BACK

Juneau - die Hauptstadt von Alaska 1/3

Von der gestrigen Fahrt von Skagway nach Juneau habe ich nicht viel gehabt. Es war das gleiche Schiff, mit dem ich von Valdez nach Seward gefahren bin, also habe ich gleich die Bank in der Front Lounge wieder gefunden, auf der man so gut schlafen kann. Ich war müde, draussen war es dunkel und der Himmel war bedeckt. Die Sicht war gut, aber in einer Höhe von 200 Metern hingen dichte Wolken.

Der Mendenhall Gletscher
Was mache ich heute und morgen in Juneau? Bei der Einfahrt in den Hafen schon sah man den Mendenhall Glacier blauweiss durch die Wolken blinken. Als Gletscherfreak fahre ich natürlich sofort zu diesem Gletscher, der mit dem Auto vom Ferry Terminal in 20 Minuten zu erreichen ist. Jetzt stehe ich auf dem Parkplatz des Visitor Centers und habe vom meinem Computer aus eine direkte Sicht auf die riesige Abbruchkante des Gletschers. Die Gletscherzunge ist mindestens 2 Kilometer breit und man sieht eine geborstene Eisbarriere, die in drei Kaskaden bis in den Gletschersee fliesst.

Am beeindruckendsten ist die Farbe, die sehr stark vom Licht abhängig ist. Aber auch wenn keine Sonne scheint: Die ganze Eisfront schimmert blau. Das ist auf die spezielle Struktur von Gletschereis zurück zu führen. Es absorbiert das ganze Lichtspektrum, ausser Blau. Dieses Blau kontrastiert mit dem weissen Himmel und den dunklen Bergen, die den Gletscher einschliessen. Davor der Spiegel des Gletschersees. Gletscher sind einfach faszinierend. Leider scheint die Sonne nicht.

Im Visitor Center sehe ich mir einen Film und die Ausstellungen an. An einem dreidimensionalen Modell kann man sehr gut das 180 km lange und 120 km breite Juneau Icefield sehen. Die Hälfte aller Gletscher Alaskas fliessen von diesem riesigen Eisfeld ab. Mit diesem Modell kann man sich problemlos vorstellen, dass das Eis vor gar nicht langer Zeit mal bis zu 1.000 Metern dicker gewesen ist. Das Eisfeld hat in dieser Zeit genau so ausgesehen wie heute, nur die aus dem Eisfeld ragenden Bergspitzen waren kleiner oder ganz verschwunden und durch jedes Tal sind riesige Gletscher vom Juneau Icefeld abgeflossen.

Vor 3.000 Jahren gab es in Alaska eine 'Kleine Eiszeit'. Sie wird auf spezielle klimatische Bedingungen zurückgeführt die auch dafür verantwortlich sind, dass sich die Gletscher Alaskas nicht in dem Masse zurückziehen, wie das weltweit zu beobachten ist. Auch hier gehen die Gletscher zurück, aber nur 10 bis 15 Meter jährlich. Diese Werte liegen fast an der Grenze der Messgenauigkeit. Aber der Mendenhall Gletscher ist heute deutlich kleiner, als ihn die ersten Explorer vor 250 Jahren gesehen haben. Da reichte er noch bis dort hin, wo jetzt das Visitor Center steht. Deutliche Schrammspuren an den Felsen, auf denen das Visitor Center steht, weisen darauf hin.

Jetzt beträgt die Entfernung bis zur Abbruchkante rund 800 Meter. Das Eis an der Kante ist mindestens 150 Jahre alt. Der Gletscherfluss hat eine Länge von knapp 20 Kilometern, die Zunge ist unten am Gletschersee 30 Meter hoch und zwei Kilometer (!!) breit. Der Mendenhall Lake ist bis zu 60 Meter tief.

 

Täglich schiebt sich der Gletscher im Durchschnitt um 60 Zentimeter vor und produziert damit eine beeindruckende Eismenge: Zwei Kilometer x 30 Meter x 60 Zentimeter. Eisberge schwimmen auf dem See, allerdings nicht so viele, wie am Portage Glacier.

Am meisten fasziniert mich ausser den Bildern des Gletschers die Stabilität dieses Produktionssystems, das aus Schnee Eis produziert. Das Eis fliesst zu Tal und hobelt dabei Granitberge ab. Eis wird zu Wasser und transportiert Staub, Sand und Schotter ins Meer. Und dieses System funktioniert seit Millionen von Jahren mit der Präzision eines Uhrwerks. Das tägliche Produktionsvolumen kann man exakt messen. Nichts hält diese Klima-Maschine auf. Sie wird ausschliesslich von den Niederschlägen und der Temperatur gesteuert. Bei der nächsten Eiszeit, die so wahrscheinlich ist, wie die vielen Eiszeiten der Vergangenheit, werden solche Städte wie Juneau, Anchorage, New York, Oslo und Hamburg einfach ins Meer geschoben.

Ich laufe vor bis zu dem grossen Wasserfall des Nugget Creek. Näher kann man an den Gletscher nicht heran. Hier ist es diesig, weil der Wasserfall einen leichten Regen erzeugt. Unendlich viele runde Granitmurmeln liegen hier in jeder Grösse, Lupinen blühen und die Vegetation ist unverkennbar ein kalter Regenwald: Sehr viele Flechten und Moose, niedrige Bäume, voller Moos aber eine bodenbedeckende Vegetation, weil es ganzjährig so viel Wasser gibt. Schon ein paar Kilometer weg vom Gletscher ist die Temperatur deutlich höher, aber die Wassermenge ist ähnlich: Ein völlig anderer Wald wächst hier, im Gegensatz zu dem auf dem White Pass: Viele hohe und sehr dicke Bäume, auch alle bemoost. Hier ist es deutlich wärmer als auf dem White Pass in 1.000 Metern Höhe.

Im Visitor Center erkundige ich mich nach einem Trail an die Flanke des Gletschers. So einen Weg gibt es nicht, sagt man mir. Auch der West Glacier Trail führt nicht an das Eis heran. Wenn ich hier wohnen würde, gäbe es bald einen Trail, über den man an die Flanke des Gletschers herankommen kann. Mit Sicherheit gibt es solche Wege, aber um die Risiken zu minimieren, erzählt man den Touristen nichts davon. Ich erkundige mich nach den Wegen zum Herbert und zum Eagle Glacier. Herbert ist mit einer Wanderung von vier Stunden zu erreichen, beim Eagle Glacier ist es weit mehr als das doppelte, eine richtige Tagestour.

Nächste Seite

BACK