BACK

Service und Geschäfte am Nenana River

Direkt am George Parks Highway liegt Denali Park, der Versorgungsstützpunkt für den Denali National Park. Hier landen alle Touristen, meistens mit Bussen, und hier beginnt die Strasse zum Wonder Lake. Als ich das Schild RV-Park sah, war für mich heute die Reise erst mal zuende. Heute lege ich einen Ruhetag ein und amüsiere mich über Amerika, das Land der unbegrenzten Geschäfte und des perfekten Service.

Grosse Schilder verweisen auf den Rainbow Village RV-Park, aber das Office ist geschlossen. Man darf sich selber registrieren, 23 Dollar pro Tag in den Umschlag stecken und sich einen Stellplatz auf einer mit Schotter begradigten Fläche suchen. Die Steckdose funktioniert, aber sonst funktioniert nichts: Die Hütte mit Shower und Toiletten ist zu, aus der einzigen Wasserleitung kommt braunes Wasser. Ich treffe ein paar Stunden später den viel beschäftigten Chef des RV-Parks und frage, wie ich zu einer Dusche komme. 'I've a little Water Problem ...' Aber man darf die Toilette in der benachbarten Tankstelle benutzen. Dort kann man auch Freshwater kaufen. 'Shower … Sorry, I don’t know how …!' Der RV-Park mit dem schlechtesten Service in ganz Alaska und einem absolut unfairen Preis. Als ich dem Mann das sage, zuckt er mit den Schultern und geht seiner Wege. Es ist ja mein Problem, dass ich hier 23 Dollar in einen Umschlag gesteckt habe. Niemand zwingt mich dazu.

Vor dem RV-Park steht eine Reihe von Holzhütten. Bei einer steht 'GIFTS' auf dem Dach, so gross wie das Dach ist. Da gehe ich rein, weil ich meinen letzten 50 Dollar Schein wechseln muss. Endlich sehe ich hier den Thermosbecher, der vorne in mein Auto passt. Ohne Thermosbecher geht nichts in Amerika. 1.99 $ ist angemessen. Ich gehe damit zur Kasse, dort soll er aber 3.99 $ kosten. Auf allen Bechern lag ein grosses Schild mit 1.99 $, die Becher sind aber auf dem Boden mit 3.99 $ ausgezeichnet. Ich reklamiere: Nein 3,99 $ ist i.o. Damit gebe ich mich nicht zufrieden.

Ich schleppe den Verkäufer zu den vielen Bechern und frage ihn unter Hinweis auf das riesige Schild, welcher der vielen Becher 1,99 $ kostet? Die Frage kann er nicht beantworten. Viele der Becher sind am Boden gar nicht ausgezeichnet. 'Das ist gut', sage ich, 'den hier nehme ich, denn den gibt es umsonst ...!' Ich bekomme meinen Becher für 1.99 $. Aber wer von der ganzen Busladung wird reklamieren, wenn man hier höchstens 15 Minuten für Shopping hat?!

In einer der Holzbuden, in denen es ausschliesslich nur Gifts, handmade in Alaska gibt, sitzt der Artist Tok Hwang. An den Wänden hängen Bilder in Öl und Reprints. Die Gemälde sind in dem Stil der Bilder gemalt, die um 1920 (und früher) in der guten Stube des deutschen Kleinbürgers hingen: Röhrende Hirsche im deutschen Eichenwald. Hier sind es Bären, Füchse, Schafe und Adler in der winterlichen Berglandschaft Alaskas. Es ist das, was wir in Europa als beispielhaften Kitsch bezeichnen würden.

 

'In diesem Stil hat man in Europa vor 100 Jahren gemalt.' Er lächelt süsssauer, denn natürlich kennt er diese Bilder. Ein solches Ölbild kostet bei ihm 2.000 bis 4.000 Dollar. 'Tok's limited Edition Prints' sind schon für 150 Dollar zu haben und es ist unklar, auf wieviel Stück die Auflage limitiert ist. Auch die blumige und nichtssagende Sprache der Kunst hat Tok übernommen: 'Die 'Tok-Technik' vereint zwei Bilder in einem und gibt damit diesem Werk eine traumhafte Qualität'. Seine Spezialität ist, dass im Himmel der Landschaft z.B. ein Gesicht erscheint ... Traumhaft schön.

Aber ich bin sicher, das genau ist der amerikanische Geschmack und viele Americans werden sich so ein Bild aus Alaska in ihre Wohnstube oder in ihr luxuriöses Wohnmobil hängen. Davon kann Tok gut leben.

Bei einem Spaziergang sehe ich mir die Gebäude an, die hier hoch oben über der Schlucht des Nenana River mit äusserster Fahrlässigkeit auf eine eiszeitliche Schutthalde gebaut worden sind. Gegenüber die Princess Lodge. Sie sieht von aussen fabelhaft, neu und solide aus. Im Hintergrund fotografiere ich die Wasseranlage: Dieses schlimme Provisorium würde die Staatliche Bauaufsicht in Deutschland nicht einmal für die Baustellenversorgung genehmigen. Schliesslich geht es um Trinkwasser. Ich bin sicher, hier wird es in fünf Jahren noch genau so aussehen. Es funktioniert doch, warum also soll man mehr investieren? Das ist hier die Grundeinstellung.

Bei meinem Rundgang habe ich ein Internet Cafe entdeckt. 10,5 Dollar kostet dort die Stunde Internet (beim gegenwärtigen Wechselkurs fast 25 DM!). Bei Kaffee und Kuchen (7 Dollar) warte ich fast eine Stunde, denn eine feste Zeit kann man hier nicht buchen. Amerika, das Land mit dem perfekten Service. Im auf 'Wohnzimmer' gestylten Internet Room komme ich auf dem Sofa mit einem vielleicht 28-jährigen Mädchen ins Gespräch. Sie war mal in Deutschland, liebt Bayern und will unbedingt nach Old Germany zurück, spricht aber kein Wort Deutsch. Hier jobbt sie in der Princess Lodge, 500 Dollar die Woche und täglich 100 Dollar Umsatzprovision. Warum soll man sich da um eine Ausbildung oder gar um einen akademischen Titel bemühen? Und in Deutschland ist alles sooo billig !! 'Do you also have internet in Germany?’

Jürgen Albrecht, Denali Park, Rainbow Village RV-Park, 29. Mai 2001

BACK