BACK

Cyberwar - Krieg der vierten Dimension 1/2

Es ist selbstverständlich geworden, dass alle paar Monate ein Update unsere Lieblingssoftware aktualisiert. Damit werden Betriebssysteme sicherer, Spielkonsolen interessanter, Textprogramme nützlicher und Bildbearbeitungssysteme effektiver. Auf diese Weise hat sich unsere ganz private Welt in den letzten 10 Jahren schleichend aber grundlegend verändert: Die Schreibmaschine wurde durch den Computer ersetzt, Spielkonsolen sind interessanter als Spielzeug aus Plüsch, Holz oder Blech geworden, die Fotografie befindet sich durch digitale Foto- und Videokameras im Umbruch, das gleiche gilt für Radio und Fernsehen, Schulkinder können ohne Recherchen im Internet ihre Schularbeiten nicht mehr machen, Handys sind selbstverständlicher Alltag, Plastic Cards sind dabei, das Bargeld abzulösen und es existiert kaum noch ein Arbeitsplatz, der ohne Computer auskommt. Vor 10 Jahren gab es das alles kaum im Ansatz. Diese Veränderungen sind charakteristisch für die Informationsgesellschaft, denn sie sind alle auf den qualitativ neuen Umgang mit Informationen zurück zu führen. Zwei Schlagwörter beschreiben diese Technik: Digitalisierung und IT (information technology).

Im Allgemeinen freuen wir uns nur darüber, dass der Computer, das Internet und die digitale Kamera immer schneller und nützlicher werden. Uns ist kaum bewusst, dass die Digitaltechnik unsere Welt bereits völlig verändert hat. Überall und immer sind Informationen erforderlich. Ohne Information kein Leben. Mindestens drei Arten von Informationen sind für uns lebenswichtig: Zwischenmenschliche Kommunikation, Steuerung von Technik, und organische Information. Zwei von diesen drei Bereichen haben sich unter dem Einfluss der Digitalisierung grundlegend verändert:

Kommunikation: Sobald sich zwei Menschen gegenüberstehen, kommunizieren sie wie vor tausenden von Jahren. Die direkte zwischenmenschliche Kommunikation ist noch eine der wenigen, natürlichen Nischen geblieben. Jede andere Form von Kommunikation hat sich grundlegend verändert: Wir sind überall und jederzeit erreichbar: Handy, Internet und GPS. Über Radio, Fernsehen und Internet informieren wir uns. Grundlage dieser Technik sind Satelliten im Weltraum und ein weltweites Computernetzwerk. Papier wurde durch digitale Medien ersetzt: Layout statt Handschrift, E-Mails statt Briefe, Bilder statt Text, Multimedia statt Bücher, Fernsehen und Internet statt Zeitungen, Online Konto statt Bargeld, Datenbanken statt Bibliotheken, Passwörter und biometrische Daten statt Ausweise.

Steuerung von Technik: Für den Faustkeil war keine Steuerung erforderlich. Bereits ein digitales Thermometer oder ein Radio aber sind so komplex, dass ein solches Werkzeug gesteuert werden muss. Steuerung aber heisst nichts anderes, als Informationsverarbeitung.

 

Bis in die 80-er Jahre waren ausschliesslich mechanische, hydraulische oder elektrische Steuerungen üblich. Heute aber werden die meisten unserer technischen Werkzeuge digital gesteuert. Waschmaschine, Fernseher, Microwelle und Auto sind Beispiele dafür. Einen Trabant konnte jeder reparieren, beim BMW öffnet niemand mehr die Motorhaube. Viel wesentlicher aber ist, dass die Produktion sämtlicher Waren und alle Dienstleistungen digital gesteuert werden: Die gesamte Arbeitswelt wurde radikal und konsequent digitalisiert. Ohne Computer existiert unser Konto nicht mehr, es wird kein Yoghurt mehr produziert, die U-Bahn fährt nicht mehr, es kommt kein Wasser aus der Leitung und der Supermarkt um die Ecke bleibt geschlossen.

Organische Information: Der Mensch ist nur gesund, wenn seine interne Informationsverarbeitung funktioniert. Schnupfen, Krebs, Kopfschmerzen und eine Schnittwunde - Nachrichten müssen bewegt, Entscheidungen getroffen, Prozesse gesteuert werden. Nur so können Krankheiten (vielleicht) geheilt werden. Wie unser Corpus dieses Informationsproblem bewältigt, wissen wir nur in den Grundzügen. Wie wir denken, unseren Verstand gebrauchen oder von unseren Emotionen überwältigt werden, davon wissen wir fast nichts. Das Universum kennen wir besser, als unser eigenes Gehirn. Aus diesem Grund sind digitale Techniken in organische Systeme bisher nicht eingedrungen. Es gibt nicht einmal befriedigende Schnittstellen zwischen digitalen und organischen Systemen. Unser Wissen über die organische Informationsverarbeitung ist fast Null. Es ist auch kein Ansatz für ein prinzipielles Verständnis dieser Verfahren in Sicht. Deshalb wird sich die Situation in absehbarer Zeit auch nicht ändern: Systeme der organischen und digitalen Informationsverarbeitung sind inkompatibel.

Trotzdem ist unser tägliches Leben heute fast vollständig vom Funktionieren digitaler Techniken abhängig. Ein Gedankenexperiment macht uns diese Abhängigkeit bewusst: Ein globaler Stromausfall wirft die Erste Welt in wenigen Wochen auf das Niveau der Dritten Welt und in das Zeitalter der Jäger und Sammler zurück. Dass wir am Abend nicht mehr das Licht einschalten können, ist das geringste Übel. Die grösste Schwachstelle ist die Tatsache, dass ohne elektrischen Strom alle Informationsflüsse unterbrochen sind. Jede Art von Technik funktioniert nicht mehr. Ohne Strom und ohne Computer ist die gesamte Zivilisation abgeschaltet: Licht, Heizung, Wasser, Brot und Fertiggerichte aus dem Supermarkt, CreditCard und Geldautomaten, Benzin, Nachrichten, Telefon, Post, öffentliche Verkehrsmittel - nichts geht mehr. Wer sich mit den verbliebenen natürlichen Recourcen nicht über Wasser halten kann, ist verloren. Ich habe genau diese Situation von 1945 bis 1947 erlebt. So lange ist das gar nicht her und bei diesem Crash spielte die digitale Technik noch keine Rolle.

Nächste Seite

BACK