BACK

Hohe Bildqualität digitaler Kameras
Wer braucht heute noch eine Spiegelreflexkamera?
   
Wo liegt das Problem?

Wenn es um die Bildqualität digitaler Kameras geht hört man oft: Wer gute Fotos haben will, braucht eine Spiegelreflexkamera. Das ist falsch! Man kann sehr gute Bilder mit einer Kompaktkamera machen und man kann auch mit einer Spiegelreflexkamera sehr schlechte Bilder produzieren. Das Problem der Bildqualität ist mit dem Kauf einer Spiegelreflexkamera nicht gelöst.

Wie immer ist es so einfach nicht. Bildqualität ist ein komplexes Problem. Die ästhetische Bildqualität wird hier völlig ausgeklammert, denn wie ein Bild auf die Emotionen wirkt, ist ausschliesslich von subjektiven Faktoren abhängig.

Die technisch zu beeinflussende Bildqualität hängt mindestens von folgenden Faktoren ab (keine Rangordnung!):

  • Grösse des Bildsensors
  • Sensortyp
  • Bildgrösse (in Pixel)
  • Hohe Auflösung
  • Geringes Rauschen
  • Interne Bildverarbeitung
  • Kameratyp und -hersteller
  • Objektiv
  • Grösse des Zoom
  • ISO-Empfindlichkeit
  • Kameraeinstellungen

Diese Parameter entscheiden über die Bildqualität (Spiegelreflex ist also nur ein Merkmal!), und die Bildqualität wird beurteilt durch eindeutige Messwerte: Bildgrösse, Auflösung, Rauschen u.a.

Die Fachzeitschrift CHIP veröffentlich in ihren Bestenlisten für die aktuell besten Kameras diese und noch viele andere Messwerte. Betrachtet man diese Fakten möglichst objektiv so kommt man zu überraschenden Feststellungen:

  • Die Bildqualität aktueller Digitalkameras ist sehr hoch.
  • Nur Profis brauchen für Spezialfälle mehr als eine Kompaktkamera.
  • Die Spiegelreflexkamera ist ein Auslaufmodell,
    Micro-Four Third ist die Zukunft der Profi-Kameras.

 

 

Wie sieht schlechte Bildqualität aus?

Einige Beispiele für deutlich schlechte Bildqualität und ihre Ursachen:

Steinböcke

Kraniche

Menschen

Diese Bilder sind unscharf. Nicht, weil der Autofocus versagt hat, sondern weil die Kamera zu weit weg ist. 14x Zoom verführt zu solchen Bildern, bei denen das Objekt bis zu drei Kilometer entfernt ist. Bei einer Sensorgrösse von 1/2,3 Zoll ist die Auflösung viel zu gering, um unter diesen Umständen noch ein scharfes Bild zu erzeugen. Zu wenig Licht verschärft das Problem (unten). Bei starkem Kontrast treten deutliche Artefakte auf (oben).
Alle Bilder ISO 80, originale Auflösung 14 MP, unbearbeitet!

 

Abenddämmerung
Sonnenuntergang mit Nikon P7000
Wolkenkante

 

Links: Keine klaren Farben. Diese Probleme treten besonders in Farbverläufen bei wenig Licht auf: Beispiel Sonnenuntergang. In der Natur sind die Farben klar, im Foto ist der Farbwert mit Schwarz gemischt (verschwärzlicht). Ursache ist die interne Bildbearbeitung der Kamera. Summarisch ist das Rauschen dafür verantwortlich.
Fotografiert mit Canon SX 210 IS (s. u. Nr. 28).
Beide Bilder ISO 80, originale Auflösung 14 MP, unbearbeitet!

Rechts: Sichtbar besser.
Vergleich Sonnenuntergang: Fotografiert mit Nikon P700 (s.u. Nr. 1).
ISO 100, originale Auflösung 10 MP, unbearbeitet!

 

Dach bei Iso 1600

Armatur Iso 3200

Diese Bilder sind körnig. Deutlich ist zu sehen, dass das Bild aus einzelnen, mehr oder weniger grossen Punkten aufgebaut ist. Auch hier wird Schwarz in den Farbton gemischt. Der negative Effekt wird durch Artefakte verstärkt: Grosse, grobe Körner, die besonders in den dunklen Tönen auftauchen. Sie treten noch deutlicher hervor, wenn man das Bild vergrössert (Digitaler Zoom). Damit gehen wesentliche Bilddetails verloren. Solche Bildstörungen sind typisch für hohe ISO-Werte, kombiniert mit wenig Licht.
Bild oben ISO 1.600, unten ISO 3.200, originale Auflösung 14 MP, unbearbeitet!

 

In der Realität sind die beschriebenen Bildstörungen in einem schlechten Foto kombiniert zu beobachten. Dazu kommen weitere Störungen: Farbabweichung, Texturverlust, Kontrast, Verzeichnung, Vignettierung, Dynamikumfang u.a., die hier nicht betrachtet werden. Im Endeffekt sinkt dadurch der Informationsgehalt des Bildes dramatisch, u.U. bis auf Null.

Diese Bilder wurden zwar alle mit der Canon SX 210 IS fotografiert (s.u. Nr. 28, Ausnahme: Vergleich). Solche Störungen sind aber typisch und können bei jeder Kamera mehr oder weniger auftreten. Jede Kamera ist irgendwann überfordert.
Die entscheidende Frage ist: Wann ist diese Grenze erreicht?!

 

 

Ein Spezialproblem: Mega-Zoom

Bei viel Zoom wird auf ein weit entferntes Objekt scharf gestellt. Ist dieses Objekt (z.B. der Fernsehturm)
viel kleiner als das Bildformat, reicht die Auflösung nicht aus, um es scharf und detailreich abzubilden (Formatfüllung).

Diesen Sachverhalt demonstriert das folgende Testbild:

Fernsehturm Wannsee

Foto mit Sony HX20V, Bildausschnitt, originale Auflösung 18 MPixel - Das Problem: 
20x Zoom, lichtschwache Optik und 18 MPixel -> Dann liefert der klitzekleine Bildsensor zu wenig Informationen und die versucht man digital zu verstärken und zu filtern.
Ergebnis: Heftige Aquarelleffekte. 

 

Mehr zu schlechter Bildqualität und den Schwächen der internen Bildbearbeitung bei Mega-Zoom hier: www.storyal.de/story-2012/mega-zoom.html

 

 

Bildqualität aktueller Digitalkameras

In dieser Übersicht wurden die aktuell besten Kameras der führenden Hersteller zusammengefasst. CHIP hat drei Kategorien für Digitalkameras gebildet: Kompaktkamera, Spiegelreflex (DSLR) Amateur, Spiegelreflex Profi (meine Worte). Die Canon SX 210 IS (s. unten Nr. 28) wird als Kompaktkamera im Mittelfeld angesehen und ermöglicht den Vergleich zu den Spitzenmodellen.

Ohne ins Detail zu gehen, ist mit dieser Übersicht die Bildqualität der Kompaktkameras mit der von DSLR-Kameras zu vergleichen:

 

CHIP-Bestenliste - Kompaktkamera - Oktober 2010

CHIP-Bestenliste - DSLR-Kameras bis 1.000 Euro - Oktober 2010

CHIP-Bestenliste - DSLR-Kameras - Oktober 2010

Rangfolge bei CHIP am 24.Oktober 2010

Schon dieser Vergleich macht stutzig:

  • Die maximale Bildqualität liefern DSLR-Kameras
  • Auch Profi-DSLR haben eine Bildqualität unter 90 %
  • Es gibt aber auch Kompaktkameras mit einer Bildqualität über 90 %
  • Micro-Four-Thirds-Kameras (sog. Systemkameras) haben (noch) keine hohe Bildqualität
  • Ein hoher Preis (3.814,99 Euro) garantiert keine hohe Bildqualität!
  • Die Bildqualität der Canon SX 210 IS liegt im Mittelfeld und ist angeblich schlecht ... (s.o.)
    Sehen Sie sich diese Bildqualität an: Testbilder ...

 

 

Bildqualität im Detail: SENSORGRÖSSE

Der Bildsensor einer Digitalkamera entspricht dem Film in einer analogen Kamera. Der Bildsensor ist lichtempfindlich und bildet das spätere Foto ab. Die Fläche des Sensors ist mit lichtempfindlichen Fotodioden belegt: Eine Diode = ein Pixel. Ohne die Qualität des Objektivs, die interne Bildbearbeitung in der Kamera und andere Faktoren zu berücksichtigen gilt der rein physikalische Zusammenhang: Je grösser die Fläche des Bildsensors, desto mehr Licht wird von der Kamera eingefangen und kann an die Fotodioden weitergereicht werden. Grosser Bildsensor und eine moderate Bildgrösse (um ca. 10 MPixel), sind rein physikalische Voraussetzungen für eine hohe Bildqualität.

 

Bildsensor, Grösse Digitalkamera

 

 

Da der Bildsensor einer Kompaktkamera weniger als 10 Prozent (!) der Fläche einer DSLR-Kamera besitzt, müsste die Bildqualität von DSLR-Kameras qualitativ und sehr deutlich besser sein, als die von Kompaktkameras.

Genau das ist nicht der Fall, wie die folgende Übersicht zeigt!
Das Missverhältnis ist z.B. bei DSLR Nr. 4. und 11. extrem:

 

Bildqualität und Sensorgrösse

Rangfolge bei CHIP am 25.Oktober 2010

 

 

Bildqualität im Detail: AUFLÖSUNG

Die Auflösung des Bildsensors (Linienpaare pro Bildhöhe) wird von CHIP für die Kameras mit einem ISO-12233-Chart gemessen:

ISO-12233-Chart

Messung der Auflösung

Bei diesem Verfahren wird gemessen, wann parallele Linien als einzelne Linie wahrgenommen werden. Der Messwert charakterisiert objektiv, in welchem Masse Details auf einer Fläche (z.B. auf dem Chart) noch wahrgenommen werden können. Mit diesem Messverfahren können die Empfindlichkeit des menschlichen Auges, die Auflösung von Scannern oder die noch auf Papier druckbaren Details ermittelt werden (DPI, LPI).

In der folgenden Übersicht sind deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Kameras zu erkennen. Dass die Auflösung in der Regel stark von der ISO-Empfindlichkeit abhängt, wird berücksichtigt. Grundsätzlich gilt und ist logisch: Je grösser die Fläche des Sensors, umso grösser ist auch die Auflösung, wenn die Anzahl der Dioden pro Fläche gleich bleibt. Trotzdem treten immer noch grosse Differenzen auf, weil besonders die Qualität des Objektivs und die interne Bildverarbeitung die Auflösung der Kamera wesentlich beeinflussen.

Auch hier wieder bei der Canon SX 210 IS ein Ausreisser: Sehr hohe Auflösung bei ISO min trotz kleinem Sensor, einer Bildgrösse von 14 MPixel und einem Objektiv mit 14x Zoom! Dafür kann nur die hochwertige Optik und die interne Bildverarbeitung verantwortlich sein. Viele Faktoren sind für eine gute Bildqualität verantwortlich: Alleine eine hervorragende Auflösung ergibt noch keine hohe Bildqualität:

 

Bildqualität und Auflösung

Rangfolge bei CHIP am 25.Oktober 2010

 

Bildqualität im Detail: RAUSCHEN

Chip misst das Bildrauschen nach der ISO-Norm 15739 per Durchlichtvorlage in einer Ulbricht-Kugel. Auch dazu wird eine standardisierte Vorlage verwendet. Gemessen wird, in welchem Masse das Signal des Bildsensors durch ein überlagertes Rauschen gestört wird. Hier sind Details zum Messverfahren nachzulesen. Der Signal/Rausch-Abstand SNR wird als "Rauschen" bezeichnet. Jedes reale Signal ist von einem gewissen Rauschen überlagert. Je geringer das Rauschen, desto klarer ist das Signal wahrnehmbar. Im Radio ist das Rauschen bei schlechtem Empfang zu hören, beim digitalen Bild ist das Rauschen zu sehen. Der praktisch unerreichbare Idealwert ist Null.

Das Bildrauschen ist eine wesentliche Einflussgrösse für die Bildqualität, weil auch ein geringes Rauschen in Vollflächen und Farbverläufen sofort sichtbar wird (Analogie zu Zahnstreifen ...!): Siehe oben, schlechte Bildqualität! Das Bildrauschen ist ein elektronisches/digitales Problem, und es wird in erster Linie durch die Hardware (Bildsensor) und durch die interne Bildverarbeitung beeinflusst. Das Bildrauschen steigt mit der ISO-Empfindlichkeit. Deshalb ist das Rauschen für die sinkende Auflösung bei höheren ISO-Werten verantwortlich.

Die Übersicht zeigt wieder deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Kameras. Bildqualität 100 % setzt sehr geringes Rauschen voraus. ABER: Geringes Rauschen ist kein Kennzeichen ausschliesslich von DSLR-Kameras! Die Grössenordnung des Rauschens ist für alle aktuellen Kameratypen ähnlich und sehr gering. Ein wesentlicher Grund dafür, dass heute die Bildqualität von Digitalkameras generell sehr hoch ist:

 

Bildqualität und Rauschen

Rangfolge bei CHIP am 25.Oktober 2010

 

Das Facit

Die Analyse der Messwerte aktueller Kameras durch CHIP hinsichtlich ihrer Bildqualität führt zu überraschenden Ergebnissen, die wie folgt zusammengefasst werden können:

  1. Die Bildqualität aktueller Digitalkameras ist sehr hoch. Deshalb macht bei Sonne oder viel Licht jede Digitalkamera gute Fotos.
  2. Kameras mit besonders hoher Bildqualität sind nicht nur unter DSLR- Kameras, sondern auch bei den Kompaktkameras zu finden
  3. Profi-Anforderungen an die Bildqualität sind Anwendungen, die hohe Empfindlichkeit, hohe Auflösung, sehr kurze Verschlusszeiten und Serienbilder voraussetzen:
    z.B. Sportaufnahmen und Fotos bei wenig Licht.
  4. Hohe Bildqualität wird nicht durch einen Parameter, sondern durch das optimale Zusammenspiel vieler Faktoren erreicht.
  5. Wer auf eine hohe Bildqualität wert legt, sollte vor dem Kauf Testberichte lesen.
  6. Micro-Four-Third-Kameras (Systemkameras) sind noch nicht serienreif.
  7. Die Spiegelreflexkamera ist ein Auslaufmodell, der
    Micro-Four-Third-Standard ist die Zukunft für Profi-Kameras.
  8. Wirtschaftliche Interessen kollidieren mit objektiven, technischen Sachverhalten.

 

ERLÄUTERUNGEN

Zu 1.
Die Testbilder einer Kamera mit durchschnittlicher Bildqualität (Canon SX 210 IS, Nr. 28) beweisen diese These. Wer braucht wirklich noch bessere Fotos?!

Zu 2.
Bildqualität 100 % bieten zwar nur DSLR-Kameras, aber die Kompaktkameras mit Sucher von Nikon und Canon (Nr. 1. und 2.) sind bei ISO min praktisch gleichwertig. Dabei aber deutlich leichter und billiger.

Zu 3.
Eine noch bessere Kamera benötigen wirklich nur Profis, die auch in der Dämmerung mit ISO 1.600 noch rauscharme Sportfotos machen und Porträts aus zwei Kilometer Entfernung schiessen wollen. Das geht nicht mit einer Kompaktkamera. Aber das dann zur Profi-DSLR gehörende Teleobjektiv kostet alleine 6.000 Euro.

Zu 4.
Die Faktoren, die optimal zusammenspielen müssen sind mindestens: Grösse des Bildsensors, Sensortyp, Bildgrösse (in Pixel), Interne Bildverarbeitung, Kameratyp und -hersteller, Objektiv, Grösse des Zoom, ISO-Empfindlichkeit, hohe Auflösung, geringes Rauschen und Kameraeinstellungen.

Zu 5.
Nur Messwerte, Testberichte und möglichst eigene Probeaufnahmen ermöglichen die Beurteilung der Bildqualität einer Digitalkamera.

Zu 6.
Keine Micro-Four-Third-Kamera hat bisher Spitzenwerte bei der Bildqualität erreicht. Und das bei fast zehnfacher Vergrösserung der Sensorfläche gegenüber den Kompaktkameras! Das weist eindeutig auf Entwicklungsdefizite bei Hard- und Software hin.

Zu 7.
Trotzdem werden Micro-Four-Third-Kameras die Spiegelreflexkameras in Zukunft ablösen. Aus einem ganz simplen Grund: Digitalcameras brauchen diesen Spiegel nicht, sie zapfen den Bildsensor an und haben damit Live View.

Zu 8. Das Schlusswort:
In Spiegelreflexkameras stecken 80 Jahre Entwicklung und Erfahrung. Die Wechseloptik unterliegt keinem Verschleiss. Der Klappspiegel und der grosse Sensor werden zwar technisch nicht mehr benötigt, und das Micro-Four-Third-System ist passfähig zur Digitalfotografie. Aber die Umsetzung dieses Prinzips erfordert eine Neukonstruktion des Camerabodys und neue Wechselobjektive! Das kostet Geld, viel Geld.
Deshalb wird kein Kamerahersteller oder -Verkäufer meine o.g. Thesen unter das Volk bringen wollen! Die Kameraindustrie will Umsatz und Profit machen, zur Not auch gegen den technischen Trend. Es wird also noch lange dauern, bis eine Micro-Four-Third-Kamera im Stil einer Bridgekamera mit einem fest eingebauten 30x-Zoom-Objektiv auf dem Markt erscheint. Schliesslich will man sich nicht selbst den Ast absägen, auf dem man Wechselobjektive verkauft.
Völlig klar aber ist: Langfristig ist die Spiegelreflexkamera out und Micro-Four-Third-Kameras mit Wechseloptik sind ein technischer Anachronismus, seit es Bridge-Cameras mit 24x-Zoom und mehr gibt.

 

Micro-Four-Thirds Systemkamera

 

 

Links zu Bildqualität & Digitalkamera

 

Grundlagen Digitaler Kameras http://de.wikipedia.org ...

Grundlagen und Messung des Bildrauschens www.framos.eu ... und http://de.wikipedia.org ...

Auflösung, Grundlagen www.adf.de ... und www.filmscanner.info ...

Bildqualität digitaler Kameras www.storyal.de ...

Testbericht und Testbilder der Digitalkamera Canon SX 210 IS www.storyal.de ...

 

 

Wikimindmap Digitalfotografie

 

Jürgen Albrecht, 24. Oktober 2010
update: 08.09.12

BACK