Vor 10 Jahren fragte ich einen intellektuellen Araber, warum der Nahe Osten nicht in der Lage ist, seine Wirtschaft und Gesellschaft zu liberalisieren, so wie es die Asiaten getan haben. Er antwortete scharf: 'Sehen Sie sich das an. Sie haben einfach den Westen nachgeäfft. Ihre Städte sind billige Kopien von Houston und Dallas. Das mag für Fischerdörfer in Ordnung sein. Wir aber sind die Erben einer der grössten Zivilisationen der Welt. Wir können nicht zu Slums des Westens werden.' Diese fatale Sicht auf den Westen
ist das Herzstück des arabischen Problems. Es macht wirtschaftlichen
Aufschwung unmöglich und politischen Fortschritt schwierig. Die
Annäherung an den Westen, besonders die Amerikanisierung, sind
verpönt. Die Furcht davor hat die arabische Zivilisation paralysiert.
Es scheint so, als ob die arabische Welt weniger auf die Konfrontation
mit der Globalisierung vorbereitet ist, als Afrika. Trotz grösster
Schwierigkeiten mit AIDS, der Politik und der Wirtschaft hat Afrika
den Willen, sich an die neue, globale Ökonomie anzupassen. Die
arabische Welt hat noch nicht einmal diesen ersten Schritt getan.
Wie konnte eine Region, die noch
vor kurzer Zeit von der Modernisierung träumte, so dramatisch
zurückfallen? Im finsteren Mittelalter studierten die Araber
Aristoteles. Sie waren fasziniert von Napoleons kraftvoller Zivilisation.
Die liberalen Ideen Europas beflügelten auch den Nahen Osten.
In der Kolonialzeit um 1900 wuchs die Hoffnung auf eine Freundschaft
mit England, die enttäuscht wurde. Trotzdem waren die arabischen
Eliten vom Westen fasziniert. Viele studierten in England. Nach dem
ersten Weltkrieg flackerte erneut kurz eine liberale Zeit in Ägypten,
Libanon, Syrien und dem Iraq auf. Aber die Ideen von offener Politik
und freier Gesellschaft starben in dem Masse, wie die Staaten zu Königreichen
und aristokratischen Regimen wurden. Für Amerika erwies sich jede Modernisierung als vorteilhaft, für die arabische Welt brachte sie eine Enttäuschung nach der anderen. Jeder Weg der verfolgt wurde - Sozialismus, Säkularismus, Nationalismus - endete in einer Sackgasse. Während andere Länder aus ihren Fehlern lernen, fahren sich die arabischen Regime auf ihren eingeschlagenen Wegen fest. Modernisierung braucht mehr als starke Männer und Ölmilliarden. Der Import von Cadillacs und McDonald ist einfach. Der Import der Bestandteile einer modernen Gesellschaft - ein freier Markt, politische Parteien, Verantwortlichkeit und Rechtsstaatlichkeit - erweist sich als schwierig und gefährlich. Die Golfstaaten importieren heute noch alles, sogar die Arbeitskräfte. Nichts ist im eigenen Land gewachsen. Die Herrscher offerieren ihrem Volk einen Handel an Stelle von Politik: Wir bestechen Euch mit Reichtum und dafür tastet Ihr unsere Macht nicht an. Das Zeitalter der Globalisierung
hat die arabische Welt auf sehr befremdliche Weise getroffen. Ihre
Gesellschaft ist offen genug, dass die Moderne eindringen konnte,
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aber sie ist nicht so offen, dass sie selbst auf dieser Welle reiten kann. Man sieht die Shows im Fernsehen, Fast Food und die sprudelnden Drinks, aber man nimmt die echte Liberalisierung in der Gesellschaft nicht wahr, die grössere Offenheit und die breiteren Möglichkeiten. Die Globalisierung in der arabischen Welt ist eine Karikatur der Globalisierung. Für die Reichen und die Herrschenden gibt es mehr zu kaufen. Das Volk kann die Globalisierung zwar wahrnehmen, aber es hat nichts davon. Amerika steht im Zentrum dieser
Welt der Globalisierung. Amerika scheint unaufhaltsam zu sein. Wenn
man die Grenzen schliesst, kommt Amerika mit der Post ins Land. Wenn
man die Post zensiert, kommt es über Fast Food und in verwaschenen
Jeans daher. Wenn man die Produkte verbietet, sickern sie durch das
Satelliten Fernsehen ein. Wir Amerikaner sind so erfolgreich mit dem
globalen Kapitalismus und der Konsumkultur, dass wir es selber kaum
begreifen können, wie revolutionär diese Dinge wirken. Orientierungslose junge Männer,
mit einem Fuss in der alten Welt und mit dem anderen in der neuen,
suchen jetzt nach einer tugendhaften und einfacheren Alternative.
Der Fundamentalismus sieht sich überall nach solchen Leuten um,
er ist auch global geworden. So kann man heute in Indonesien Leute
finden, die die palästinensische Sache als die ihre ansehen.
Vor zwanzig Jahren wusste ein indonesischer Muslim kaum, wo Palästina
liegt. Die arabische Welt hat mit diesen
jungen Leuten in mehrfacher Weise ein Problem. Die Globalisierung
trifft sie in einem ungünstigen demographischen Moment. Die arabische
Gesellschaft erfährt eine massive Verjüngung. Mehr als die
Hälfte der Bevölkerung in den meisten arabischen Staaten
ist unter 25 Jahre alt. Junge Leute, oft besser ausgebildet als ihre
Eltern, verlassen ihre traditionellen Dörfer auf der Suche nach
Arbeit. Sie kommen in laute, wachsende Städte wie Cairo, Beirut
und Damaskus oder sie arbeiten in den Ölstaaten. In ihrer neuen
Welt sehen sie grosse Unterschiede zwischen Reich und Arm und sie
erleben die verwirrenden, beunruhigenden Aspekte der Moderne: Unverschleierte
Frauen auf öffentlichen Plätzen, sie benutzen öffentliche
Busse, essen in Cafés und arbeiten in der Nähe. Ein starker Zustrom unruhiger, junger Männer ist für jedes Land schwierig zu bewältigen. Wenn er begleitet wird von geringen wirtschaftlichen und sozialen Chancen, erzeugt er eine neue Protestbewegung. In der Vergangenheit sind Gesellschaften unter gleichen Umständen die Beute von Revolutionen geworden (Frankreich vor der Französischen Revolution 1789 und Iran vor seiner Revolution von 1979). In der arabischen Welt bahnt sich eine ähnliche Revolution durch die islamische Restauration an. |
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