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Die netten Girls auf den Philippinen

 


Es gibt keine Prostitution an der Alona Beach. Am Abend wird man nicht unter dunklen Palmen von leichten Mädchen angemacht, kein Bordell lockt mit roten Lampen. Am Anfang habe ich mich darüber gewundert, denn dieses Gewerbe ist doch so alt und lukrativ, dass es hier auf den Philippinen nicht erst noch erfunden werden muss. Es gibt Prostitution, aber sie heisst nicht so und sie funktioniert völlig anders.

Offiziell gibt es auf den Philippinen nur die christliche Einehe. Tatsächlich beweisen die Ehemänner sich und anderen ihre Männlichkeit dadurch, dass sie inoffiziell eine oder sogar zwei Nebenfrauen und auch Kinder mit ihnen haben. Diese Art von Polygamie wird von der philippinischen Gesellschaft toleriert. Lebt dieser Mann länger als sieben Jahre mit seiner Nebenfrau zusammen, ist sie mit ihren Kindern gesetzlich erbberechtigt. Niemand spricht öffentlich über die Nebenfrauen, aber jeder kennt sie. Von den Ehefrauen wird erwartet, dass sie die Konkubine stillschweigend akzeptieren. Die Gesellschaft toleriert aber nicht, wenn die Ehefrau ihrerseits einen Liebhaber hat. Streitereien und Stress sind vorprogrammiert, wenn es dann um das Erbe geht. Auch in dieser Gesellschaft sind die Frauen benachteiligt. Aber sie halten sich dadurch schadlos, dass sie meistens mit einem kleinen Business eigenes Geld verdienen und in der grossen Familie deutlich mehr Einfluss haben, als der Mann und Vater.

Alle Menschen auf den Philippinen lächeln jeden Fremden immer und zu jeder Gelegenheit an. Eine Prägung über die vergangenen Jahrtausende, in denen die Menschen hier immer auf engstem Raum zusammen gelebt haben: Ursprünglich waren die Filipinos Boot People. Harmonie durch Unterordnung. Lächeln in jeder nur denkbaren Situation. Der schöne Schein muss immer gewahrt werden. Deswegen ist es auch selbstverständlich, dass man ständig von jungen, schlanken und wirklich hübschen Mädchen angelächelt wird. Mehr unternehmen die Girls aber nicht. Sie sind ausgesprochen freundlich, sie ziehen sich nicht besonders aufreizend an, sie sind nett, sie sprechen (manchmal) gut English und so kommt man leicht ins Gespräch. Die Mädchen fangen von sich aus nur mit Blicken und der Körpersprache an zu flirten. Sie werden aber nicht deutlicher, Berührungen sind sehr selten, nur im Überschwang des Lachens vielleicht einmal.

Aber praktisch alle Mädchen warten auf ein Angebot eines Ausländers. Und dabei geht es nie um eine Stunde, oder eine Nacht, sondern mindestens um 14 Tage. Der Fremde ist Single und er hat ein komfortables Appartement mit einem breiten Bett. Er schäkert ein paar Tage mit den netten Girls und schlägt dann einem davon vor, in sein Appartement zu ziehen - für die Zeit, in der er noch hier ist. Er regelt das mit der Vermieterin und schon hat er ein hübsches, junges und williges Mädchen neben sich im Bett liegen. In den nächsten 14 Tagen bewegen sich die beiden im Ressort und an der Beach, als ob sie schon ewig verheiratet sind. Keine Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit. Händchenhalten ist das Maximum. Was hinter verschlossenen Türen passiert, weiss jeder und das wird auch von der philippinischen Gesellschaft toleriert.

Die wirtschaftliche Situation ist der Auslöser für diese Verhältnisse: Die Chance, eine solide Bildung und Ausbildung zu erhalten, sind schlecht und nur mit viel Geld zu verbessern. Es gibt wenig Jobs, die Mädchen haben nur die Chance, als Staff im Hotel oder in einem privaten Haushalt zu arbeiten. Wenn sie Glück haben, verdienen sie dabei 50 Dollar im Monat, arbeiten dafür aber 60 Stunden pro Woche mit einem freien Tag. Alle Filipinos sind in einen Familienclan eingebunden, der aus der zahlreichen Verwandtschaft von Vater und Mutter besteht. Die Familienmitglieder stehen füreinander ein und teilen die Einnahmen in der Gemeinschaft auf. In jedem Fall geht die Familie vor, Einzelinteressen müssen sich unterordnen. Unter den Filipinos gilt als ausgemacht, dass dem Familienverbund nichts Besseres passieren kann, als dass es wenigstens einem Mädchen der grossen Familie gelingt, sich dauerhaft einen Ausländer zu angeln. Ausländer sind auf den Philippinen durch das Wertgefälle objektiv immer reich. Damit bedeutet eine solche Verbindung ein hohes und regelmässiges Einkommen, von dem die gesamte Verwandtschaft profitiert.

Diese Maximalvariante wird nur selten erreicht. Aber auch 14 Tage so zu leben, wie die Ausländer, luxuriös und bedient an immer gedeckten Tischen, das alleine ist schon ein Wert an sich für ein Mädchen, das sonst am Rande des Existenzminimums lebt und ständig von Schulden (wenigstens für Kleidung) verfolgt wird. Weil man sich nicht 14 Tage pausenlos lieben kann, wird es dem Mädchen gelingen, den Mann auf eine Shopping Tour zu locken. So sind mindestens schöne Wäsche, ein paar Kleider und weitere Geschenke das Ergebnis dieser 14 Tage. Unweigerlich kommt der Tag des Abschieds. Der Mann verspricht, im nächsten Jahr wiederzukommen und glaubt es in den seltensten Fällen. Das Mädchen ist naiv und glaubt es mindestens ein halbes Jahr, bis die E-Mails versiegt sind. Ist der Freier generös, gibt er dem Mädchen tausend Dollar zum Abschied. Das wird in den wenigsten Fällen passieren. Aber schon diese (für europäische Bordells) lächerliche Summe tröstet das Mädchen (und ihre ganze Familie) über jeden Abschiedsschmerz hinweg. Das Mädchen kann so viel Geld mit Glück im Verlauf von zwei Jahren vielleicht verdienen, aber nicht ansparen.

Es gibt keine Prostitution an der Alona Beach, aber es ist der Normalfall, dass man männliche Ausländer mit jungen, hübschen Filipinas in den Restaurants und unter den Palmen am Strand sieht. Meistens sind es mittelalterliche bis alte Männer, die sich dieses angenehme Vergnügen leisten. Es gibt auch wirklich die Fälle, wo Ausländer mit Filipinas leben. Sie leben hier oder kommen zum Urlaub in das Heimatland der netten Frau zurück. Gerade diese Fälle beweisen allen schönen Mädchen, dass ein reicher Mann aus dem Ausland das einträglichste Lebensziel ist. Die gesamte Verwandtschaft ermuntert sie, die singulären Ausländer sehr freundlich und zuvorkommend zu behandeln. Das Alter spielt keine Rolle.

Ich bin so ein ausländischer Single. Um das eindeutig festzustellen wurde ich am Anfang meiner drei Monate hier oft von Mädchen gefragt, wo meine Frau ist. Von Anfang an habe ich meiner Umgebung zu verstehen gegeben, dass ich ein alter Mann bin, der nicht auf der Suche nach einer philippinischen Freundin ist. Sechs bis acht wirklich hübsche Mädchen arbeiten hier im Ressort als Staffs, abends kommen Girls aus der Umgebung vorbei. Alle sind der festen Überzeugung, dass ich eine hervorragende Partie wäre. Nicht eines dieser Girls ist jemals deutlich geworden, aber ich werde geneckt und die Vermittlung ist üblich: 'Willst Du nicht heute Abend mit Sini zur Disco gehen?' Sini steht daneben und strahlt mich an. Auch meine Frage irritiert nicht: 'Warum gehst Du nicht mit Deinem Grossvater zur Disco?' 'Das ist etwas ganz anderes! Gerade die älteren, ausländischen Männer sind viel besser, als unsere jungen Boys!' Sie bewundern wie fit ich bin und wie gut ich aussehe. Niemand würde mir 67 Jahre ansehen! Es wäre doch nun an der Zeit, dass ich mich (endlich!) für eines dieser vielen hübschen Girls entscheide! Das sagt niemand, aber es gibt Neckereien und Andeutungen, die genau darauf hinauslaufen. Ich müsste nur wollen, dann wäre ich in Tawala (und auch in Berlin) nie mehr alleine. Das gleiche Schema funktioniert an der Beach, wo ich natürlich bekannt bin und von vielen netten Girls angestrahlt werden.

Das ist Prostitution auf philippinisch. Niemand aber sagt hier dazu Prostitution. Es geht immer um Freundschaft, Liebe und den 'Freund der Familie', nie um käuflichen Sex. Der seriöse Anschein wird immer gewahrt. Offiziell sind die ersten 14 Tage immer der Beginn einer lebenslangen Beziehung. Der Wunsch ist Programm, auch wenn die wenigsten Wünsche in Erfüllung gehen. Dann muss eben alles wieder von vorne anfangen.

Es ist auch klar, dass letztendlich alle Probleme dieser Beziehungen (einschliesslich der niedlichen Kinder) auf den Frauen hängen bleiben. Die Männer setzen sich ab und werden meistens nicht mehr gesehen. Den Frauen bleibt maximal eine Adresse, mit der sie nichts anfangen können. Mit eigenen Mitteln können sie kaum das Land verlassen. Aber es gibt keine so grossen psychischen und materiellen Probleme, wie sie sich in Europa einstellen würden: Der Familienverband fängt die Frauen auf. Ein Kind mehr oder weniger fällt nicht auf und der Zwang immer zu lächeln, verklärt die Erinnerungen an eine kurze, aber schöne Zeit.


Jürgen Albrecht, 07. November 2003

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