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Die Patientenverfügung

 

 

 

Warum eine Patientenverfügung?

Die 'Apparate-Medizin' und das deutsche Gesundheitswesen führen zu der absurden Situation, dass die medizinische Versorgung nicht eingestellt wird, auch wenn beispielsweise der Patient schon jahrelang im Koma liegt. Die Ärzte berufen sich in solchen Fällen auf ihren Eid, der sie zur Lebensrettung ohne Wenn und Aber verpflichtet. Sie geraten in Gewissensnöte, wenn sie die Apparate abschalten. Diese Position der Ärzte wird durch das Verbot der aktiven Sterbehilfe in Deutschland noch gefestigt.

Jede ärztliche Therapie erfordert das Einverständnis des Patienten. Was aber, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äussern? Dann unterstellen die behandelnden Ärzte, dass der Patient will, dass alles zu seiner Lebenserhaltung getan wird. Ob das der tatsächliche Wille des Patienten ist, kann nicht mehr festgestellt werden. Verwandte haben in einem solchen Zweifelsfall praktisch kein Mitbestimmungsrecht. Ein gerichtlich bestellter Vormund (im Regelfall kein Verwandter) stellt sich in den meisten Fällen auf die Position der Ärzte, denn die ist ohne Risiko.

Die Patientenverfügung soll den Willen des Patienten dokumentieren. Im Konfliktfall soll aus der Patientenverfügung zweifelsfrei der Wille des Patienten abgeleitet werden können: Sollen alle Therapien eingestellt und die Apparate ausgeschaltet werden, oder nicht? Auch wenn die Patientenverfügung das leistet, ist immer noch die Frage offen, wer diesen Willen des Patienten durchsetzt. Denn auch bei eindeutigem Patientenwillen können sich die Ärzte immer noch auf ihren Eid und ihre Pflicht zur Lebenserhaltung berufen.

Deshalb ist die Vorsorgevollmacht praktisch genau so wichtig, wie die Patientenverfügung. Denn nur der vom Patient bevollmächtigte Vertraute, kann letztlich dem Patientenwillen gegenüber Ärzten und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung Ausdruck und Geltung verschaffen. Die Position dieses Bevollmächtigten ist gesetzlich geregelt, die Patientenverfügung nicht (s.u. Gesetzliche Grundlagen und (5)). Das Gesetz zur Patientenverfügung ist erst in Arbeit. Es gilt, konträre Ansichten und Interessen auszugleichen: Von der katholischen Moraltheologie über den Hippokratischen Eid bis zu den Befürwortern der Sterbehilfe.

 

Absurde Situation

Mehrere Tage habe ich mich unter der Äquatorsonne intensiv mit meinem Sterben beschäftigt. Ich habe die Patientenverfügung ausgearbeitet, die ich schon seit mindestens einem halben Jahr vor mir her schiebe. Mit dem Sterben habe ich wahrscheinlich weniger Probleme, als sie mein Sohn bekommen wird. Ich habe vor, ihn ganz offiziell und notariell beglaubigt zu meinem Bevollmächtigten in Gesundheitsangelegenheiten zu machen. Er weiss noch nicht, was auf ihn zukommt. Im schlimmsten Fall hätte er dafür zu sorgen, dass die Apparate abgestellt werden und der Vater stirbt. Das ist nicht einfach.

Aber genau darum geht es bei der Patientenverfügung: Die Ärzte halten mit medizinischer Technik alles am Leben, was schon lange mehr kein lebenswertes Leben ist. Die Intensivmedizin bringt die Ärzte in Verbindung mit ihrem Eid in unlösbare Konflikte. Damit nicht genug, denn der 'Dienst am Patienten' ist in Deutschland zu einem Milliardengeschäft mutiert, an dem sich ganze Industriezweige und viele Interessengruppen 'gesund stossen'. Auch und gerade an so einem Intensiv-Patienten wird täglich eine Unmenge Geld verdient. Nicht nur das Krankenhaus oder der Staat kassieren. Insbesondere der Herr Chefarzt persönlich lässt sich täglich von einem solchen Patienten Geld auf sein Privatkonto überweisen, auch wenn er nur der Angestellte des Krankenhauses ist! Eine Irrsinns-Konstruktion des bundesdeutschen Gesundheitssystems gibt auch angestellten Ärzten das Liquidationsrecht. Damit geraten diese Ärzte zwangsläufig in einen Interessenkonflikt, denn im Einklang mit dem Hippokratischen Eid gilt das Prinzip: Je mehr behandelt, desto höher die Rechnung. Ich kenne das Problem aus erster Hand, denn ich muss entscheiden, welchen der vielen Behandlungsvorschlägen ich zustimme. Danach erhalte ich die Rechnungen von Chefärzten, die ich teilweise bei der Behandlung (z.B. Röntgen) nie gesehen habe. Die Rechnungen leite ich an die Krankenversicherung weiter, die sie ganz selbstverständlich bezahlen. Besonders Privatpatienten geraten unter diesen Umständen in Gefahr, endlos behandelt und unsinnig am Leben gehalten zu werden

Die Patientenverfügung dient in erster Linie dazu, diese, besonders für die Angehörigen, belastende Situation aufzubrechen und ihr durch die Entscheidung, die die Ärzte meinen, nicht treffen zu können, ein Ende zu bereiten. Mit der Patientenverfügung wird dafür Vorsorge getroffen, dass ein Mensch, der am Ende seines Lebens angekommen ist, in Ruhe Sterben kann. Dieser Mensch wehrt sich mit der Patientenverfügung dagegen, künstlich und völlig widersinnig am Leben gehalten zu werden, obwohl dieses Leben für ihn keinen Sinn und keinen Wert mehr hat.

Dazu aber muss die Patientenverfügung rechtlich unangreifbar sein. Aber auch dann, wenn die Patientenverfügung eineindeutig und notariell beglaubigt ist, können sich die Ärzte immer noch auf ihr Gewissen berufen und das Einstellen aller (sinnlosen) Therapien und das Abschalten der Apparate verweigern. Dann muss der Bevollmächtigte in Aktion treten und den Patientenwillen durchsetzen. Er hat letztlich die letale Entscheidung zu treffen. Die Ärzte waschen ihre Hände in Geld und Unschuld … sie haben es ja nicht gewollt! Es ist schwer, seinem eigenen Sohn diese Entscheidung aufzubürden. Aber so ist das Leben heute: Bisher mussten es die Kinder aushalten, ihre Eltern sterben zu sehen. Jetzt verschärfen Medizintechnik und das staatliche Gesundheitssystem die Situation, die an sich schon schlimm genug ist: Die Kinder müssen die Apparate ausschalten, damit die Eltern endlich sterben können.

Absurde Situation.
Da kann man eigentlich nur darauf hoffen, dass man es nicht mehr bis in die Intensivstation oder ins Pflegeheim schafft.

 

Praktische Ratschläge

Patientenverfügung

  • Es gibt keine Formvorschriften. Handschriftlich ist vorteilhaft, wenn die Patientenverfügung nicht notariell beglaubigt wird.
  • Die Wertvorstellungen des Patienten müssen erkennbar werden. Was ist ein lebenswertes Leben, was nicht mehr?
  • Besonders schwierig, aber wichtig:
    Die medizinischen Indikationen, unter denen alle Therapien eingestellt und die Apparate abgestellt werden sollen,
    müssen exakt beschrieben sein.
  • Die Familie muss informiert sein, dass eine Patientenverfügung existiert.
  • Der Hausarzt sollte konsultiert werden und die Verfügung bestätigen.
  • Die Verfügung sollte mindestens jedes zweite Jahr neu durch Unterschrift bekräftigt werden.

Vorsorgevollmacht

  • Die Vorsorgevollmacht für Gesundheitsangelegenheiten dient der Durchsetzung des Patientenwillens.
  • Mit der Vorsorgevollmacht wird verhindert, dass im Zweifelsfall ein gerichtlich bestellter Vormund eingesetzt wird.
  • In der Regel ist ein Angehöriger der geeignete Bevollmächtigte.
  • Es muss eindeutig festgelegt werden, welche Aufgaben der Bevollmächtige hat (oder auch nicht hat).
  • Die Vollmacht sollte erst mit der eigenen Entscheidungsunfähigkeit in Kraft treten.
  • Am sichersten ist die notarielle Beglaubigung der Vorsorgevollmacht, gemeinsam mit der Patientenverfügung.
  • Behörden und Banken erkennen nur das Original einer notariell beglaubigten Vollmacht an.

Weitere nützliche Ratschläge enthält
(5) Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht,
SWR – Ratgeber Recht

 

Gesetzliche Grundlagen

Es gibt noch keine direkte gesetzliche Grundlage für die Patientenverfügung. Die Bundesregierung plant, einheitliche Richtlinien für die Patientenverfügung zu entwickeln. Die erste Lesung eines entsprechenden Gesetzes ist für Frühjahr 2005 geplant. Die Arbeitsgruppe „Patientenautonomie am Lebensende“ unter der Leitung von Klaus Kutzer (Vors. Richter am Bundesgerichtshof a.D. - Kutzer-Kommission) hat Vorarbeit für dieses geplante Gesetz geleistet. In diesem Rahmen ist die Broschüre 'Patientenverfügung, Leiden – Krankheit - Sterben' entstanden (s. (1)). Diese Broschüre gibt sehr nützliche Empfehlungen für die Erarbeitung der Patientenverfügung. Sie enthält Textbausteine, die man in die eigene Verfügung übernehmen kann. Der Sachverstand und die praktische Erfahrung von Ärzten, Juristen, Vertretern aus der Hospizbewegung, der beiden großen Kirchen und des Verbraucherschutzverbandes sind in diese Empfehlungen eingeflossen.


Mit der Reform des
Betreuungsrechts (BtÄndG) gibt es seit Januar 1999 eine Alternative zum gesetzlich bestellten Betreuer. Für den Fall der eigenen Handlungs- und Entscheidungsunfähigkeit kann jeder volljährige und uneingeschränkt geschäftsfähige Bürger eine Person seines Vertrauens bevollmächtigen, die ihn nicht nur in Vermögensangelegenheiten sondern auch in medizinischen Fragen vertreten kann.

Die Vorsorgevollmacht zu medizinischen Behandlungsfragen (Rechtsgrundlage BGB §§ 1896 II, 1904 II) benennt einen oder mehrere Bevollmächtigte, definiert den Vollmachteintritt, bezeugt die Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt der Unterschrift, enthält die Unterschriften des Vollmachtgebers und des Bevollmächtigten und ist handschriftlich abgefasst oder notariell beglaubigt (2, 8).

Die Betreuungsverfügung (Rechtsgrundlage BGB §§ 1897 IV, 1901 II 2, 1901 a) benennt dem Amtsgericht für eine gesetzliche Betreuung eine oder mehrere Personen, beschreibt die einzelne Bereiche (z.B. finanzielle Belange, Regelung der Wohnungsfrage, Vertretung gegenüber Ämtern), bezeugt die Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt der Unterschrift und enthält die Unterschriften des Verfügenden und des vorgeschlagenen Betreuers (2, 8).

 

Der Hippokratische Eid

Obwohl der hippokratische Eid in seiner Urform nicht überliefert ist,
wird darunter im Allgemeinen folgender Wortlaut verstanden,
der der Urform wahrscheinlich sehr nahe kommt:

Ich schwöre bei Apollon, dem Arzte, und bei Asklepios, Hygieia und Panakeia und bei allen Göttern und Göttinnen als Zeugen, dass ich nach bestem Vermögen und Urteil diesen Eid und diese Verpflichtung erfüllen werde:

Dem, der mich diese Kunst lehrte, gleichzuachten meinen Eltern, mit ihm den Unterhalt zu teilen und ihn mitzuversorgen, falls er Not leidet, seine Nachkommen meinen männlichen Geschwistern gleichzustellen und, wenn sie es wünschen, sie diese Kunst lehren, ohne Entgelt und ohne vertragliche Verpflichtung, Ratschlag und Vorlesung und alle sonstigen Belehrungen zu erteilen meinen und meines Lehrers Söhnen wie auch den Schülern, die vertraglich verpflichtet und vereidigt sind nach ärztlichem Brauch, sonst aber niemandem.

Meine Verordnungen werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken, nach bestem Vermögen und Urteil, sie schützen vor allem, was ihnen Schaden und Unrecht zufügen könnte.

Nie werde ich, auch nicht auf eine Bitte hin, ein tödliches Gift verabreichen oder auch nur einen Rat dazu erteilen. Gleicherweise werde ich niemals einer Frau ein fruchtabtreibendes Mittel geben. Heilig und rein werde ich mein Leben bewahren und meine Kunst.

Auch werde ich den Blasenstein nicht operieren, sondern dies denen überlassen, deren Beruf dies ist.

In welches Haus ich eintrete, eintreten will ich zu Nutz und Frommen der Kranken, mich fernhalten von selbstverschuldetem Unrecht und jeder Schädigung, insbesondere von Werken der Wollust an den Leibern von Frauen und Männern, Freien und Sklaven.

Was ich bei der Behandlung sehe und höre oder außerhalb der Behandlung im Verkehr mit den Menschen, soweit man es nicht ausplaudern darf, werde ich verschweigen, da hier Schweigen Pflicht ist.

Wenn ich nun diesen meinen Eid erfülle und nicht verletze, möge mir im Leben und in der Kunst Erfolg beschieden sein, Ruhm und Ansehen bei allen Menschen bis in fernste Zeiten; wenn ich ihn übertrete und meineidig werde, dessen Gegenteil.

Microsoft® Encarta® Enzyklopädie Professional 2003 © 1993-2002

 

Empfehlenswerte Literatur

(1) Patientenverfügung, Leiden – Krankheit - Sterben
Wie bestimme ich, was medizinisch unternommen werden soll, wenn ich entscheidungsunfähig bin?
Herausgeber:
Bundesministerium der Justiz
Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
11015 Berlin, Stand Juli 2004
WebSite: www.bmj.bund.de

(2) Betreuungsrecht
Mit ausführlichen Informationen zur Vorsorgevollmacht

Herausgeber:
Bundesministerium der Justiz
Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
11015 Berlin
Nur als Download erhältlich: www.bmj.bund.de

(3) Für Validität und Praktikabilität "Patientenverfügungen" auf dem Prüfstand
Deutsche Hospiz Stiftung, Im Defdahl 5-10, 44141 Dortmund, März 2003
WebSite: www.hospize.de

(4) Patientenverfügung
Karlsruher Versicherungen, ohne Datum
WebSite: www.abc-recht.de
WebSite: www.karlsruher.de
Rechtsanwalt Jan Bittler
www.erbrecht.de

(5) Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
SWR – Ratgeber Recht
Letzte Aktualisierung: 29.08.2002
WebSite: www.swr.de/ratgeber-recht/archiv

(6) Bundeszentralstelle für Patientenverfügungen und Vorsorgevollmacht, Berlin
Träger: Humanistischer Verband Deutschlands, Landesverband Berlin e.V.
WebSite: www.patientenverfuegung.de

(7) Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter
Darin der Abschnitt „Ergänzung der Patientenverfügung im Fall schwerer Krankheit“
Broschüre des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz
7. Auflage, ISBN 3-406-52440-0
Download unter: www.justiz. bayern.de

(8) Selbstbestimmung mit Vollmachten
Gemeinschaftsstiftung Arbeiterwohlfahrt Sachsen-Anhalt, ISBN 3-934950-05-1
WebSite: www.awo-lsa.de


Jürgen Albrecht, 24. Januar 2005
Puerto Galera, Philippines
Update: 05.11.2007

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