Weisse Nächte im Baltikum
Ein Weblog & Bilderbuch
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Stippvisite im Baltikum - Juli 2013So schnell sind 10 Tage vorbei. Acht Länder in zehn Tagen: Polen, Litauen, Lettland, Estland, Russland, Finnland, Schweden und Dänemark. Eine Stippvisite, mehr nicht. Aber man bekommt einen Eindruck von diesen Ländern und ihren Hauptstädten. Die schönste Altstadt hat Estland: Tallinn verteilt sich auf die Ober- und die Unterstadt. Von oben ein weiter Blick über die Stadt und die Ostsee. Eines der gesündesten EU-Länder mit wenig Staatsschulden und hoher Internet-Verfügbarkeit. Gelassene Menschen, die nicht gut auf ihre russischen Nachbarn zu sprechen sind. Kein Wunder nach den politischen Ereignissen der letzten 100 Jahre. Sehr interessant war, St. Petersburg nach 25 Jahren wiederzusehen. Damals hiess es noch Leningrad. Die Stadt, die 900 Tage lang der Belagerung durch die Deutschen im II. Weltkrieg widerstand, hätte man nicht umbenennen sollen. Ähnliches gilt für Stalingrad. Bewundernswürdig, die Aufbauleistung der Russen. In St. Petersburg sieht man keine Kriegsschäden mehr. Die historischen Schlösser wurden mit den alten Techniken vorbildlich wieder restauriert. Jetzt sind wir in Russland, nicht mehr im Baltikum! St. Petersburg ist eine russische Stadt. Schon in Tallinn oder Helsinki eine andere Sprache und die andere Kultur sieht und spürt man in St. Petersburg auf Schritt und Tritt. Free Internet ist überall in den Hotels verfügbar, allerdings in unterschiedlicher Qualität. Am besten war es in Tallinn. Estland setzt voll auf die digitalen Medien. Mein kleines DAB-Radio schwieg eisern auf der ganzen Reise. Erst vor Berlin, bei Fehrbellin, meldete es sich zurück. DAB ist wohl heute noch nur in Deutschland (und nur in Berlin?!) verfügbar. Nein, auch in der Schweiz und in Österreicht. Sogar auch in Gommern! Nach St. Petersburg eine lange Fahrt über grünes, flaches Land mit vielen Seen: Über Finnland, Schweden und Dänemark zurück nach Deutschland. Zwei Fähren (Helsinki und Gedser) und viele Stunden im Bus. Nur ein Busfahrer hat diese Tour bewältigt. Jewgeni war Fahrer, Kaffeekocher, Würstchenservierer und Reiseführer in Personalunion. Ich hoffe, die Firma HolidayReisen weiss, was sie an diesem Busfahrer hat und bezahlt ihn seiner Leistung entsprechend! Jewgeni ist Russe und konnte deshalb auch die Grenzübergänge spielend bewältigen. Aber nur einem Fahrer wird auf so eine Tour zu viel abverlangt. Am letzten Tag, Ljungby - Berlin, war er beispielsweise von 7 bis 22 Uhr auf Achse. Er ackert an der Leistungsgrenze und das auf Kosten der Sicherheit. Eine schöne Tour mit sehr interessanten Städten, für die man gerne mehr Zeit gehabt hätte. Bilderbuchwetter und viele schöne Bilder von einer weiten Landschaft, von Städten, Meer und von ganz unterschiedlichen Menschen. Danke Jewgeni!
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Heute noch einmal volles Programm bei Bilderbuchwetter: Das Schloss Peterhof und die Wasserspiele im unteren Garten, der bis an die Ostsee reicht. Danach der Katharinenpalast mit Bernsteinzimmer und Gartenanlage. Grosse Hochachtung vor den Russen, die diese beiden, im II. Weltkrieg durch die Deutschen schwer zerstörten, Schlossanlagen sukzessive und mit den alten Techniken innen und aussen rekonstruiert haben. Ein grosser Teil der Einrichtung ist verloren gegangen, aber die meisten Gemälde, Porzellan und Uhren konnten gerettet werden.
Ganz im Gegensatz zum zukünftigen Berliner Stadtschloss, wo man natürlich die Kosten einer solchen Rekonstruktion scheut. In der Mitte von Berlin wird eine Attrappe platziert und dann wird nach einer Funktion für dieses Machwerk gesucht. Hier dagegen war man konsequent: Keine halben Sachen! Auch wenn es Unsummen kostet und auch nach fast 60 Jahren noch nicht alles wiederhergestellt ist. Respect!
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Frühstück mit 1.200 anderen Hotelgästen in der "Bahnhofsvorhalle". Um 9 Uhr beginnt die Stadtrundfahrt mit Tanja, unserer zierlichen Stadtführerin mit der hervorragenden Stimme, die man auch noch in der dritten Reihe versteht. Sicht auf die Festung Peter & Paul. Halt am Panzerkreuzer Aurora, der nur noch ein Wrack ist. Aussteigen am Smolny, einem Kloster - Den Ostdeutschen viel eher als die Residenz von Lenin bekannt. Spaziergang zur Blutskirche und dann 1 1/2 Stunden freie Zeit: Gelegenheit für Kaffee & Kuchen im Mocco Cafe, Newski Prospekt 29 (Wunderbar, 500 Rubel - Umtauschkurs: 1 € = 42,1 Rubel).
Dann Ankunft vor dem berühmten Winterpalais. Der Sturm auf das Winterpalais ... Heute frisch renovierte Touristenattraktion. 1 1/2 Stunden für die riesigen Sammlungen der Eremitage. Jeder bekommt einen Ohrstöpsel und Tanja führt uns mit Mikrofon schnellen Schrittes durch das Gedränge. Geschickter geht es nicht. Nur so bekommt man in der kurzen Zeit einen Eindruck von dem riesigen Gebäude und seinen Schätzen. Dann eine "einmalige Gelegenheit" Bootsfahrt auf der Newa (25 Euro). Entspannung in der Abendsonne. Nach dem Abendbrot eine Folklore-Veranstaltung - Russische Seele, Kaviar & Sekt inclusive (60 Euro). Aber inzwischen spricht natürlich auch die russische Seele English. Eine italienische Reisegruppe macht sich über das Buffet her, als hätten sie drei Tage nichts gegessen. Um 23 Uhr wieder im Hotel. Spokoinoi Notsch!
Internet schwach und nur mit guten Nerven nach Mitternacht nutzbar ...
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Heute hat uns die Zeitverschiebung einen Streich gespielt. Der Wecker klingelt eine Stunde zu spät und wir müssen auf das letzte Frühstück im Hotel St. Barbara verzichten. Kein wirkliches Problem. Abfahrt um 7 Uhr in Richtung Osten und gegen 11 Uhr zwei Stunden Warten an der russischen Grenze in Narva. Unser Visum für Russland hat HolidayReisen besorgt. Privat ein Visum für Russland zu bekommen, ist sehr kompliziert. Jewgeni erklärt, warum das so kompliziert ist: "Weil Deutschland nicht will Russland in die EU aufnehmen!" Logisch.
Nachdem die Grenze passiert ist, fahren wir von 13 bis 17 Uhr durch die Weiten Russlands und landen auf dem Newski Prospekt in St. Petersburg, begrüsst von Lenin in der Pose des Siegers. Gegen 17:30 Uhr checken wir im Hotel Moskwa, St. Petersburg, ein. Eine Riesenmaschine an der Newa, 770 Zimmer. Der Saal, in dem wir unser Abendbrot einnehmen, erinnert an eine grosse Bahnhofsvorhalle: Laut, schlecht beleuchtet, aber viel und gut zu Essen am Buffet. Um 20 Uhr Russische Folklore. Danach noch ein Spaziergang in der Nähe des Hotels und auf dem Gelände des Alexander Newski Klosters.
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Nach der Stadtrundfahrt in Riga fahren wir nach Tallinn. Gegen 14 Uhr eine Pinkelpause bei Vitrupe an der Ostsee (ohne Toiletten ...). Das erste und einzige Mal kommen wir mit der Bernsteinküste in Berührung, an der ich so gerne lange Spaziergänge gemacht hätte. Nach weiteren 3 1/2 Stunden im Bus sind wir in einem Vorort von Tallinn. Jewgeni offeriert uns ein Bonbon und einen halbstündigen Spaziergang im Kadriorg Park. Zu wenig Zeit für diesen grossen Park und das Schloss ist geschlossen: Rekonstruktion.
In Tallinn beziehen wir unsere Zimmer im Hotel St. Barbara und nach dem Abendbrot im Bierkeller (Baieri Kelder) folgt ein erster Spaziergang in die Altstadt von Tallinn. So eine quirlige, lebendige Stadt! Es ist nach 21 Uhr und auf dem grossen Marktplatz ist man gerade dabei, langsam die Marktstände abzubauen. Von der Oberstadt ein herrlicher Blick über die Altstadt bis hin zu den neuen Stadtteilen. Auf der anderen Seite des Burgberges Sicht in den späten Sonnenuntergang und bis hinüber zur Ostsee. Hier sieht und spürt man, was unter den "Weissen Nächten" im Norden zu verstehen ist: Ein ganz spezielles Licht.
Am Sonntagvormittag dann ein Stadtrundgang mit Führung und danach das erste Mal den Nachmittag ohne Programm. Der Stadtbummel durch die lebendigen Gassen, immer vorbei an der noch sehr gut erhaltenen Stadtmauer mit mehr als 20 runden Wachtürmen, endet in einem Hinterhof mit Kaffee und Kuchen. Tallinn, die Hauptstadt von Estland, ist eine alte Hansestadt. Sie besitzt die schönste Altstadt der baltischen Städte, die wir sehen. Mittelalterliche Kirchen und Häuser, eine Ober- und eine Unterstadt, so viele Geschäfte, Gaststätten, Winkel und Hinterhöfe! Und alles voller friedlicher Menschen.
In der Nähe der Fernstrasse A12, die von Tallinn nach Riga führt, liegt Šiauliai (Schaulen) mit dem Berg der Kreuze. Ein katholischer Wallfahrtsort mit einer komplizierten Historie. Wir geraten in einen fürchterlichen Gewitterguss und einige Reiseteilnehmer (wir sind 32) werden bis auf die Haut durchnässt. Gott will es so.
Nachdem wir in Riga, Hauptstadt von Lettland, im Maritim Park Hotel unser Quartier bezogen hatten, geraten wir wieder in einen mächtigen Gewitterguss und kommen nicht weiter als bis zur Brücke über die Daugava (Düna). Am nächsten Morgen scheint die Sonne vom blauen Himmel. Die Stadtrundfahrt findet ohne Gewitterregen statt. Ein Stadtführer mit einer Stimme, die leicht einen Hörsaal füllt (er kommt von der Universität), zeigt uns die Jugendstilhäuser von Riga. Auffällig ist dabei, dass hier in Riga der Jugendstil nur Dekoration für die Fassaden gewesen ist. Die Architekten haben sich für die hintere Fassade und die Gestaltung der Wohnungen kaum interessiert, ganz im Gegensatz beispielsweise zu Barcelona. Die Häuser waren früher reine Mietwohnungen. Heute sucht man nach Investoren die bereit sind, die Häuser denkmalgerecht zu restaurieren. Viele restaurierte Fassaden sind bereits zu sehen, aber es ist auch noch viel zu tun.
Lange hält sich der Stadtführer vor der Russischen Botschaft auf. Er ist nicht gut auf die Russen zu sprechen. Es gibt noch Russen in Lettland, aber sie sind nur Staatsbürger zweiter Klasse, sie dürfen beispielsweise nicht wählen. Erstaunlich, aber die Einstellung erklärt sich durch die Historie. Auf der anderen Seite: Ist Lettland ohne gute Beziehungen zu Russland überhaupt lebensfähig? Wo kommt beispielsweise die Energie her ...?
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Vilnius ist die Hauptstadt von Litauen. Nachdem wir im Hotel Karolina Quartier bezogen haben, beginnt um 16 Uhr die Stadtführung. Eine mächtige, klassizistische Kathedrale mit einem daneben stehenden Glockenturm beeindruckt. Auf einem Hügel die Obere Burg aus der Zeit der Ritterorden. Vilnius galt seit seiner Gründung als eine der liberalsten Städte Europas, die im Lauf ihrer Geschichte u.a. den verfolgten Juden aus Mitteleuropa und Russland Schutz bot. Als „Jerusalem des Nordens” wurde Vilnius zum Zentrum der jüdischen Kultur. Infolge des zweiten Weltkrieges verlor die Stadt die Mehrheit ihrer Bewohner (Polen wurden vertrieben und Juden im Holocaust ermordet) und wurde danach von Litauern und Russen praktisch neu besiedelt. (Zitat https://de.wikipedia.org ...).
Heute ist Vilnius eine moderne Grosstadt mit breiten Strassen, Brücken über die Neris und einem Fernsehturm über der Stadt. Die Altstadt ist klein und verwinkelt, man kann sie gut zu Fuss durchwandern. Auffällig sind Kirchen und Gebäude im klassizistischen Stil des 18. und 19. Jahrhunderts. Das erste Mal werden wir hier mit Bernstein konfrontiert: Im AMBER MUSEUM - GALLERY lernt man echten von gefälschtem Bernstein zu unterscheiden. Wunderbare Stücke sind zu besichtigen und natürlich kann man hier auch Bernstein kaufen. Litauen hat gegenwärtig den Vorsitz der EU inne. Die Präsidentin Litauens Dalia Grybauskaitė ist eine hoch angesehene Politikerin.
Das ungeschützte Free Internet funktioniert nicht auf dem Zimmer des Hotels, aber an der Bar neben der Rezeption. Sehr langsam, aber immerhin ...
Nach 700 Kilometern im Bus sind wir in Olcztyn gelandet. Ein gutes Abendessen im Hotel Warminski. Dann ist es 20 Uhr, noch gut 1 1/2 Stunden Zeit bis zum Sonnenuntergang. Ein Spaziergang in die Altstadt. An ihr führt die breite Einkaufsstrasse vorbei, die auch bei Motorradfahrer beliebt ist, die am Abend mit heulenden Motoren auffallen wollen. Am Backsteintor eine Baustelle, dahinter die Altstadt. Kratzputz-Fassaden der ersten, nach dem Krieg aufgebauten Häuser, mit sozialistischen Motiven. Typisch für die ersten zehn Nachkriegsjahre. Deutliche Spuren der deutschen Vergangenheit vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Im Jahr 1520 verlegte der Arzt Nikolaus Kopernikus seine Residenz von Frauenburg (Frombork) nach Allenstein und verteidigte die Stadt gegen die Ordensritter. Ein Denkmal dankt ihm dafür. Friedliche Menschen, viele Kneipen in der Altstadt. Gut besucht an diesem Mittwoch.
... aber mit Notebook und Internet-Access - Hoffentlich!