BACK

Faszination Quantenphysik

 

 

 

Vorbemerkung

Unglaubliche Tatsache: Ich sitze in einem Hotelzimmer mit ganz exakten Koordinaten in der Nähe des Mt. Pinatubo, der Laptop vor mir auf dem breiten Bett, im Bauch Ham and Eggs und im Ohr das Rauschen der Klimaanlage. Im Kopf die ebenso unglaublichen Erkenntnisse der Quantenphysik und die Frage nach der Realität. Der Zufall, offensichtlich eine ganz entscheidende Grösse in dem, was wir als Wirklichkeit ansehen, hat mir hier, am anderen Ende der Welt, den SPIEGEL 11/2005 in die Hand gespielt. Ein hervorragender Artikel von Johann Grolle, mit dem völlig irreführenden Titel 'Geballte Intelligenz der Atome', hat bei mir alle Fragen wieder angestossen, die die Quantenphysik aufwirft. Nie würde ich behaupten, ich verstehe die Quantenphysik. Aber ich begreife einige Fragestellungen, die unser gewohntes Weltbild aus den Angeln heben. Hier am Mt. Pinatubo, real in einer anderen Welt, ist vielleicht der richtige Ort, um über die Wahrscheinlichkeit unendlich vieler Welten nachzudenken ...?

Max Planck hat den Begriff des Quants geprägt. Bei Untersuchung der Temperaturstrahlung gewann er die Erkenntnis, dass sowohl die Emission als auch die Absorption von Strahlung nicht kontinuierlich, sondern nur sprunghaft, in Energieportionen erfolgt (den Quanten). Er beschrieb das (Plancksche) Wirkungsquantum als neue Naturkonstante. Mit der Fragestellung nach der Natur des Lichts war um 1900 ein neuer Zweig der Physik entstanden, die Quantenphysik: Ist das Licht eine Welle, oder sind es Teilchen? Generationen von Physikern haben seitdem ihr Leben in abgedunkelten Laboren an Spalt- und Lochblenden zugebracht. Heisenberg hat 1925 mathematisch beschrieben, nach welchen Gesetzen sich Elektronen auf bestimmten Bahnen um den Atomkern bewegen, wann und warum sie die Bahn verlassen und wie gross die Energie der Lichtquanten ist, die sie dabei aussenden. Er gilt damit als Vater der Quantenmechanik.

Das grösste Problem der Quantenphysik besteht darin, dass sie unserer Erfahrung, gewonnen in der uns umgebenden 'Realität', komplett widerspricht. Die Gesetze der Quantenmechanik sind mit den Naturgesetzen der klassischen Physik unvereinbar. Es gibt heute kaum jemanden auf der Welt, der von sich behauptet, das zu verstehen. Gerade darin liegt aus meiner Sicht aber die Faszination der Quantenphysik.

Unter diesen Umständen werde ich mich hüten, schnell mal eine Story über die Quantenphysik zu schreiben. Unter FASZINIEREND werde ich in Thesenform beschreiben, was mich an der Quantenphysik fasziniert. Im Hauptteil ZITATE werde ich kommentarlos zitieren, was Wissenschaftler sagen, die sich mit der Quantenphysik beschäftigen.

Open End, denn es wird kein Ende des Erkenntnisgewinns geben. 04. April 2005

 

Faszinierend

  • Bereits in einem Universum existieren ganz offenbar zwei 'Welten', in denen völlig unterschiedliche Naturgesetze gelten:
    Die Welt der klassische Physik und die der Quantenphysik.
  • Es ist unklar, ob die unterschiedlichen Naturgesetze auch Auswirkung in der jeweils anderen 'Welt' besitzen.
  • Damit ist auch unbekannt, welchen Stellenwert Zufall und Wahrscheinlichkeit in unserer vermeintlichen Realität besitzen.
  • Die Quantenphysik liefert starke Argumente für die These: Die Welt ist für Menschen nicht erkennbar.
    Im Gegenteil. Je mehr Wissen, desto unschärfer wird, was unter Realität und Wirklichkeit eigentlich zu verstehen ist.
  • Mit den Augen der Quantenphysik ist der Mensch in seiner logischen, kausalen Welt gefangen, kann seine 'Schicht' nicht verlassen. Die (wahrscheinlich) von Zufall und Wahrscheinlichkeit dominierte Realität bleibt ihm so verschlossen.
  • Fast stimmen Quantenphysik und Buddhismus überein: Die Welt existiert nur, wenn ich sie denke.
  • Warum gelten in David Deutsch's Multiversum die gleichen Naturgesetze? Warum sind nicht auch sie variabel?
  • Am ehesten kann man das als wirklich existent ansehen, was man im Moment wahrnimmt.
    Aber das ist subjektiv und prinzipiell nicht zu objektivieren. 04. April 2005
  • Jeder baut sich seine Welt und meint, es ist die einzig existierende. 06. April 2005
  • Alles, was ausserhalb unserer Erfahrung existiert, ist uns prinzipiell nicht zugängig.
    Das heisst: Unser Wahrnehmungssystem beschränkt unsere Welt (unsere 'Schicht').
  • Die Quantenphysik bietet eine Definition für den Begriff Information:
    Information ist Wissen über die Wirklichkeit und die Wirklichkeit selbst. 28. Oktober 2005
  • Was ist die wirkliche Wirklichkeit?
    Wir werden nie wissen, was das ist, was wir sehen und was uns umgibt. 20. April 2007

 

Zitate

Johann Grolle
Geballte Intelligenz der Atome
, DER SPIEGEL, 11/2005

Das Gehirn des Menschen ist von der Evolution hervorgebracht worden, um sich in der Alltagswelt zurechtzufinden. Zum Verstehen des Mikrokosmos der Photonen und Atome ist es nicht gemacht.

Jahrelang debattierte die verstörte Forschergemeinde über den Sinn der Heisenbergschen Theorie. Schritt um Schritt erst traten dabei die philosophischen Konsequenzen zu Tage. Und diese müssen jedem Physiker ungeheuerlich erscheinen:

  • Die Vorstellung einer wohldefinierten Wirklichkeit wird abgeschafft.
  • Der Zufall erhält den Rang eines nicht weiter hinterfragbaren Naturgesetzes.
  • Dem Betrachter wird eine zentrale Rolle zugewiesen: Indem er die Welt beobachtet, verändert er diese.
  • Physikalische Vorgänge sind auf rätselhafte Weise miteinander verschränkt: Die Messung an einem Ort kann sich auswirken auf Geschehnisse an einem ganz anderen, weit entfernten Ort.

Die Natur offenbart sich unterschiedlich, je nachdem welche Brille der Betrachter aufsetzt - Ein Kerngedanke, der die gesamte Quantenphysik durchzieht. Beispiel: Das Licht besitzt in einem Experiment eindeutig die Eigenschaften einer Welle, in einem anderen Experiment aber genau so eindeutig die Eigenschaft eines Teilchenstroms.

Nicht einmal der Ort eines Objekts, etwa eines Elektrons, bleibt wohl bestimmt. Es kann sich vielmehr an vielen Orten zugleich befinden, an keinem jedoch mit völliger Gewissheit. Erst in dem Moment, in dem das Elektron betrachtet wird legt es sich darauf fest, wo es sich gerade aufhält. An welchem Ort es sich dem Betrachter zeigt, ist purem Zufall überlassen.

Damit wird dem Betrachter der Natur eine gänzlich neue Rolle zugewiesen: Indem er die Welt wahrnimmt, greift er in sie ein. Deshalb, so die Quintessenz, kann Wissenschaft stets nur beschreiben, wie wir die Natur sehen, niemals, wie sie wirklich ist.

David Deutsch: 'Es gibt nur eine vernünftige Weise, diese (Heisenbergschen) Gleichungen zu lesen.' Das daraus resultierende Weltbild allerdings mutet mindestens so befremdlich an, wie die Heisenbergsche Sicht der Dinge: Deutsch ist davon überzeugt, dass es nicht nur ein Universum gibt, sondern eine unvorstellbar grosse Zahl parallel existierender Universen - für jeden physikalisch möglichen Ablauf der Ereignisse ein eigenes.

Seine 'Multiversum-Theorie' hat den Vorteil, dass es nicht mehr nötig ist, anzunehmen, ein Elektron oder ein Atom könne sich an vielen Orten zur gleichen Zeit befinden. Es ist vielmehr in einem Universum hier, im anderen dort.

Der Quantencomputer geht auf eine Idee von David Deutsch aus dem Jahre 1985 zurück. Grundgedanke ist, dass es die Quantenmechanik einem einzelnen Atom erlaubt, sich in vielen verschiedenen Zuständen zugleich zu befinden. Sind Atome zusätzlich noch miteinander verschränkt, so explodiert die Zahl der möglichen Zustände nach der Reihe. 1 Atom - 2 Zustände, 2 Atome - 4 Zustände, 3 Atome - 8 Zustände... 10 Atome - 1024 Zustände ... Deutsch konnte mathematisch beweisen dass es möglich ist, diese astronomisch hohe Zahl von Quantenzuständen dazu zu nutzen, eine entsprechend gigantische Zahl von (digitalen) Rechnungen durchzuführen.

Er sieht in seiner Beweisführung zugleich eine Bestätigung für die Existenz des Multiversums: 'Wie können ein paar Dutzend Atome mehr Rechenoperationen schaffen, als es Atome im gesamten Universum gibt? Wo finden denn all diese Rechnungen statt - wenn nicht in anderen Universen?'

Der Quantencomputer beginnt Realität zu werden. Niemand weiss heute, wie die Bauteile der künftigen Supermaschine aussehen werden. Auch die Frage, ob am Ende Atome, Photonen, einzelne Elektronen oder irgendwelche Anregungszustände im Festkörper die Rolle der kleinsten Informationseinheiten, der 'Qubits', spielen werden, ist offen. Vier Prinzipien sind heute bekannt: Kernspinresonanz (NMR), Optisches Gitter, Ionenfalle (CNOT-Gatter von Blatt) und Quantenpunkte (s. Seite 182),

 

David Deutsch im Interview
Die Welt ist bizarr
, DER SPIEGEL, 11/2005

Die Naturgesetze gelten in allen Universen. Die Masse des Elektrons ist in allen Universen gleich. Auch einen Urknall gab es überall.

Zeitmaschinen wird man zur Informationsweitergabe benutzen - und nicht, um selber auf Reisen zu gehen. Damit würden wir Zugang zu Informationen (aus Vergangenheit und Zukunft) erhalten. Wir wären also bald angelangt in einer Ära, in der wir Dinge, die wir heute durch Versuch und Irrtum lösen müssen, dann durch Informationsverarbeitung klären könnten.

'Wann rechnen sie mit dem ersten Prototyp (einer Zeitmaschine)?' 'Wenn wir ein Schwarzes Loch mit der dreifachen Masse des Sonnensystems in Rotation versetzen können - mit der Präzision eines Quantencomputers.'

Ich glaube nicht, dass irgendetwas in der Welt unerklärbar ist. Und ich glaube auch nicht, dass das Wachstum des Wissens je zu einem Ende kommen wird. Deswegen wird die Quantentheorie auch nicht die letzte Theorie sein - es gibt keine letztgültige Erklärung.

 

Anton Zeilinger
Geballte Intelligenz der Atome
, DER SPIEGEL, 11/2005

Für mich steht zweifelsfrei fest, dass in der Quantenwelt die Kausalität verschwindet.

Die Welt ist alles, was der Fall ist und auch alles, was der Fall sein kann.

Das Verrückte ist, dass zwischen den verschränkten Photonen keinerlei Informationen ausgetauscht werden. Richtig vorstellen kann auch ich mir nicht, was bei diesem Vorgang jenseits von Zeit und Raum sich geht. 04. April 2005

 

Anton Zeilinger
Einsteins Schleier
- Die neue Welt der Quantenphysik
(2003) München, C.H.Beck Verlag, ISBN 3 406 50281 4

Die Natur ist offenbar nicht reich (Al: komplex genug) genug, um schon von vorn herein Antworten auf alle Fragen festgelegt zu haben. ... die Mehrzahl der Fragen müssen offen sein.

Warum ist die Welt quantisiert? Weil die Information über die Welt quantisiert ist.

Es ist offenkundig sinnlos, nach der Natur der Dinge zu fragen, da eine solche Natur, selbst wenn sie existieren sollte, immer jenseits jeder Erfahrung ist.

Was die wirkliche Wirklichkeit ist, wird uns nie zugänglich sein.

Frage: Warum haben verschiedene Beobachter die gleiche Information (sehen das gleiche Ergebnis)?
Entweder: Weil es nur ein (mein) Bewusstsein gibt.
Oder: Weil eine Welt existiert, in der diese Information unabhängig vom Beobachter besteht.
Beide Möglichkeiten sind absolut gleichwertig.

Naturgesetze dürfen keinen Unterschied machen zwischen Wirklichkeit und Information.
Information ist der Urstoff des Universums.
Wirklichkeit und Information sind dasselbe. 28. Oktober 2005

 

Roger Penrose
Geballte Intelligenz der Atome, DER SPIEGEL, 11/2005

Auch das menschliche Bewusstsein ist im Kern ein quantenmechanisches Phänomen.

 

Albert Einstein an Max Born
Geballte Intelligenz der Atome
, DER SPIEGEL, 11/2005

Eine innere Stimme sagt mir, dass das doch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich davon überzeugt, dass der nicht würfelt.

Stand 04. April 2005

 

Links

Quantenphysik bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Physik

Qantenmechanik bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Quantenphysik

Quantenphysik und eine neue Deutung der Naturgesetze: http://www.geist-oder-materie.de

Quantenphysiker stellen "Realität" in Frage: http://science.orf.at/science/news/147910

 

Jürgen Albrecht, 04. April 2005
Angeles, Philippines
Update: 05.11.2007

BACK