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Was testet der WuK-Test !?

 

 

Ein Intelligenztest im Internet

Dr. Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie an der Universität Göttingen, ist sehr aktiv. Er hat neben vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen einige populärwissenschaftliche Bücher geschrieben und er setzt sich besonders für die Förderung von Kleinkindern, Schülern und Auszubildenden ein.

Seinen im Internet verfügbaren WuK-Test beschreibt er so: 'Ein Verfahren zur Messung wissensabhängiger Kompetenzen. Genauer: Ein Instrument zur Erfassung komplexer exekutiver Frontalhirnleistungen. Ganz einfach: Ein Test für alle, die wissen wollen, was sie wirklich auf der Platte haben.'

Das Testverfahren ist auf Schüler und Auszubildende ausgerichtet, aber '... aufgrund der Sprachfreiheit ist es prinzipiell, global und universell einsetzbar.' Auf den objektiven Charakter des Verfahrens wird besonders hingewiesen: 'Das besonders hohe Mass an Objektivität bei der Datenaufnahme, der Datenauswertung und der Dateninterpretation erlauben genaue Aussagen über individuelle Ausprägung und die aktuelle Nutzbarkeit komplexer, kognitiver und psychoemotionaler Kompetenzen.'


Erfolgreich: 91,4 %


Erfolgreich: 100 %

Copyright for these pictures by Dipl.-Psych. Andreas Skulteti

Die 'Wissens-unabhängige Kompetenz' (WuK) wird mit einem Labyrinthspiel getestet. Ziel ist es, dabei einen Weg über die weissen Felder zu finden, ohne ein Feld auszulassen. Der Testperson werden 15 Minuten lang verschiedene Labyrinthe angeboten. Ihre Aktionen auf den Spielfeldern werden von einem internen 'Dämon' beobachtet. Was er beobachtet und misst ist unklar. Die Beschreibung unter 'Was wird gemessen?' ist nebulös. Der wissenschaftliche Hintergrund dieses Tests wird auf der WuK-Site nicht erläutert. Warum man sich diese Chance bei der WuK-Site entgehen lässt, ist so unverständlich, wie der marktschreierische Stil der Testbeschreibung.

Spätestens wenn man aufgefordert wird, für die Auswertung des 'Spiels' 10 Euro auf ein Konto bei der Sparkasse Göttingen zu überweisen, hat man den Eindruck, dass es hier primär um eine clevere Geschäftsidee, nicht aber um Wissenschaft, Erkenntnis und Wahrheit geht.

Meine 'WuK' waren mir 10 Euro wert. Ich will das Testergebnis sehen! Skepsis ist angesagt, denn der WuK-Test ist offenbar einer von vielen Tests, mit denen das gemessen werden soll, was man gemeinhin als menschliches Denken und Intelligenz bezeichnet. Das aber kann man bisher kaum beschreiben und schon gar nicht messen.

 

Testauswertung und Ergebnisse

Nach 14 Tagen und zwei Mahnungen habe ich die Auswertung meines WuK-Tests erhalten: 14 Seiten die sich lesen, als hätte ich ein Horoskop angefordert. Beispiel:

Spass beiseite, denn natürlich unterstelle ich den Autoren dieses Tests, dass sie seriöse, wissenschaftliche Ziele verfolgen. Das Grundproblem aber besteht darin, dass die komplexen, intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen nicht nach 15 Minuten aus seinem Verhalten bei einem Labyrinthspiel zu beurteilen sind. Auch hier gilt das Prinzip der Verhältnismässigkeit: Komplexes Verhalten und simple Testverfahren schliessen sich aus.

Die Analogie zu Horoskopen ist ein mit Sicherheit nicht beabsichtigter Nebeneffekt. Er entsteht durch die generalisierenden Aussagen im Text, die weder relativiert noch eingeschränkt werden. Es ist einfach vermessen, aus diesem simplen Spiel beispielsweise auf das Weltbild des Probanden schliessen zu wollen.

Die ermittelte Kompetenz setzt sich aus folgenden Teilkompetenzen zusammen, für die in der Auswertung Prozentzahlen und Schulnoten vergeben werden:

Damit wird ein hoch komplexer Sachverhalt (wie beim IQ) auf eine Einwertaussage reduziert. Das kann nicht gut gehen. Wirklich positiv ist nur, dass sich die Autoren anschliessend auf vielen Seiten bemühen, diese Schulnoten mit Textbausteinen zu interpretieren.

In der Auswertung sind graphische Darstellungen (vermutlich der Messwerte) enthalten (s.o.). Da der Hintergrund dieser Diagramme nicht erläutert und die Darstellungen nicht interpretiert werden ist unklar, was der Proband mit diesen netten Bildchen anfangen soll. Auf alle Fälle machen sie einen guten, weil wissenschaftlichen, Eindruck.

Die Autoren wundern sich über die extremen Unterschiede meiner Testwerte: Problemlösungskompetenz und Flexibilität 16 Prozent. Motivation, Impulskontrolle und Frustrationstoleranz 90 Prozent. Sie versuchen das mit meinen (angeblichen) persönlichen Eigenschaften zu erklären (s.o). Dabei sind beispielsweise solche Differenzen ein deutlicher Hinweis auf Schwächen des Testverfahrens.

Mit Sicherheit werden im Hintergrund die ermittelten Messwerte sauber und mit statistisch korrekten Methoden ausgewertet. Eine völlig andere Qualität als die gemessenen Daten besitzen aber die Kompetenzen, denen die Messwerte dann direkt zugeordnet werden. Es ist eine Fiktion, beispielsweise die Problemlösungskompetenz des Probanden mit den entsprechenden Messwerten gleichzusetzen und zu erwarten, dass diese Kompetenz mit der gleichen statistischen Sicherheit der Messwerte ermittelt wurde.

Genau dieser Eindruck aber wird in der Auswertung vermittelt. Dass so vorgegangen wird, und der Test als 'global und universal' zur Messung intellektueller Kompetenzen angesehen wird, zeigt, dass Prof. Hüther & Co im euphorischen Überschwang die realistische Sicht auf ihren Test und damit ihre eigene 'Halluzinationskontrolle' verloren haben.

 

Die Schwachstellen

Was in diesem Test als 'wissensunabhängige Kompetenz' bezeichnet wird, ist Teil des menschlichen Denkens. Allgemein werden solche Fähigkeiten als Intelligenz, Cleverness, Klugheit usw. bezeichnet.

Sobald man diese Begriffe hinterfragt und zu klassifizieren versucht, gerät man in grosse Schwierigkeiten. Was ist Denken? Welche 'Teilkompetenzen' beschreiben vollständig das menschliche Denken? Welche Fähigkeiten sind für das Problemlösen erforderlich? Was ist überhaupt ein Problem und welche Problemklassen kann (und muss) man unterscheiden? Die Reihe der Fragen liesse sich endlos fortsetzen.

Im Wuk-Test wird mit unscharf definierten und unvollständig klassifizierten 'Teilkompetenzen' hantiert. Den Autoren muss bekannt sein, dass nicht einmal über diese Begrifflichkeit wissenschaftliche Einigkeit herrscht. Sie ist aber Voraussetzung für die Beschreibung und die qualitative (z.B. verbale) Bewertung solcher Teilkompetenzen. An numerische Messverfahren und die quantitative Bewertung ist nicht zu denken, weil dieser Schritt nicht vor der unstrittigen qualitativen Bewertung erfolgen kann.

Unter diesen Umständen ist es todesmutig, in 15 Minuten Teilkompetenzen messen und durch Einwertaussagen bewerten zu wollen.

 

Wie komplex und schwierig sich der Sachverhalt schon bei einem einfachen Labyrinthspiel gestaltet, ist an einem Beispiel zu sehen:

Was ist das Ziel des Testspiels? Soll der Spieler möglichst schnell viele weisse Felder in möglichst vielen Labyrinthen berühren? Eine solche Zielfunktion ist mühelos numerisch auszuwerten, wie die beiden ersten Bilder oben zeigen.

Ein dazu konträres Ziel besteht darin, die vollständige Lösung möglichst vieler Labyrinthaufgaben in einer bestimmten Zeit anzustreben. Ungelöste Labyrinthe werden nicht gewertet. Bei diesem Ziel muss das Spiel mit einer völlig anderen Strategie als beim ersten Ziel angegangen werden.

Für beide Fälle finden sich in der Realität Problemlösungsprozesse, die mit diesen Zielen und so konträr unterschiedlichen Problemlösungsstrategien zu bearbeiten sind. Damit sind aber die Variationen der Ziele und der Spielstrategien noch lange nicht ausgeschöpft. Es lassen sich mühelos weitere (auch gegenläufige) Ziele definieren, Handicaps einbauen und Umstände variieren (Korrekturmöglichkeit, Labyrinthe mit mehreren und einer optimalen Lösung ... usw.). Sofort entsteht eine Wolke prinzipiell möglicher Ziele, nur für ein simples Labyrinthspiel!

Die Auswertung des Spiels ist aber direkt von der Zieldefinition abhängig. Der Proband kann nur effektiv arbeiten, wenn er weiss, was von ihm verlangt wird. Ich habe beispielsweise dem Test das erste Ziel unterstellt. Kein Wunder, dass der Dämon nicht begeistert von meinen Leistungen war!

Es ist ein schwerwiegender Mangel des WuK-Tests, dass der Proband vor Testbeginn nicht exakt und ausführlich darüber informiert wird, was beobachtet und gemessen wird. Die Autoren vermeiden das mit Bedacht, weil sie auch unbewusste Aspekte der Teilkompetenzen messen wollen. Das aber ist viel zu hoch gegriffen. Sie sollten froh sein, wenn sie integrales Verhalten messen könnten, das eindeutig mit den Denkleistungen des Probanden korreliert.

 

Aus meiner Sicht besitzt der WuK-Test gravierende Schwachstellen:

  • Komplexes, menschliches Verhalten numerisch mit einem simplen Labyrinthtest messen und bewerten zu wollen, ist ein Widerspruch in sich.
  • Es fehlt der wissenschaftliche Nachweis, dass Messwerte aus dem Labyrinthtest mit der Qualität von 'Teilkompetenzen' gleichzusetzen sind.
  • Der Begriffsapparat bleibt im Dunklen und es ist deshalb völlig unklar, wie und ob überhaupt WuK mit den intellektuellen Fähigkeiten des Probanden korreliert und was mit dem WuK-Test eigentlich gemessen wird.
  • Die Testperson wird offenbar ganz bewusst über die Ziele des Tests im Unklaren gelassen. Sie weiss nicht, was im Hintergrund gemessen und anschliessend bewertet wird. Das widerspricht völlig den normalen Umständen realer Problemlösungsprozesse.
  • Das Problemlösungsverhalten wird nur mit einer Problemklasse (Labyrinth) getestet. So kann man keine Daten ermitteln, die für alle Problemklassen repräsentativ sind.
  • Die Umstände der Messung und Auswertung werden nicht offen gelegt. Beispielsweise wird angeblich die Flexibilität getestet und bewertet, die Testperson hat im Test aber keine Korrekturmöglichkeiten, die entscheidend für ein flexibles Verhalten sind.

 

Was also testet der WuK-Test ?!
Für die Testperson ist nicht erkennbar, was mit diesem Test eigentlich getestet und gemessen wird und welche Aussagen daraus zu gewinnen sind. Analysiert man den Test ohne das Hintergrundwissen der Autoren, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass die Korrelationen zwischen den WuK-Teilkompetenzen und den Messwerten nur postuliert werden, aber nicht nachgewiesen sind.

Den Testautoren werden ausdrücklich ehrenwerte Motive unterstellt. Es ist durchaus verdienstvoll und notwendig, sich mit den Grundfragen der Beschreibung und Bewertung des menschlichen Denkvermögens zu befassen. Aber es ist unseriös, 15 Minuten nach einem Labyrinthspiel auf die intellektuelle Kompetenz und das Weltbild der Probanden zu schliessen.

Ein automatisierter Dämon, der den Proband im Hintergrund beobachtet und bewertet, ist ein alter Wunschtraum vieler Wissenschaftler. Was aber kann ein Dämon leisten, wenn der Mensch, der ihn programmiert, den Proband auch nicht nach 15 Minuten bewerten kann? Dass er sich vielleicht nach 15 Tagen gemeinsamer Arbeit über den Klienten ein verbales Urteil bilden kann, zeigt die Komplexität des Problems, dessen schnelle und sogar numerische Lösung mit dem WuK-Test vorgegaukelt wird. Das gesicherte, wissenschaftliche Terrain verlassen die Autoren aber endgültig damit, dass sie mit dem Test marktschreierisch ein Geschäft aufziehen.

Trotzdem: Machen Sie den WuK-Test, wenn Sie 10 Euro übrig haben!
Der mit den Testergebnissen angerichtete psychische Schaden hält sich in Grenzen.

 

Links und Literatur zum Thema

Das Manifest - Elf führende Neurowissenschaftler
über Gegenwart und Zukunft der Hirnforschung: www.gehirnundgeist.de

Intelligenz-Messung: http://www.planet-wissen.de

'Your personal DNA' ist zwar irreführend, aber dieser Test ist wissenschaftlich o.k.
Mehr geht nicht: www.personaldna.com/tests.php

Grundsätzliche Kritik des IQ-Begriffs (-Verfahrens): http://de.wikipedia.org

Bücher zu Intelligenz-Tests: http://titan.bsz-bw.de/

Kinder gezielt fördern: Gerald Hüther, Cornelia Nitsch GRÄFE UND UNZER (2004), ISBN 3774263574

Kompetenztest "WuK" zeigt Lerndefizite bei Schülern: http://www.3sat.de

Systematische Heuristik: http://de.wikipedia.org

Intelligenzmessung in der Kritik: http://www.quarks.de

Die Grenzen der künstlichen Intelligenz: http://www.cse.unsw.edu.au

Vorboten eines neuen Typs intelligenter Rechner: http://www.igi.tugraz.at

Parallelen zum Wuk-Test: Geschäfte mit der Talentfindung: www.naturtalent-stiftung.de

 

Jürgen Albrecht, 02. July 2005
Update: 05.11.2007

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