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Bei den Aboriginals auf Tiwi Island ... Seite 2/4

Die Community von Nguiu sieht nicht weniger trostlos aus, als alle anderen Aboriginals Communitys, die ich gesehen habe. Sie ist nach dem gleichen Schema gegründet worden und wird auch so geführt, wie alle Aboriginals Communitys in Australia: Die Aboriginals werden ruhig gestellt und von den Weissen in ihrem Reservat bedient. Keine Aboriginals Community ist ohne die Weissen lebensfähig. Wir werden nur zu ausgewählten Stellen in der Community gefahren, möglichst wird der Weg durch die Hauptstrasse vermieden. Aussteigen, um zum Beispiel die Kirche im 'Tiwi Style' anzusehen, ist nicht möglich. Offiziell wird auf entsprechende Fragen gesagt, dass die Aboriginals heute in Einehe leben. Wie die Wirklichkeit aussieht, ist nicht zu erfahren. Sicher ist nur, dass jedes Typenhaus in jeder Community von einem ganzen Clan bewohnt wird. Auch in dieser Community wird nichts produziert, gleichzeitig aber wissen die Aboriginals mit ihrem eigenen Land, das sie umgibt, nichts mehr anzufangen.

Aber Nguiu besitzt teilweise ein anderes Erscheinungsbild. Viele öffentliche Gebäude wurden von aussen grossflächig im 'Tiwi Style' bemalt. Das gibt der ganzen Gemeinde ein sehr freundliches Bild und ist auffällig. Aber es sind eben nur ein paar öffentliche Gebäude: Schule, Werkstätten, Bootsverleih. Die privaten Häuser der Aboriginals hat dieses Design nicht erreicht.
Mit finanziellen Mitteln der Regierung wurde 1994 ein Kunstprojekt gestartet. Offiziell werden unter dem Namen 'Ngaruwanajirri' (Nachbarschaftshilfe) 16 behinderte Aboriginals durch einen künstlerischen Langzeit Workshop gefördert und zu 'Artisten' gemacht. Tatsächlich aber bemüht man sich wohl auf diesem Wege das fortzusetzen, was die katholische Mission schon vor Jahrzehnten angefangen hatte. Mit diesem Programm wurden Werkstatträume geschaffen, Material eingekauft und davon werden auch Weisse 'Trainer' bezahlt, die auf Tiwi Island temporär mit den Eingeborenen arbeiten.

Die grosse Frage ist, was wirklich von den Aboriginals in eigener schöpferischer Arbeit geschaffen wird. Es sieht viel eher so aus, als ob ihnen die Weissen Trainer die Vorlagen liefern, die sie dann ausmalen. Bei quadratischen Karten, die ich hier für 5 $ kaufe, ist das eindeutig so der Fall. Wie die grossflächigen Paintings und die bemalten Holzschnitzereien zustande kommen, ist völlig unklar. Wir sehen heute nicht einen Künstler, der so etwas macht. Es wird auch sehr schöner Stoff im Siebdruck hergestellt. Die Druckformenherstellung ist kompliziert. Ich bin sicher, dass beim Siebdruck die Aboriginals, wenn überhaupt, nur als Hilfskräfte beteiligt sind. Auch diese Siebdruckstrecke ist heute verwaist.

An der Wand hängt ein Plakat: 'Rules of Ngaruwanajirri', das von den Teilnehmern des Programms unterschrieben worden ist. Wenn man sich diese Regeln durchliest bekommt man eine Vorstellung davon, wie schwer es ist, Aboriginals zur Arbeit anzuleiten und dabei Weisse Massstäbe anzulegen. Aus meiner Sicht ist alles, was hier als 'tiwi DESIGN' produziert und vermarktet wird, mindestens von Weissen inspiriert, wenn nicht sogar produziert.

Aber ich will das nicht abschätzig verstanden wissen. Die Weissen, die sich hier als Trainer für ein oder mehrere Jahre verpflichtet haben,

 

leisten eine ganz erstaunliche und für die Aboriginals wirklich wichtige Arbeit: Sie versuchen, eine untergegangene Kultur zu restaurieren. Die heutigen Tiwi Aboriginals haben jede Bindung zu ihrer Kultur in den letzten 100 Jahren dank der Weissen Landnahme und der Missionierung der Katholischen Kirche verloren.

Wir lernen die Trainer für Malerei und für Töpferei/Textil kennen. Sie versuchen aus historischen Quellen festzustellen, was die Inselbewohner vor dem Erscheinen der Weissen gemalt, getöpfert und dekoriert haben. Stoff haben sie weder gehabt noch bemalt, das ist nie Bestandteil ihrer Kultur gewesen, kann also höchsten adaptiert werden. Aber auf alten Fotos und in den Aufzeichnungen früher Forschungsexpeditionen ist zu erkennen, wie sie ihre Taschen aus Baumrinde verziert, die Totem Pfähle dekoriert und sich selber angemalt haben. Weisse entwickeln daraus jetzt ein 'tiwi DESIGN' www.tiwiart.com. Das ist aller Ehren wert, aber es ist weit weg von dem, was hier vor 200 Jahren noch tägliche Realität war.

Am Vormittag wird viel Zeit darauf verwendet, den Touristen die leeren Arbeitsräume und die verwaisten Arbeitsplätze zu zeigen. Es wird in Abwesenheit der Künstler erklärt, was sie wie machen und die Produkte stehen im Verkaufsregal oder einem Verkaufsraum. Möglichst viel davon soll abgesetzt werden. Die Preise sind bis auf die grossflächigen Bilder und grosse, bemalte Holzskulpturen sehr moderat. Wer diese Aboriginal Arts liebt, für den ist Nguiu vielleicht sogar ein Geheimtip! Was mit den Einnahmen gemacht wird, ist unklar. Jedenfalls kann man hier nicht zu dem Künstler in sein Atelier gehen, ihm bei der Arbeit über die Schulter gucken und dann mit ihm ein Geschäft machen. Das Geschäft haben hier ausschliesslich Weisse initiiert und unter Kontrolle.

Zwischen den Besuchen von Verkaufsausstellungen gehen wir in das Museum, das sich auf dem Gelände der Schule befindet. Das Museum ist sehenswert und für die Tiwi Aboriginals der einzige Rettungsanker, um etwas über ihre eigene Geschichte zu erfahren. Hier werden Dreamtime Storys genau so dokumentiert wie Totem Pfähle, Schmuck, Tierplastiken, Waffen, Gebrauchsgegenstände und der Umgang mit den Einbäumen, die natürlich Segel hatten. Auch das gesamte seemännische Wissen der Tiwi Insulaner ist untergegangen. Heute fährt man - wenn überhaupt - mit dem Motorboot zum Fischen. Noch vor 100 Jahren gab es Kontakte über die Timor Sea bis zu den Inseln von Neuguinea! Deswegen haben sich Aboriginals und Torres Strait Islanders seit 1970 zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. Es ist von unschätzbarem Wert, dass sich die Tiwi Aboriginals in diesem Museum über das Leben ihrer Vorfahren informieren können.

Eine Sonderausstellung behandelt die Geschichte der Missionsstation, natürlich aus der Sicht der Missionare. Auch hier ist hoch interessantes, historisches Bildmaterial zu sehen. Ich hoffe es wird die Zeit kommen, wo sich die Katholische Kirche für diese Bilder schämt und entschuldigt. Das werde ich aber mit Sicherheit nicht mehr erleben.

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