden. Der Mensch braucht Entspannung.

Danach aber meinte meine innere Uhr, daß es jetzt 9 Uhr ist und endlich Zeit zum Aufstehen!! Ich mache das Leselicht gegen 2:30 an und lese im SPIEGEL über Hale-Bopp und noch einmal den schönen Satz von der Farce, die das menschliche Leben ist, 'geboren aus einer Kette von Zufällen', die dem Urknall folgten. Dann muß ich auf Klo, trotz Farce. Dort hinten treffe ich Scharno und wir fangen an, unsere Erfahrungen der letzten drei Wochen auszutauschen. Während Scharno aufs Klo geht, gucke ich mal (eher zufällig) auf der anderen Seite des Flugzeugs (rechts) aus dem Türfenster: So ein Bild habe ich schon auf dem Hinflug aus dem gleichen Fenster fotografiert: Morgenrot (damals Abendrot) und der richtig sichtbar nach oben gebogene Flügel, an dem das schwere Flugzeug hängt. ABER JETZT: Darüber, ziemlich hoch am Himmel: Hale-Bopp auf hellem Hintergrund!! Darüber Sterne. So etwas Schönes! Keine Kamera seit Bangkok dabei in der Annahme, eine Steigerung ist nach Nepal nicht mehr möglich. Hier ist jetzt die Steigerung! Aber sofort sage ich zu Scharno (der auch keine Kamera hat): 'Du hast in Hanoi gesagt: Man muß auch mal was erleben können!!' Und genau das gibt es jetzt hier. Wir sehen uns beide dieses Schauspiel an und verhaken dieses Bild so in den grauen Zellen, daß es immer abrufbar ist. { Wir waren um diese Zeit irgendwo in der Gegend des Aralsees, Kasachstan. Hale-Bopp und der Mond stiegen immer höher. Daß Hale-Bopp auch nach oben ging, habe ich im Flugzeug nicht gewußt.} Gegen 3:45 wird auch auf der linken Seite das Morgenrot (langsam, ganz langsam) sichtbar. Um 4:17 sehe ich hinter uns den abnehmenden Halbmond, nur noch mit einem einsamen Stern darunter. { Unklar, was das für ein Stern darunter war. Ein Planet war es nicht. Jupiter war zu sehen, aber ziemlich weit weg vom Mond. War es Nunki, Magnitude 2,1 ? Nie werden wir es erfahren ...} Und dieser Mond mit Stern ging offensichtlich auf, und nicht unter, denn nach ca. einer Stunde stand er doppelt so hoch am Himmel.

So gegen 5 Uhr wurde das Licht angemacht. Eine halbe Stunde später zeigte der Monitor, wo wir sind: Eine Überraschung: Wir sind nicht über Afghanistan und die Türkei geflogen, sondern über Moskau! Um 5:30 gab es was zu Essen. Um 5:47 fliegen wir über Polen und meine Geburtsstadt Waldenburg (Zielena Gora, nicht weit weg). Da werden Heimatgefühle geweckt. Speed 527 mph, 39.000 ft., -72 Grad außen (?), noch 340 Meilen bis zum Ziel. Um 6 Uhr sind wir über Leipzig, beleuchtete Straßen, der große Ring mit den strahlenförmig davon abgehenden Straßen ist von oben gut zu erkennen. Nicht mehr weit bis Frankfurt. Genau um 6:30 setzt die Maschine nach 11 Stunden und 25 Minuten Non-Stop-Flug wieder auf einer Rollbahn auf (200 mph beim Landeanflug).

Aussteigen, Verabschiedung von Scharno, Gepäck abholen und wieder neu einchecken. Das war ein Fehler, der mir in Bangkok unterlaufen ist. Ich hatte nicht an den Anschlußflug nach Berlin gedacht. Aber es ist kein Problem, jetzt habe ich zwei Stunden dafür Zeit.

Mit einem Airbus 300 starten wir um 8:37 erneut. Sonnenaufgang über den Wolken, gutes Wetter in Berlin, wo wir um 9:23 aufsetzen: ICH BIN WIEDER ZU HAUSE !!

Mein Koffer kommt fast als letzter. Ausweiskontrolle findet nicht statt und plötzlich stehe ich wieder in Berlin!! Von hinten tippt mir jemand auf die Schulter: Cati und Wolfgang holen mich ab. Eine tolle Überraschung! Ich hatte vermutet, daß vielleicht Stefan hergekommen wäre, aber eigentlich hatte ich keinen hier erwartet. Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, daß mich jemals jemand vom Flugplatz abgeholt hat. Ist auch nicht nötig, den meinen Fahrschein für die U-Bahn (ist er noch gültig?) habe ich griffbereit. Aber jetzt: Große Freude. Auf der Fahrt zu meiner Wohnung werde ich in die Neuigkeiten eingeweiht, die man mir lieber nicht nach Vietnam und Nepal übermittelt hat: Mamis Wohnung ist (in der ersten oder zweiten Februarwoche) von oben gründlich mit Wasser eingeweicht worden. Große Aufregung, neue Möbel für Peters Zimmer! Stefan hat seit einer Woche Windpocken und liegt im Bett. Außerdem hat er sich mit einer Handkreissäge ins Bein gesägt ... ansonsten ist alles o.k. !!

Um 10:30 sind wir vor meiner Wohnungstür. Die Nachbarn mit meinen Schlüsseln sind nicht da, ich kann nicht in meine Wohnung. Kein Problem, wir gehen Mittag essen. Zwischendurch telefoniere ich mit Stefan, er lebt noch. Nach dem Essen, beim Iren gegenüber, sind auch meine Nachbarn wieder da. Um 11:45 bin ich wieder in meiner freundlichen Wohnung gelandet. Waschen, Auspacken. Ich telefoniere mit Kathrin in Halle: Das Semester fängt nicht schon am Montag an, sondern erst eine Woche später. Was ist heute? Donnerstag. Wie schön!

03.04.1997, 14:30 Uhr, in meiner Wohnung, Berlin

 

Am Abend treffen wir uns alle außer Stefan bei Cati. Wiedersehen, kleine Geschenke, Abendbrot, Erzählen. Conny ist gewachsen und beschäftigt sich intensiv mit Computerliteratur (Zeitschriften). Clara ist lieb, schon ein großes Mädchen und nicht mehr so pummelig.

Die Zivilisation hat mich wieder eingefangen!

04.04.1997, 11:30 Uhr, Berlin

 

27. November 1997

 

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