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Eine Nacht voller Licht und Farbe 1/4


0:24 Uhr

Das war und ist eines der stärksten Erlebnisse dieser Alaska Tour. Ich werde grosse Schwierigkeiten haben, meine Gefühle der letzten 12 Stunden zu beschreiben. Die Fakten sind schnell erzählt: Spontan habe ich mich heute dazu entschlossen, von Fairbanks nicht direkt auf dem Alaska Highway nach Whitehorse zu fahren. Kurz nach Tok biege ich links ab und fahre auf dem Taylor Highway in Richtung Chicken. Ich will nach Dawson City und erst von dort aus nach Whitehorse. Auf diesem Weg kreuze ich den Yukon und sehe, wie es 400 Kilometer nördlich von Whitehorse im Yukon Territory aussieht. Grund genug, diesen Abstecher zu machen.

Heute fahre ich nur die ersten zwanzig Kilometer auf dem Taylor Highway, dann ist Abendbrotzeit. Gegen 22:30 Uhr ist alles erledigt und ich gehe ich ins Bett, obwohl die Sonne noch über die bewaldeten Hügel scheint. Die Weissen Nächte im Norden Alaskas. Ich kann nicht einschlafen, weil die Mückenstiche am rechten Knöchel so schrecklich jucken. Es gibt schon jetzt entsetzlich viele Mücken in Alaska. Immer wenn ich heute zum Fotografieren ausgestiegen bin, war ich von Mücken umgeben. Einstiche in Händen und Augenbraue. Aber wenn man die Stiche nicht (wie am Knöchel) aufkratzt, wird es nicht so schlimm. Man muss sich ganz einfach beherrschen. Ganz einfach ...!

Nachtfahrt im Zwielicht
Nach einer halben Stunde kommt mir die Idee, einfach wieder aufzustehen und noch eine Stunde zu fahren. Dabei werde ich schon müde werden! Die Idee ist gut, ich bin (fast) so frei wie ein Vogel, warum nicht jetzt noch mal eine Stunde fahren? Dabei kann man ja hervorragend den so endlos langen Sonnenuntergang bewundern! Ich ziehe mich an.

 

Fast genau um 23 Uhr starte ich wieder neu: Auf dem Taylor Highway in Richtung Chicken. Gegen ein Uhr bin ich hinter Chicken an der Kreuzung dreier Strassen. Noch 9 Meilen bis zur Canadischen Grenze. Hier muss man sich entscheiden, ob man nach Eagle, nach Dawson oder wieder zurück nach Tok fahren will. Ich fahre noch ein Stück in Richtung Eagle, denn da geht es noch ein paar Meter bergauf. Dann aber steht man auf einem flachen Gipfel: 360 Grad Rundumsicht und fast überall weisse Berge am Horizont. Hier oben übernachte ich.

Spätestens 20 Kilometer nach dem Abzweig vom Alaska Highway ist der Taylor Highway eine klassische Gravelroad, eine Schotterstrasse, wie ich sie aus Australia kenne: Mit dem Grader planiert, teilweise wird dabei der felsige Untergrund angeschnitten. An diesen Stellen holpert es. Es gibt Sandlöcher, die man hier 'Dips' oder 'Spots' nennt. Die Strasse ist schmal, kurvenreich, sie folgt dem teilweise steilen und hügeligen Gelände. Die Strasse führt selten durch Wald, oft über weite Flächen, und je höher man kommt, desto mehr fährt man durch arktische Tundra.

Es scheint in Alaska keine wesentliche Forstwirtschaft zu geben, das Holz ist zu dünn, es wächst zu langsam. Es liegt noch relativ viel Schnee an der Strasse. An den Berghängen geht es ohne Leitplanken zwei bis dreihundert Meter steil nach unten. Fahrfehler werden hier mit dem Leben bezahlt. Aber die Strasse ist sehr gut in Ordnung, da bin ich in Australia schon viel schlimmere Pisten gefahren. Niemand kommt mir in dieser Nacht entgegen, kein Mensch ist um diese Zeit unterwegs. Auch keine Tiere, ausser grossen Mückenschwärmen und einem Skunks. Er sitzt mitten auf der Strasse, trollt sich aber schnell ins Unterholz, als sich mein Auto nähert.

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23:37 Uhr