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Unterwegs mit dem fliegenden Postboten Seite 2/5

Eine Tür im Drahtzaun öffnet sich, wir werden zum Einstieg in das Flugzeug gebeten, es steht hier direkt vor dem Schuppen. Der Busfahrer ist jetzt die Stewardess und auch der Mann mit dem Starterkabel. Er weist die Plätze zu und rechts neben mir sitzt der Lord. Ich steige nach ihm ein und mit dem Hello frage ich ihn, warum er nicht auf dem zweiten Pilotensitz Platz genommen hat? Das Eis ist mit diesem kleinen Scherz gebrochen und er stellt sich vor, wie das hier so üblich ist: 'Hey, ich heisse Keith, wie ist Dein Vorname?' Sofort sind wir für die nächste Stunde in ein intensives Gespräch vertieft, bei dem ich kaum mitbekomme, durch welche schöne Landschaft wir fliegen. Wir überfliegen die MacDonnell Ranges und links auf meiner Seite kommen die vielen Layer an die Oberfläche. Leider fliegen wir zu weit nördlich, so kann man die auffällige Glen Helen Gorge nicht sehen.

Der Lord ist in Liverpool geboren und seit 25 Jahren English Lehrer in Australien. Er spricht ein hervorragendes English, dass ich sogar bei den ziemlich lauten Motorgeräuschen gut verstehen kann. Es stellt sich heraus, dass er den erwachsenen Aboriginal Männern English Unterricht erteilt. Die Frauen werden von einer Frau unterrichtet. Dazu gibt es Workshops in Alice Springs, auch mal ein paar Lektionen in den Aboriginal Communitys. In den nächsten Tagen macht er Tests um zu kontrollieren, wie die 'Students' ihre Hausarbeiten erledigt haben und um die auszuwählen, die in ein paar Wochen zu einem Workshop nach Alice Springs fliegen werden. Natürlich auf Staatskosten.

Ausserdem ist er auch PC Lehrer und will den Aboriginals ins Internet helfen. Da sind wir ja fast Kollegen und genau beim richtigen Thema! Er klagt mir sein Leid mit den elenden, alten Macintosh Rechnern. Der Mac ist in Australien an den Schulen weit verbreitet, weil er ja so einfach zu bedienen ist ...! Inzwischen hat auch Keith mitbekommen, dass das die blanke Lüge ist, dass seine Mac Rechner alt und langsam sind und dass es sehr teuer ist, sie aufzurüsten oder durch neue zu ersetzen.
Er erzählt mir auch viel vom Elend in den Aboriginal Communitys und wie diese Communitys organisiert sind. Er hat eine sehr realistische, kritische Sicht auf die Dinge. Durch ihn erfahre ich in zwei Stunden mehr, als ich in drei Tagen durch das Lesen von Büchern herausbekommen hätte. Als er in Kintone aussteigt, sind wir für den kommenden Freitag im Rotary Club von Alice Springs verabredet, wo ich einen kleinen Vortrag über das Internet halten werde. Am Montag wird er mir dann seine Mac Rechner zeigen.

Vor Kintone sind wir schon dreimal gelandet und wieder gestartet: Papunya, Mount Liebig und Nyirripi. Überall das gleiche Verfahren: Der Pilot überfliegt die Siedlung, die aus 20 bis 30 Typenhäusern besteht. Dadurch wird den Leuten signalisiert: Das Postflugzeug ist da. Alle, die das interessiert, steigen in die Autos und fahren zum Flugplatz, der sich etwas ausserhalb der Siedlung befindet. Flugplatz ist sehr geschmeichelt. Es ist eine gut präparierte Bushpiste. Airstrip ist das richtige Wort dafür.

 

Der Strip wurde planiert und markiert, das muss reichen. Der Pilot setzt die Maschine mit 160 km/h auf diese Piste und man kann nur der Technik und den Reifen vertrauen, dass sie das nicht nur einmal aushalten. Als Empfangshalle dient eine neben der Landebahn planierte Fläche. Die minimale Ausrüstung besteht aus einem niedrigen Drahtzaun mit einem Tor. Der Postmeister, der auch gleichzeitig der Manager oder der Arzt der Community ist, steht am Tor und macht es erst auf, wenn der Motor des Flugzeugs abgestellt ist. Damit wird gesichert, dass die Kinder nicht vor Begeisterung in den Propeller rennen. Das sind die einzigen Sicherheitsvorkehrungen, die ich auf diesem Flug beobachte. Nein, stimmt nicht, der Pilot selber kontrolliert, ob alle schwarzen Passagiere angeschnallt sind und wenn es sein muss, bindet er sie auch persönlich noch fest.

In Kintone wird das Flugzeug mit 750 Litern Kerosin betankt. Ein grosser, mit Stacheldraht umzäunter Tank, steht neben der Piste. Hier gibt es bei dieser Gelegenheit auch die einzige Pause des Tages: Der Pilot informiert mich, dass ich aussteigen kann. Keith wird abgeholt und wir verabschieden uns bis Freitag. Postsäcke, Päckchen, Pakete, Bananenkisten und mit Vorhängeschlössern versehene Blechkisten werden aus- und eingeladen. Rosa steigt aus und in einen 4WD um. Und während alle beschäftigt sind, gehe ich auf die Toilette, die hinter dem Drahtzaun steht. Gut, dass ich schon hinter dem Baikal auf der Toilette war, schlimmer ist die hier auch nicht.

Neben der Toilette sitzt ein Trupp halbwüchsiger Knaben auf der Erde unter einem Sonnenschutz, daneben steht ein Schrottauto. Sie spielen Karten, beachten mich nicht. Ein paar Minuten später springen sie alle auf und zehn bis zwölf, kaum mit einer Hose angezogene Jungen, steigen über die vordere und hintere, Gott sei Dank nicht mehr vorhandenen, Windschutzscheiben in das Schrottauto ein. Die Türen lassen sich offensichtlich nicht mehr bewegen, dafür ist auf der Motorhaube und der Kofferklappe noch genug Platz. Voll besetzt schleppt sich dieses Auto, dem ich keinen Meter mehr zugetraut hätte, zurück in die Aboriginal Community Kintone.

Auch der Pilot begibt sich korrekt gekleidet auf diese Toilette: Basecap, helles Uniformhemd, dunkle, lange Hose (Gürtel muss sein) und blank geputzte Schuhe. Ein paar Minuten später hebt die Maschine wieder von der Bushpiste ab.

Wir fliegen zum Docker River. Diese Aboriginal Community befindet sich in der schönsten Landschaft der ganzen Tour. Hier befinden sich die Petermann Ranges mit ein paar über 1000 Meter hohen Bergen. Man könnte fast sagen, eine malerische Landschaft: Durch ein mit vielen Bäumen bewachsenes, flaches Tal schlängelt sich kilometerweit ein breites, weisses Flussbett, das deutlich mit anderen Bäumen bewachsen ist, als die Umgebung. Wahrscheinlich sind es Red Gums.

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