Zur Seligsprechung von Agnes Gonxha Bojaxhiu,
alias Mutter Teresa
Erik
Möller 19.10.2003
Wie konnte eine fanatische Gegnerin von Abtreibung
und Verhütung, die systematisch ihr Vermögen und die Natur ihrer
Arbeit verschleierte, vor den kritischen Medien der freien Welt
Bestand haben?
Christopher Hitchens bezeichnete sie als
"Medienheilige". Kritische Berichte über ihre Arbeit muss man aber
auch heute noch mit der Lupe suchen. Hunderte Bücher sind über sie
geschrieben worden, Lebensratgeber für Christen und Nichtchristen,
Werke mit Titeln wie "Ein Leben für die Ausgestoßenen", "Die Heilige
von Kalkutta", "Mutter ohne Furcht und Tadel" und "Die Kraft der
Liebe".
Medien, so lernt jeder deutsche Schüler im Politikunterricht,
haben einen aufklärerischen Auftrag und Anspruch. Frei von
totalitärer Kontrolle und Zensur bohren sie nach, stellen kritische
Fragen auch an die scheinbar Unantastbaren, an "die da oben" eben,
schützen uns vor Machtmissbrauch und Manipulation. Medien, so lernt
jeder deutsche Jugendliche am nächsten Kiosk, bringen Schlagzeilen
wie "Michelle Hunziker: Sie wünscht sich 2. Kind vom Neuen" oder
"Roy-Drama viel schlimmer: Sein Gehirn zerstört?".
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Krankenwagen
wie dieser wurden den "Missionaren der
Nächstenliebe" von Kalkuttas Stadtverwaltung
spendiert. Nach Aroup Chatterjees Recherchen
dienen sie jedoch primär als "Nonnen-Taxis",
werden selten für Krankentransporte zwischen den
Heimen eingesetzt, und niemals für die
Beantwortung von
Notrufen. | | |
Tatsächlich gibt es in Deutschland trotz einer gigantischen Menge
von Medienerzeugnissen nur relativ wenige Journalisten, die
unabhängig recherchieren: knappe Zeilenhonorare, Vorgaben von oben
und mehrere Filterstufen in den Redaktionen setzen investigativer
Arbeit enge Grenzen. Die großen Magazine können es sich leisten, für
eine "Top-Story" viel Geld auszugeben -- doch was eine solche Story
ist, entscheidet der Chefredakteur.
Die Geschichte über die Verbindungen deutscher Top-Politiker zum
"PR-Berater" Moritz Hunzinger wurde, bevor der Stern sie
brachte und damit Rudolf Scharpings Fall herbeiführte, zwei Jahre
verschiedenen Medien angeboten -- alle lehnten ab. Und nach einem
kurzen Blitzlichtgewitter verschwand der Fall schnell aus dem
öffentlichen Bewusstsein. Die "parlamentarischen Abende" und
"politischen Salons" bei denen Hunzinger Politiker mit
Wirtschaftseliten zusammenführt, wurden genau so wenig hinterfragt,
wie es die jährlichen Elitegipfel der Bilderberger
werden. Und als der SPIEGEL über die verschiedenen
Verschwörungstheorien zum 11. September berichtete, tat er es unter
dem Titel "Panoptikum des Absurden" -- um all die Verrückten in ihre
Schranken zu weisen. Ganz uneigennützig stellt das Magazin sogar
eine englische Übersetzung
der Enthüllungs-Story bereit.
Medienkritiker wie Noam Chomsky befürchten seit langem, dass eine
der Hauptfunktionen klassischer Massenmedien nicht die Aufdeckung
von Wahrheiten ist, sondern ihre Verhüllung. Das kann durch direkte
Falschinformationen realisiert werden, wie sie z.B. von
Forbes und dem Wall Street Journal über Michael Moores
Film "Bowling for Columbine" verbreitet wurden. 1 In den
meisten Fällen geschieht es über die Gewichtung bestimmter Fakten
und Meinungen -- man vergleiche das Ausmaß der Berichterstattung
über Dieter Bohlens literarische Werke mit der Aufmerksamkeit, die
der Landminensituation in Angola oder den Menschenrechten in
Saudi-Arabien zukommt. Manchmal aber werden bestimmte Perspektiven
gänzlich ignoriert.
A star is born
Eine systematische Verzerrung der Wirklichkeit bei nahezu
vollständiger Ausblendung kritischer Analyse muss man im Falle
Mutter Teresas diagnostizieren, wenn man ihr Lebenswerk
unvoreingenommen untersucht. Die Mediengeschichte der gesegneten
Albanerin beginnt mit dem Briten Malcolm Muggeridge -- "ohne ihn
hätte die Welt vielleicht nie von Mutter Teresa erfahren", schrieb
nach ihrem Tod die Catholic Times am 12. Oktober 1997.
Muggeridge, ein fanatischer Konservativer, der den säkularen
Liberalismus für "die größte aller destruktiven Mächte" hielt,
gehörte zu den vom "Congress for Cultural Freedom" gesponserten
Journalisten. Dabei handelte es sich um eine CIA-Organisation, die
in Europa eine pro-amerikanische Gegenkultur zum Kommunismus
etablieren
sollte. Neben einer
"nichtkommunistischen Linken" wurden die abstrakte Kunst und das
"postmoderne"
Denken als sozial irrelevante Ausdrucksformen der liberalen Linken
finanziell gefördert. (Das Standardwerk zum Thema ist "Wer die Zeche
zahlt... Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg" von Frances Stonor
Saunders.)
Muggeridges Arbeit am Teresa-Projekt begann
1968 mit einem BBC-Interview. Die in Albanien geborene Nonne Teresa
leitete damals noch recht bescheiden ihr Haus der Sterbenden in
Kalkutta - keineswegs ein innovatives Projekt, gab es vergleichbare
Institutionen in Kalkutta doch schon lange vor Teresas Geburt. Die
Operation nahm sich in ihrem Ausmaß wie auch in der medizinischen
Versorgung minimal aus. Waisenkinder wurden mit Essen versorgt,
Sterbende bekamen ein Dach über dem Kopf. Das Ganze wurde und wird
im klassischen katholischen Stil betrieben - die Schwestern erhalten
keine nennenswerte medizinische Ausbildung, dafür gibt es geheime
Taufen der Sterbenden. Im Vergleich z.B. zur indischen
Ramakrishna-Mission, die auch Bibliotheken und Schulen betreibt,
oder auch der amerikanischen "Assembly of God" Mission, die jeden
Tag 18,000 Mahlzeiten verteilt, ist Teresas Orden auch heute noch
ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Für den Fundamentalisten Muggeridge war
Mutter Teresa jedoch die Figur, die er benötigte, um seine Ideologie
weltweit zu verbreiten. Unterstützer dafür fand er vor allem in den
USA. 1969 produzierte Muggeridge gemeinsam mit dem Regisseur Peter
Schafer die Dokumentation "Something Beautiful for God", ein
internationaler Buch-Bestseller mit dem gleichen Titel folgte.
Legendär ist die Dokumentation aufgrund der Behauptung Muggeridges,
man habe beim Filmen in Teresas Heim ein "photographisches Wunder"
festgehalten - das sanfte Licht im finsteren Raum sei technisch
unerklärlich. Erst 1994 erläuterte Kameramann Ken Macmillian, dass
man einen neuen Film von Kodak ausprobiert hatte. "Als wir den
endgültigen Film sahen, wollte ich schon zum Jubel auf Kodak
anheben, aber Muggeridge hielt mich davon ab. .. Am gleichen Tag
bekomme ich dann all diese Anrufe wegen des 'Wunders' in
Kalkutta."2
In den USA feierte die religiöse Rechte Mutter Teresa, die
ihrerseits begann, ihre Ablehnung von Kontrazeptiva und Abtreibung
bekannt zu machen. Einflussreiche Protestanten wie Billy Graham und
Katholiken wie William F. Buckley, Jr. prägten das geflügelte Wort
von der "lebenden Heiligen", die "die Ärmsten der Ärmsten" in
Kalkutta von den Straßen aufsammelte (eine Behauptung, die zwar
erlogen war, von Teresa aber vielfach dankend wiederholt wurde).
Bereits 1971 prophezeite Muggeridge Mutter
Teresa den Nobelpreis, so wie auch ihre baldige Heiligsprechung
schon lange vor ihrem Tod vorausgesagt wurde. Zunehmend entwickelte
sich Teresa von der Nonne zur Medienfigur, reiste um die Welt zu
diversen internationalen Anlässen als auch in liberalen Kreisen
präsentierbare Stellvertreterin des Papstes. Jedem Politiker, den
sie traf, bat sie um Intervention gegen Abtreibung, Pille und
Kondom. Nach zwei gescheiterten Anläufen wurde ihr der Nobelpreis
1979 als Ergebnis einer gut finanzierten Kampagne verliehen, und sie
nutzte die Gelegenheit, um der Weltöffentlichkeit ihre politische
Plattform zu präsentieren:
Doch ich glaube,
dass der größte Zerstörer des Friedens heute die Abtreibung
ist, denn sie ist ein unmittelbarer Krieg, eine unmittelbare
Tötung, eine unmittelbare Ermordung durch die Mutter selbst.
(...) Heute ist Abtreibung das größte Böse, der größte Gegner
des Friedens. Wir, die wir heute hier sind, wurden von unseren
Eltern gewollt. Wir würden nicht hier sein, wenn unsere Eltern
uns nicht gewollt hätten. |
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Wir wollen
Kinder, und wir lieben sie. Was aber ist mit den anderen
Millionen. Viele sind besorgt über die Kinder, wie die in
Afrika, die in großer Zahl sterben, entweder an Hunger oder
aus anderen Gründen. Aber Millionen von Kindern sterben
absichtlich, durch den Willen ihrer Mütter. Denn wenn eine
Mutter ihr eigenes Kind töten kann, was hindert uns daran, uns
selbst zu töten, oder uns gegenseitig?
Nichts. |
|
Ungewöhnliche Worte von einer Frau, deren selbst erwählte Aufgabe
es vermeintlich war, das Leid der Welt zu lindern. Doch in den
kommenden Jahren sollte sich ein anderes Bild von Teresa
herauskristallisieren: eine Agentin des Papstes, die das menschliche
Leid nicht ablehnt, sondern es zelebriert und fördert. Während
Mutter Teresa zum Darling der Rechten avancierte und auch von
Liberalen wie den Clintons und Prinzessin Diana hofiert wurde,
spielten die Medien das Spiel eifrig mit.
Ein Mythos zerbricht
Der erste Kratzer am Bild Mutter Teresas war die britische
Dokumentation "Hell's Angel" von Christopher Hitchens (1994), der
1995 das 100-Seiten-Pamphlet "The Missionary Position" folgte. Beide
erörtern im Wesentlichen die gleichen Vorwürfe in sehr polemischer
Weise. Dem Buch mangelt es an Quellenbelegen, doch die darin
enthaltenen Fakten sind generell unbestritten -- aufgrund des Stils
und der Einzelkämpfer-Rolle Hitchens' war es jedoch relativ leicht,
die Kritik zu ignorieren. Tatsächlich beruhte ein großer Teil der
Arbeit von Hitchens auf den Recherchen des in Großbritannien
lebenden Inders Aroup Chatterjee, der Mutter Teresas Operationen
besucht und gefilmt, Beteiligte interviewt und die Reaktion der
Nonnen auf bestimmte Vorfälle getestet hat. In diesem Jahr ist nun
Chatterjees Buch erschienen, neben dem sich Hitchens Werk wie ein
Schulaufsatz ausnimmt.
The Final
Verdict, das im Volltext auf der Seite
des Verlages herunter geladen werden kann, ist eine über 400 Seiten
starke und vollständig quellendokumentierte Abrechnung mit Teresas
Lebenswerk. Daneben war Chatterjee direkt am Seligsprechungsprozess
beteiligt und hat den zuständigen Autoritäten im Vatikan seine
Eingaben zugesandt. Er wurde sogar zu einer Frage-Antwort-Sitzung
mit einer Laienprüferin eingeladen, um Teresas "Heiligkeit" zu
beurteilen. Natürlich hatten seine Eingaben keinerlei Einfluss auf
den Seligsprechungsprozess, und auch Chatterjee empfahl den
Kirchenleuten keineswegs, den Prozess abzubrechen:
"Selbstverständlich würde ich, wenn ich ein Geschäft betreibe, meine
besten Verkäufer ins Rennen schicken."
|
Mutter Teresa
in Bhopal 1984. Ihre einzige Antwort auf die
Industrie-Katastrophe, die mindestens 3000
Menschenleben forderte: "Vergebt, vergebt!" Für
den Westen eine typische Teresa-Antwort -- für die
Inder eine
Provokation. | | |
Neben Chatterjee haben nach Teresas Tod auch einige Publikationen
etwas tiefer gegraben. Im Stern erschien am 10. September
1998 der Artikel "Nehmen ist seliger denn geben. Mutter Teresa: Wo
sind ihre Millionen?" von Walter Wüllenweber, der die
Finanzsituation des Ordens untersuchte (englische Version).
Vom Mythos der bescheidenen Heiligen bleibt nach Konsultation der
vorliegenden Information nicht viel übrig. Hitchens sieht in Teresa
vor allem die Befriedigung des Bedürfnisses, zu glauben, dass
"irgend jemand" sich um die armen Menschen kümmert -- man selbst es
also nicht tun muss. Tatsächlich ist der Mythos aber vor allem das
Ergebnis einer Verschwörung des Schweigens in den westlichen Medien.
Chatterjees Buch ist bisher weitgehend ignoriert worden, und das
obwohl er jedem, der fragt, anbietet, Videos, Tonbänder und andere
Dokumentation seiner Recherchen vorzulegen. Wie die Hunzinger-Story
ist auch die Wahrheit über Agnes Bojaxhiu eine Geschichte, die sich
nicht gut verkauft.
Noch vor 10 Jahren hätte die Verschwörung des Schweigens sich
einfach fortsetzen lassen. Doch das Internet bietet Wissen all
denen, die wissen wollen. So wird Chatterjees Buch auf
humanistischen Websites verlinkt -- und natürlich im Wikipedia-Artikel
über Mutter Teresa. Gemeinerweise wird auch der eine oder andere
Katholik die Konfrontation mit der Realität nicht gänzlich vermeiden
können, denn bei einer Google-Suche nach "Mutter Teresa" folgt auf
der ersten Seite ein Link auf die von fiesen Atheisten betriebene
deutschsprachige Website Der Todesengel von
Kalkutta:
Teresa und die Armen
Was aber ist nun die finstere Wahrheit über Mutter Teresa? Mag
sie auch andere politische Ansichten gehabt haben als der politisch
korrekte Mainstream, war sie nicht im Grunde eine gutherzige und
ehrliche Helferin der Armen? Chatterjee dokumentiert, dass Teresa in
den Medien systematisch über die Art und das Ausmaß ihrer Arbeit
gelogen hat, während in der Realität ihr Personal den Tod eher
förderte als bekämpfte und Hilferufe ignorierte, selbst wenn sie aus
nächster Nähe kamen.
Bei Krisen auf dem Subkontinent spielt Teresas Orden ohnehin
praktisch keine Rolle. In Kapitel
11 vergleicht Chatterjee die
Missionarinnen der Nächstenliebe mit der Ramakrishna-Mission nach
verschiedenen Kriterien. So z.B. in der Reaktion auf Krisen und
Katastrophen -- er zählt 16 Ereignisse der letzten Jahre auf, in
allen Fällen hat Ramakrishna Hilfe geleistet, in keinem war Teresas
Orden beteiligt. Oftmals war die "lebende Heilige" während großer
Katastrophen in ihrer zweiten Wahlheimat, Rom, in den Vereinigten
Staaten, oder auf internationaler Anti-Abtreibungstour. Selbst ihr
spiritueller Berater Edward Le Joly, Autor einer der unzählbaren
Hagiographien über Teresa, bemerkte bereits 1986 in einer
Konversation mit einer Schwester, dass Teresa "ständig abwesend"
sei. Mehrere Versuche von Prinzessin Diana, Teresa in Kalkutta zu
treffen, schlugen fehl, weil diese nie dort war -- so dass die
Treffen schließlich in Rom und New York stattfanden.
Während sie ständig darüber jammerte, wie
schrecklich es sei, von den Leidenden Kalkuttas entfernt zu sein,
muss sie die Stadt, in der Kontrazeptiva und Abtreibung problemlos
verfügbar sind, insgeheim gehasst haben -- niemals hätte sie dort
öffentlich vom Leid des "ungeborenen Lebens" reden können, ohne
zumindest verbal gelyncht zu werden, wie Chatterjee bemerkt. Einem
realen Lynchmord kam sie schon näher, als sie im Dezember 1984 zum
Bhopal-Industrieunglück, in dem so viele Menschen umkamen, wie in
den WTC-Angriffen, nur zu sagen hatte: "Forgive, forgive." (Vergebt,
vergebt.) Weder sie noch ihr Orden spielte bei der Versorgung der
Opfer eine nennenswerte Rolle -- außer natürlich in den westlichen
Medien, die alle Pressemitteilungen unkritisch wiedergaben.
Ihre reale Einstellung zum Leid der Armen kam jedoch am besten in
einem Interview in Washington 1981 zum Ausdruck. Auf die Frage, ob
sie den Armen beibringe, ihr Schicksal zu ertragen, antwortete sie:
"Ich glaube, das es eine sehr schöne Sache ist, wenn die Armen ihr
Los akzeptieren, es mit dem Leid Christi teilen. Ich glaube, das
Leid der armen Menschen ist eine große Hilfe für den Rest der Welt."
Wen diese Logik irritiert, der sollte sich vor Augen führen, dass
das Symbol der zugrunde liegenden Religion ein
Hinrichtungsinstrument ist.
So gesehen sind die mangelhafte medizinische Versorgung, die
Nichtverabreichung von Schmerzmitteln usw. nur konsequent. Dr. Robin
Fox, Chefredakteur des britischen Medizinjournals The Lancet,
beschrieb in der Ausgabe vom 17. September 1994 seine Beobachtungen
in einem von Mutter Teresas Heimen und konnte sich Kritik nicht
verkneifen: "Untersuchungen, wurde mir gesagt, sind selten erlaubt.
Wie wäre es mit einfachen Algorithmen, mit denen Schwestern und
Freiwillige die Heilbaren von den Unheilbaren unterscheiden können?
Wieder nein. Solche systematischen Ansätze sind dem Ethos der Heime
fremd. Mutter Teresa bevorzugt die Vorsehung der Planung, ihre
Regeln sollen eine Strömung in Richtung Materialismus verhindern."
Laut Chatterjee machte die Reaktion der Teresa-Fans normales
Arbeiten tagelang unmöglich, und er bedauerte, jemals ein kritisches
Wort über Teresa verloren zu haben.
Mutter Teresa selbst hob stets hervor, wie
wichtig es sei, die Armen mit den einfachsten Mitteln zu behandeln.
Das eigentlich Faszinierende ist nicht, dass sie daran glaubte,
sondern dass die westlichen Medien diese mörderische Heilslehre
unkritisch wiedergaben. Die gewollte Nichtunterscheidung zwischen
heilbaren und unheilbaren Patienten in Kombination mit mangelnder
Desinfektion von Spritzen und anderen Werkzeugen (sofern überhaupt
vorhanden) führt natürlich zu Infektionen und vermeidbaren
Todesfällen. Der Hippokratische Eid ist eben eine heidnische
Erfindung. Doch Teresa betonte immer wieder, wie wichtig für sie ein
"schöner Tod" sei. Ist ein schöner Tod ein schmerzfreier Tod?
Natürlich nicht -- eine von Teresas Lieblingsanekdoten war die einer
an Krebs sterbenden Frau. "Jesus küsst Dich", erklärte sie der Frau,
die große Schmerzen litt. "Dann sagen Sie ihm, er soll aufhören,
mich zu küssen", soll die Frau geantwortet haben. Solche Geschichten
sind in katholischen Kreisen immer für ein Schmunzeln gut.
Teresas Welt
Angesichts dessen muss man fast froh sein, dass Teresas Orden die
Leidenden nicht in Scharen von den Straßen aufsammelt, wie sie auch
in ihrer Nobelpreis-Ansprache behauptet hatte. Der Orden verfügt
zwar über Ambulanzen, diese sind aber mit Sofas zu "Nonnen-Taxis"
umfunktioniert worden, in denen auch manchmal Hühner für das
jährliche Nonnen-Fest transportiert werden - dem Krankentransport
dienen sie nicht. Chatterjee hat in zahlreichen Probeanrufen bei den
Schwestern nachgewiesen, dass Anrufer bei den Heimen lediglich auf
den regulären Notruf verwiesen werden (wer kein Englisch spricht,
was auf einen großen Teil der Armen zutrifft, kann mit den meisten
der Ordensmitarbeiter ohnehin nicht kommunizieren). Auch die Nonnen
sind keineswegs unterwegs, um Menschen von den Straßen aufzusammeln
- statt dessen werden Kranke an der Tür abgewimmelt, wenn sie
Verwandte haben, und seien sie auch noch so arm oder entfernt.
Das Ausmaß ihrer Operationen hat Teresa kontinuierlich
übertrieben. Sie sprach mal von 4000, im nächsten Jahr von 9000
Menschen die täglich in Kalkutta Essen bekämen. Chatterjee, der die
Suppenküchen mehrere Tage lang gefilmt hat, schätzt die Gesamtzahl
der in Kalkutta täglich Versorgten auf maximal 300. Dabei werden
teilweise Essenskarten verlangt, deren Erlangung kompliziert ist
("die wenigen katholischen Familien in Dnarapara .. haben alle
Karten", bemerkt Chatterjee trocken). Die Zahlen wurden nie von den
Medien hinterfragt.
An anderer Stelle zirkulierte sie
Fantasiezahlen wie "61273 Babies", die nicht geboren worden seien,
weil Mutter Teresa "natürliche Verhütung" lehre (die sog.
"Kalendermethode", die nach katholischer Doktrin erlaubt ist, weil
sie partielle Abstinenz erfordert). In der Tat sollen die Ärmsten
der Armen in Kalkutta, wie auch in anderen katholischen
Hoheitsgebieten, lernen, kalendarisch zu errechnen, wann sie Sex
haben dürfen. Diese extrem unzuverlässige Methode ist erlaubt -
während die Verwendung von Gummis Mord an potenziellem Leben ist.
Außerdem, so die offizielle katholische Linie, sind Gummis
unzuverlässig (vgl. Ein
Loch ist im Kondom). Natürliche
Kontrazeption ist sicher und zuverlässig, Kondome sind lebenstötend
und funktionieren nicht: Mit dieser Propaganda fördert die Kirche
Hunger, Krankheit und Massensterben überall, wo Armut und
Katholizismus zusammentreffen -- und Mutter Teresa war Zeit ihres
Lebens fanatische Stellvertreterin dieser Ideologie. Ihr Orden, der
auf der ganzen Welt tätig ist, erfüllt oft keinerlei karitative
Funktion, wie Chatterjee in Kapitel
7 feststellt - stattdessen sind die
Nonnen z.B. in Papua Neu-Guinea für die Konvertierung der
Eingeborenen zuständig.
Gegen Kondome predigte sie ebenso scharf wie gegen Abtreibung,
wann immer sie in politischer Mission unterwegs war. Es erübrigt
sich fast festzustellen, dass sie Abtreibung auch in Fällen von
Massenvergewaltigungen und Inzest für absolut unzulässig hielt und
international Lobbyismus für entsprechende Gesetze betrieb.
Das ungeborene Leben war ihr eben wichtig --
was sie vom geborenen Leben hielt, machte sie 1981 bei einem Besuch
in Haiti deutlich. "Frau Präsidentin, das Land vibriert angesichts
Ihres Lebenswerkes", frohlockte sie gegenüber der Ehefrau des
Diktators Jean-Claude "Baby Doc" Duvalier. Der Zweck heiligte die
Mittel, die ihr Orden von der Junta erhielt.
Teresas Millionen
Geld, davon konnte Teresa nie genug bekommen. Die ehemalige
Ordensschwester Susan Shields stellte in ihrem Artikel Mother
Teresa's House of Illusions fest: "Das
Geld kam rasant. Der Postbote lieferte die Briefe oft in Säcken. Wir
empfingen regelmäßig Schecks über 50,000 Dollar und mehr." Doch wo
das Geld blieb, wusste Shields nicht - an den bescheidenen
Verhältnissen im Orden änderte sich nichts, ja, die Ordensführung
sprach sich strikt dagegen aus, das Geld zur Anschaffung z.B. neuer
medizinischer Geräte zu verwenden. Selbst Brot für die Armen in der
New Yorker Bronx, wo Shields arbeitete, wurde nicht gekauft.
Innerhalb eines Jahres wurden laut Shield 50 Millionen Dollar auf
das Konto des Ordens gespült.
Die Schwestern haben jedoch strikte Instruktionen, keine genaue
Buchführung zu betreiben, und die Finanzlage des Ordens ist unklar.
Sicher ist: es ist ein Milliardengeschäft. Neben zahlreichen hoch
dotierten Preisen erhielt Teresa millionenschwere Spenden von teils
höchst fragwürdigen Gestalten, so z.B. dem Betrüger Charles Keating,
einst einer von Amerikas prominentesten Anti-Pornographie-Kämpfern.
Keating wurde wegen seiner Rolle im Savings & Loan Finanzskandal
zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt. Mutter Teresa schickte einen
Brief an den Richter und bettelte um Gnade - so revanchiert man sich
bei alten Freunden. Der Staatsanwalt antwortete als Privatperson und
bat Teresa um die Rückgabe des Geldes, das Keating teilweise von
Leuten aus sehr armen Verhältnissen erschwindelt habe, Menschen, die
um ihre gesamten Ersparnisse und ihre Zukunft gebracht wurden.
Natürlich antwortete Teresa nicht.
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Mutter Teresa
mit dem Finanzbetrüger Charles Keating, der ihrem
Orden eine Millionenspende gemacht hatte. Nach
Keatings Verurteilung setzte sich Teresa für seine
Freilassung ein. Das Geld gab sie nie
zurück. | | |
Die allgemeine Erklärung für die Millionenspende Keatings ist,
der Mann habe Absolution gesucht. Doch ist das glaubhaft? Warum
unterstützten auch Amerikas Protestanten Teresas Siegeszug mit Geld
und Medien? Der Stern spekulierte in seinem Artikel über
Teresas Millionen, das Geld lande schlicht auf Konten des Vatikans:
"Und was mit Geldern auf der Vatikanbank geschieht, ist so geheim,
das darf nicht einmal der liebe Gott wissen." Die Skandale der
Vatikanbank und ihre Verwicklung in Geldwäsche, Drogenhandel und
alles, was profitabel ist, sind Legion (italienische
"Geschäftsleute" versuchten vergeblich, den Film "God's Bankers"
über den Calvi-Todesfall aus den Kinos zu verbannen.
Und welche Organisation wäre besser für Geldwäsche geeignet als
Mutter Teresas Orden, dessen Heiligkeit und Güte von niemandem
hinterfragt werden darf? Wenn man jetzt noch Muggeridges
dokumentierte Verbindungen zur CIA hinzunimmt, muss man kein
Verschwörungstheoretiker sein, um hier mehr als nur eine naive alte
Frau mit wenig Ahnung von Buchhaltung zu sehen.
Teresas Wunder
Zurück zur Realität. Um die Seligsprechung von Teresa offiziell
zu machen, musste ein posthumes Wunder her. Das war in der kleinen
Stadt Dangram schnell gefunden, in Form der armen Inderin Monica
Besra. Ein Jahr nach dem Tod der Ordensmutter habe sich die Frau mit
Unterleibschmerzen an die Schwestern gewandt. Ein Medaillon der
guten Nonne habe ihr Problem im Nu gelöst - ein Tumor im Unterleib
wurde wundersam geheilt. Monatelang protestierte
der Ehemann gegen diese Version der Geschichte: "Meine Frau wurde
durch die Ärzte geheilt und nicht durch ein Wunder." Tatsächlich war
Besra zuvor im Krankenhaus gewesen. "Diese Wunder-Behauptung ist
absoluter Unsinn und sollte von jedem verdammt werden", meint auch
der Arzt Ranjan Kumar Mustafi, der Besra behandelt hat. "Sie hatte
eine mittelgroße Wucherung in ihrem Unterleib, die von Tuberkulose
verursacht worden war. Die Medizin, die ihr gegeben wurde,
reduzierte die zystische Masse, bis sie nach einem Jahr verschwand."
Man sollte wissen, dass Mutter Teresa unter Kalkuttas
Intellektuellen keine allzu große Beliebtheit genießt.
Doch für einen guten Zweck kann man auch
einmal Geld ausgeben, und so hat sich zumindest die Meinung des
Ehemannes noch rechtzeitig vor der Seligsprechung gewandelt.
"Es war [Mutter Teresas] Wunderheilung, die meiner Frau geholfen
hat. Nun erhalten meine Kinder und ich mit Hilfe der Nonnen eine
Ausbildung, und ich konnte es mir leisten, ein kleines Stück Land zu
kaufen. Alles hat sich zum Besseren gewandelt." Mit ein bisschen
PR-Training lernt Selku Murmu sicherlich auch, dass er diesen Teil
den Reportern nicht unbedingt erzählen muss.
Wer nun meint, Agnes Gonxha Bojaxhiu sei eine kontroverse
Heilige, kennt die Geschichte der katholischen Kirche nicht. Dabei
muss man nicht nur auf Heilig- und Seligsprechungen aus jüngerer
Zeit schauen, wie z.B. die von Josemaria Escriva, Gründer der
ultraorthodoxen Pressure Group Opus Dei, oder die Segnung von
Erzbischof Stepinac von Zagreb, der die kroatischen
Ustascha-Faschisten bei der Ermordung von 350,000 Serben
unterstützte. Otto von Corvin schrieb im Pfaffenspiegel
1845 von den "lieben, guten Heiligen", deren Hauptleistung Corvin
zufolge in der Unterdrückung ihrer eigenen Wollust mit Hilfe
verschiedener Formen der Selbstkasteiung bis hin zur Kastration
bestand. Daneben beschäftigten sich die ersten Heiligen vor allem
damit, das verhasste Heidentum auszulöschen. Der Heilige Nikolaus
von Myra, heutzutage bekannt für sein Coca-Cola-Outfit, zerstörte
zahlreiche heidnische Tempel der Heidengöttin Diana - sein Feiertag
ist der 6. Dezember, zufälligerweise Dianas Geburtstag. Auch St.
Martin zerstörte viele Tempel und hackte nebenbei auch religiös
verehrte Bäume um. Und der Heilige Kyril von Alexandrien befahl oder
duldete die brutale Ermordung der heidnischen Gelehrten Hypatia 415.
So bekannt war Hypatia, dass selbst christliche Gelehrte wie
Socrates Scholasticus sie in den höchsten Tönen als schöne, weise,
tugendhafte Frau lobten.
Um Hypatia aus dem kollektiven Gedächtnis zu löschen, erfand die
Kirche eine neue Heilige: Katharina von Alexandrien. Mehr als 100
Jahre vor Hypatia soll diese "intelligente, hübsche und sehr
selbstbewusste junge Frau" (Fanseite) in Alexandrien Heiden zum
Christentum konvertiert haben und dafür brutal ermordet worden sein.
Da es für ihre Existenz keinerlei Beleg gibt, wurde sie 1969 aus dem
Allgemeinen Römischen Kalender gestrichen. Sechs Jahrhunderte
lang war sie eine der beliebtesten
Heiligen von allen, und viele Christen ehren sie noch heute. Es ist
halt eine schöne Geschichte.