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JAHRESBERICHT VON AMNESTY
INTERNATIONAL Nägel in die Kniegelenke getrieben Von Süleyman Artiisik In immer mehr Ländern missachten Regierungen und Polizei die Menschenrechte. Das geht aus dem aktuellen Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation amnesty international hervor. Die Organisation warnt vor der Aushöhlung der Grundrechte im Namen der Terrorfahndung.
Auch nach den schrecklichen Ereignissen vom 11. September in den USA setzt sich die Organisation mit aller Kraft für die Wahrung der Grundrechte ein. Sicherheit und Menschenrechte dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, erklärte Lochbihler. "Es ist sehr gefährlich, wenn politische und wirtschaftliche Interessen die Menschenrechtsagenda bestimmen." Im Zuge der "Terrorismusbekämpfung" nach den Attentaten auf das World Trade Center beobachtet ai aber, wie die Menschenrechte zusehends verletzt würden. Selbst demokratische Rechtsstaaten handhabten Menschenrechte zunehmend selektiv. "Regierungen rund um den Globus halten es immer öfter für legitim, im Namen der Sicherheit Menschenrechte zu verletzen oder zu beschneiden", meinte sie. So hätten eine Reihe von Regierungen neue Gesetze geschaffen und Anti-Terror-Maßnahmen ergriffen, die gegen fundamentale Grundrechte verstoßen. Dazu zählten die Möglichkeit zu unbegrenzter Haft ohne Gerichtsurteil, auf geheimer Beweisführung beruhende Sondergerichte sowie kulturelle und religiöse Diskriminierung. Verschiedentlich seien gar "Schattenstrafsysteme" entstanden. Beispiel USA: "Die Regierung hat eine Art Zweiklassen-Justiz etabliert, dass Ausländer in bestimmten Fällen vor Militärtribunale stellen kann", erklärte Lochbihler. "Diese Tribunale seien nicht unabhängig von der Exekutive und dürfen somit Todesurteile verhängen und sehen keine Berufungsmöglichkeit vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht vor." Manche Politiker, denen ihre eigene Popularität mehr als die Einhaltung internationaler Menschenrechtsabkommen bedeute, hätten den ohnehin anwachsenden Rassismus weiter angeheizt. Es sei ein Klima des Misstrauens entstanden, das sich noch verstärkt habe durch die Art, wie Ausländer als "Quelle des Terrorismus" dargestellt würden. Langjährige internationale Menschenrechtsstandards wie die Genfer Kriegsrechtskonvention seien während des Afghanistan-Konflikts gebrochen worden. So habe die Behandlung von inhaftierten Taliban- und al-Qaida-Kämpfern auf dem US-Stützpunkt Guantanamo dazu geführt, dass einige Regierungen offenbar gedacht hätten, dass eine inhumane Behandlung von Gefangenen nun allgemein akzeptiert sei. Laut ai umfasst der Respekt vor den Menschenrechten jedoch nicht nur deren Universalität, sondern auch deren Unteilbarkeit. Dies bedeute, dass wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte genauso wichtig seien wie zivile oder politische Rechte. Menschenrechtsverletzungen in immer mehr Ländern Die Missachtung der Menschenrechte ist Amnesty-Ermittlungen zufolge weiter besorgniserregend und beinahe weltweit. Einzelzellen, Fesseln, Folter, Vergewaltigungen gehören in immer mehr Ländern zur Normalität. Im vergangenen Jahr seien in 152 Ländern Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, berichtet ai. Im Jahr 2000 seien es nur 149 Staaten gewesen. Für das vergangene Jahr seien Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren in 47 Ländern belegt. So genannte legale Hinrichtungen seien aus 27 Ländern bekannt. In 111 Staaten sei es zu staatlicher Folter und Misshandlung gekommen. In mindestens 56 Ländern befänden sich gewaltlose politische Gefangene in Haft. So auch im Fall des Palästinensers Mohamed Lahloh. Im vergangenen Jahr wurde der 25-jährige in Dschenin von palästinensischen Sicherheitskräften festgenommen und für mehrere Tage in Einzelhaft gehalten, weil er der Kollaboration mit den Israelis beschuldigt wurde. Mit Schlägen und mit durch Zigaretten verursachten Verbrennungen sei er mehrere Tage unablässig gefoltert worden. Außerdem habe man ihm Nägel in die Kniegelenke getrieben. Der Gefangene durfte zwar gelegentlich Besuch von Familienangehörigen erhalten, wurde jedoch nicht von einem Arzt untersucht und konnte erst nach Wochen zu seinem Rechtsanwalt Kontakt aufnehmen und ohne Anklageerhebung entlassen werden. "Wir fordern eine umfassende Untersuchung, um die Verantwortlichen dafür festzustellen und zur Rechenschaft zu ziehen", erklärte Lochbihler. Im Mai diesen Jahres habe ai eine Untersuchungskommission in die Region entsandt und Beweise für diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen gefunden. Lochbihler verurteilte aber auch den jüngsten Selbstmordanschlag in einem Einkaufszentrum in der Nähe von Tel Aviv, wo mindestens drei Menschen ums Leben kamen. "Es kann niemals eine Rechtfertigung für Angriffe auf Zivilisten geben", sagte sie. Auch in Deutschland Fälle von Misshandlungen In ihrem Jahresbericht dokumentiert die Menschenrechtsorganisation auch Fälle von Schusswaffengebrauch durch die Polizei und Misshandlungen von Asylbewerbern in Deutschland. Im April sei ein togolesischer Asylbewerber im Ausländeramt in Mettmann bei Düsseldorf bei seiner Verhaftung schwer misshandelt worden. Als Folge habe er sein Augenlicht verloren. In einem Brief habe ai Landesinnenminister Fritz Behrens (SPD) darauf hingewiesen, aber noch keine Antwort erhalten. Ferner sei ein 19-jähriger Kameruner, nachdem ihm Polizisten und Mediziner in Hamburg gewaltsam ein Brechmittel einflößten, an den Folgen des Brechreizes gestorben. Lochbihler hat einen verstärkten Menschenrechts-Unterricht für Polizisten gefordert, um Misshandlungen Festgenommener vorzubeugen. Der aktuelle Fall in Köln, bei dem ein 31-jähriger Randalierer nach mutmaßlicher Misshandlung durch Polizisten ums Leben gekommen sei, habe den Bedarf an "Bewusstseinsarbeit und Bildungsarbeit" verdeutlicht. Gleichzeitig nannte sie zwei weitere aktuelle Fälle aus Nordrhein-Westfalen, bei denen es zu Übergriffen gekommen sei. Im Januar habe man erfahren, dass ein 62-jähriger Mann bei der Festnahme von zwei Kölner Polizisten so zusammengeschlagen worden sei, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Die Generalsekretärin sprach sich auch gegen den Einsatz von Elektroschockwaffen durch die Polizei aus, die derzeit in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Nordrhein-Westfalen getestet werden. Die Waffen schössen an Drähten befestigte Widerhaken ab. Dadurch könnten Stromstöße von hoher Voltzahl erzeugt werden. "Wir fordern, auf den Einsatz solcher Waffen zu verzichten, sofern nicht geklärt ist, welche gesundheitlichen Wirkungen sie haben".
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