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Originalton der Politiker

 

 

Politiker im Internet
Nicht die Politiker sind auf die Idee gekommen, im Internet Fragen der Wähler zu beantworten, sondern Blog.de. Diese WebSite bietet Bloggern eine Basis und sie hat Blogs für die Kandidaten eingerichtet, die sich jetzt um einen Sitz im Bundestag bewerben. Die Politiker erhalten automatisch die Fragen auf ihren Rechner, beantworten im Höchstfall die Fragen per E-Mail und sehen sich sicher nie ihren Blog an.

Auf www.wahl.de finde ich schnell meinen Wahlkreis und die Blogs der Kandidaten, die ich in der Wahlkabine auf dem Wahlzettel wiedersehen werde. Es sind neun Kandidaten für Berlin Mitte. In der Wahlkabine sind es noch ein paar mehr, bei wahl.de machen nicht alle mit. Allen Kandidaten habe ich am 8. August die gleiche Frage gestellt:

Was wird Ihre Partei zur Tilgung der Staatsschulden tun,
wenn sie in der Regierungsverantwortung ist?

Drei Kanditaten haben geantwortet. Am 29. August habe ich allen noch einmal diese Frage gestellt, die noch nicht geantwortet hatten. Spärlicher Rücklauf bis heute: Nur eine Antwort ist noch eingegangen.

Hier die ungekürzten Antworten der Kandidaten in der Reihenfolge des Posteingangs.
Originalton der Politik:

 

Peter Warnst, REP 05.08.2005
Ausbildung zum Polizeibeamten, selbstständig, Jahrgang 1971

Sehr geehrter Herr Albrecht!

Zur Senkung der Staatsverschuldung ist ein umfassendes Programm nötig, welches aus vielen Einzelmaßnahmen besteht. Selbstverständlich müssen sämtliche Ausgaben erst einmal auf Sinn und Zweck geprüft werden und unsinnige Subventionen müssen ebenso auf den Prüfstand, wie die derzeitige Finanzregelung der EU.

Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Institution EU - spätestens nach dem Nein der Franzosen und Niederländer - gescheitert ist. Daher sind wir auch der festen Überzeugung, daß es an der Zeit ist, die Netto-Zahler-Rolle der Bundesrepublik neu zu überdenken.

Auch treten wir für die Aufhebung der Sozialversicherungsabkommen aus den 60er Jahren ein.

Im Verteidigungsbereicht werden wir genau darauf achten, welche Ausgaben sinnvoll sind, bzw. ob - um es überspitzt auszudrücken - das Grundgesetz nun wirklich am Hindukusch verteidigt wird...

Die Einsetzung eines Bürokratiebeauftragten - nach dem Vorbild der Niederlande - kann ebenfalls zu deutlichen Senkungen der Bürokratiekosten führen und damit den Staatshaushalt entlasten.

Weiterhin gehören die Leistungen an Asylbewerber auf den Prüfstand und die gesamte Asyl- und Ausländerpolitik muß neu geregelt werden, hier fließen jährlich Milliarden von Euro.

Neben diesen Maßnahmen ist klar zu sagen, daß es keinen Sinn macht, Arbeitslosigkeit zu finanzieren.Statt dessen bauen wir auf die Subvention von Arbeitsplätzen von Langzeitarbeitslosen.
Das bedeutet, statt bis zu 1200,- Euro im Monat für das Nichtstun zu bezahlen sollte mit der Hälfte des Geldes die Schaffung von Arbeitsplätzen in Klein- und Mittelständischen Betrieben gefördert werden. Hier ergäbe sich für die Öffentliche Hand Einsparungen in Milliardenhöhe und die Arbeitslosenzahlen würden deutlich sinken.

Letztendlich - obwohl im Gesamtpaket betrachtet wohl auch nur eher als marginal anzusehen - gehören die Diäten der Politiker selbstverständlich auch überdacht, denn wenn alle den Gürtel enger schnallen sollen, dann müssen die "ersten Diener des Staates", nämlich die Abgeordneten und Minister, mit gutem Beispiel vorangehen.

Ich hoffe - wenn auch nur im Ansatz angerissen - Ihnen eine Vorstellung davon gegeben zu haben, welche Möglichkeiten zur Konsolidierung der Staatsfinanzen gegeben sind.

Mit freundlichen Grüßen.

Peter Warnst

 

Ulrike Lillge, BüSo 08.08.2005
Diplom-Bibliothekarin, k.A. zur ausgeübten Tätigkeit, Jahrgang 1950

Sehr geehrter Herr Albrecht,

Da nicht nur der deutsche Staat, sondern das gesamte Weltfinanz- und -währungssystem bankrott ist, werden wir uns dafür einsetzen, daß die führenden Regierungen dieser Welt sich zusammensetzen und eine Konkursreorganisation des Weltfinanzsystems durchführen. Spekulative Schulden, die nie bezahlt werden können, werden gestrichen, andere, "legitime" Schulden werden umgewandelt. Auf Deutschland bezogen, haben wir schon lange gefordert, daß z.B. die sog. "Altschulden" nach der Wiedervereinigung nicht hätten in den Staatshaushalt übernommen werden dürfen. Ganz allgemein gilt, daß die Einnahmenseite des Staates gestärkt werden muß, indem wieder massiv in die Schaffung von produktiven Arbeitsplätzen investiert wird.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Lillge

 

Dr. Tim Stuchtey, FDP 08.08.2005
Dipl.-Volkswirt, Wissenschaftsmanager, Jahrgang 1968

Sehr geehrter Herr Albrecht,

die FDP verfolgt zwei parallele Strategien bei der Bekämpfung der
Staatsverschuldung:

  1. Reduktion der der staatlichen Betätigungsfelder durch Privatisierung, Deregulierung und Entbürokratisierung. Das spart Geld und belebt die Wirtschaft.
  2. Umsetzung des FDP-Steuerkonzepts mit einem einfachen, transparenten und niedrigen Steuersystem und einer soliden Gegenfinanzierung. Auch dies führt zu einer Belebung der Wirtschaft und führt zu mehr Wachstum. Mehr Wachstum vergrößert die Steuerbasis wodurch letztlich auch das Steueraufkommen steigt, das Haushaltsdefizit reduziert und schließlich umgekehrt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Tim Stuchtey

 

Gordon Reinholz, NPD 29.08.2005
k.A, selbstständig, k.A

Hallo Herr Albrecht,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Die NPD wird alle nichtinvestiven Ausgaben streichen z.B. überhöhte Zahlungen und Beträge an internationale Organisationen wie UNO, NATO, EU und die NPD wird weiterhin alle Wiedergutmachungszahlungen jedlicher Art einstellen. Wir Nationaldemokraten werden massiv den Asylmißbrauch stoppen. Durch diesen fallen jährlich etwa 30. Milliarden EURO an, die sicherlich besser genutzt werden können.

Mit freundlichen Grüßen
Gordon Reinholz

 

Tobias Schulze, Die Linke 01.09.2005
Buchhändler, Student, Jahrgang 1976

Sehr geehrter Herr Albrecht,

unsere Staatshaushalte sind deswegen so defizitär, weil die Regierungen Kohl und Schröder falsch auf die sich verändernden wirtschaftlichen Bedingungen reagiert haben. Während die Kapitaleinkünfte seit Jahren wachsen, ist Deutschland das einzige Land der Welt mit Reallohneinbußen. Wenn diesem normalen wirtschaftlichen Vorgang der Automatisierung und Effektivierung nicht durch ein ausgleichendes Steuersystem begegnet wird, ist die Verschärfung der Krise vorprogrammiert.

Die Linkspartei. PDS steht für ein einfacheres, vor allem aber gerechtes Steuersystem (Berechnungsbeispiele und durchgerechnete Zahlen unter www.sozialisten.de). Wir wollen innerhalb der Einkommenssteuer wieder eine stärkere Progression, das heißt Gering- und Normalverdiener entlasten und Besserverdienende ab 60.000 Euro Jahreseinkommen aufwärts stärker belasten. Alle Subventionen mit Ausnahme der Steuerfreiheit von Feiertags- und Nachtarbeit und der Pendlerpauschale sollen abgeschafft werden. Dieses Konzept zur Einkommenssteuer soll nicht zu Mehreinnahmen führen, sondern vereinfachend und gerecht wirken.

Hauptsächlich soll der defizitäre Staatshaushalt über die Besteuerung von leistungslosen Einkommen, wie bspw. Kapitalerträge ausgeglichen werden. Vermögens-, Erbschafts- u. Schenkungssteuern und Gewinnsteuern sollen erhöht werden.

Die, besonders in den letzten Jahren wachsenden Ansprüche von Eigentümern und Großaktionären auf leistungslose Einkommen sollen gerecht besteuert werden. Veräußerungsgewinne bei Wertpapiere und Immobilien wollen wir ohne Spekulationsfristen besteuern. Dividenden, Zinsen und sonstige Kapitalerträge müssen für die Einkommenssteuern erfasst werden. Ebenso soll ein Börsenumsatzsteuer wieder eingeführt werden. Grundsätzlich wird mit der Linkspartei die Regulierung und Kontrolle auf den Finanzmärkten ausgebaut, der Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuerflucht verstärkt.

Große, international tätige Unternehmen sollen wieder einen angemessen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Denn bisher haben sich nur die Einnahmen des Staates durch die Senkung der Körperschaftssteuern deutlich reduziert, es wurden jedoch keine neuen Arbeitsplätze geschaffen. Möglichkeiten zur Gewinnverschleierung in den Bilanzen oder die Verschiebung in Niedriglohnländer müssen gesetzlich eingeschränkt werden. Gleichzeitig soll die Steuerbefreiung bei Beteiligungsverkäufen zurückgenommen werden

Insgesamt haben unsere Experten Mehreinnahmen von 64 Mrd. Euro errechnet. Gleichzeit wollen wir bei den Staatsausgaben sparen, indem wir die Sozialsysteme auf Grundlage unserer Konzepte zur Bürgerversicherung, zur Rentenversicherung und zur Wertschöpfungsabgabe stabilisieren.

Alle anderen Parteien stehen für weitere Steuersenkungen, wissen aber nicht wie sie diese finanzieren sollen, außer mit weiteren Kürzungen im sozialen Bereich. Diese Politik der Steuersenkungen reißt weitere Löcher in die öffentlichen Haushalte und führt nicht zu mehr Arbeitsplätzen, wie wir gesehen haben.

Wir wollen nichts Utopisches, sondern lediglich eine Anpassung an Länder wie Frankreich, Großbritannien oder die USA, von Skandinavien ganz zu schweigen, die alle ordentliche Steuereinnahmen aus Vermögen und Großunternehmen haben, ohne dass diese dort weggehen.

Mit freundlichen Grüßen
Tobias Schulze

 

 

Volker Liepelt, CDU keine Antwort
Betriebswirt, k.A., Jahrgang 1948

 

Jörg-Otto Spiller, SPD keine Antwort
Diplompolitologe, MdB, Jahrgang 1942

 

Wolfgang Wieland, Die Grünen keine Antwort
Rechtsanwalt, k.A., Jahrgang 1948

 

Erwin Jäkel, Menschenrechte keine Antwort
k.A, k.A, Jahrgang k.A, keine E-Mail-Adresse ...

 

 

Zensur bei wahl.de

Jetzt ist mir klar, warum mir viele der Kandidaten nicht geantwortet haben. Die eingehenden Fragen werden bei wahl.de gefiltert. Und weil die Zensoren etwas dagegen haben, dass man mehreren Kanditaten die gleiche Frage stellt, haben meine Fragen offensichtlich die Kandidaten überhaupt nicht erreicht. Schwachsinn in Germany:

Betreff: kandidatenwatch.de: Ihre Mail an Herrn Schulze
Von: info@kandidatenwatch.de
An: hello.al@web.de
Datum: 31.08.05 19:19:03

Guten Tag Jürgen Albrecht,

Ihre Frage schalten wir gerne frei, wenn sie direkt an Kandidierende gerichtet wird. Massenfragen lassen wir nicht zu, weil sie unserem Konzept zuwider laufen. Wir wollen bevorzugt den Dialog zwischen den Kandidierenden und ihren Wählerinnen und Wählern in einem Wahlkreis fördern. Da wir alle Fragen moderieren, d.h. prüfen, ob Sie unseren Kodex verletzen und z.B. verfassungsfeindliche Aussagen enthalten, haben wir viel Arbeit, die weitgehend ehrenamtlich geleistet wird. Eine organisierte Fragenflut zu einem Thema wäre auch kontraproduktiv für die Akzeptanz unsere Seite durch andere Nutzer und die Kandidierenden.

Wir werden Herrn Schulze Ihre Nachricht aber zur Kenntnisnahme weiterleiten (ohne Ihre E-Mail Adresse).

Ich bitte um Verständnis und grüße freundlich

Dr. Manfred Brandt, Mitglied des Kuratoriums

 

Meine Antwort:

Betreff: Frage an Dr. Brandt
Von: hello.al@web.de
An: info@kandidatenwatch.de
Datum: 31.08.05 23:30:31

Sehr geehrter Herr Dr. Brandt,

ich wollte allen Kandidaten, die ich bald in der Wahlkabine wiedersehe, die gleiche Frage stellen. Was ist daran verfassungsfeindlich oder eine 'Massenfrage'?? Interessant, warum so eine WebSite in unserer demokratischen Gesellschaft mit Presse und Meinungsfreiheit überhaupt 'moderiert', d.h. gefiltert und zensiert werden muss. Haben Sie Angst vor den Wählern oder sollen die Politiker gar nicht wissen, wie 'das Volk' denkt und fragt?

Ihre Zensur ist typisch für den bornierten Geist, der zur Zeit in Germany herrscht. Ich hoffe darauf, dass sich Vernunft und Pluralismus wieder durchsetzen und nicht die Angst vor imaginären 'Feinden' die Oberhand gewinnt. Sonst könnten wir ja auch gleich REP und NPD wählen!

Die Folge Ihrer Zensur können Sie hier besichtigen: http://www.storyal.de/story2005/originalton.htm
Die Rechten und die Verwirrten sind vertreten, aber nicht die CDU und die SPD:
Voller Erfolg Ihrer "Moderation".

Beste Grüsse
von J. Albrecht


Jürgen Albrecht, 31. August 2005
Update: 05.11.2007

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