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Das globale Wertgefälle

 


Das entscheidend Problem der Dritten Welt besteht darin, dass es zu viele (unqualifizierte) Menschen und zu wenige Jobs gibt. Die deutlich unterschiedliche Wertschöpfung (messbar über das BIP) zwischen der Ersten und der Dritten Welt führt zu einem starken Wertgefälle. Deshalb ist hier an der Alona Beach (Panglao Island, Bohol, Philippines) ein Euro wesentlich mehr wert, als in Berlin und ein Filipino hat praktisch keine Chance, ein sicheres, monatliches Einkommen von nur 100 Dollar zu erreichen.

Was für Bohol und die Philippinen gilt, trifft auf ganz Südostasien und auch auf Teile von China zu. Nur die Ausländer, die mit ihrem in Europa oder den USA verdienten Geld hier herkommen, können von dem Wertgefälle profitieren. Grob über den Daumen gepeilt bekommt man hier für einen Euro fünfmal mehr Material und zehnmal mehr Bauland und Dienstleistungen, als in Berlin.

Mit 1000 Euro pro Monat kommt man als Single mit einer Mietwohnung in der Mitte von Berlin gerade so über die Runden, hier kann man damit leben, wie die Made im Speck. Ein tatsächlich 'Luxury Apartment' kostet 400 US$ pro Monat: Auf 40 Quadratmetern: Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer, Dusche, Balkon, alles möbliert. Mindestens jeden zweiten Tag wird saubergemacht und abgewaschen, die Wäsche wöchentlich gewechselt. Der Swimming Pool vor dem Balkon, das hauseigene Restaurant auf der anderen Seite des Pools. Hier kann man von 7:30 bis Mitternacht Essen und Trinken. Frühstück 2 bis drei Dollar, ein Mittagessen zwischen 4 und 7 Dollar. Ein Kaffee 50 C, ein Bier 80 C, ein Mango Juice 70 C. Und das ist relativ teuer. In der Garküche auf dem Weg zur Beach, nur 150 Meter entfernt, kann man sich für zwei Dollar soviel kaufen, dass man es kaum aufessen kann. An der Alona Beach sind die Preise verhältnismässig hoch, weil hier Touristen für Jobs sorgen. Auf anderen, von Touristen nicht so frequentierten Inseln und Gegenden, ist alles noch bis zu 50 Prozent billiger.

Bauland kostet in dieser Gegen einen bis 25 Dollar/qm. Zum Vergleich: In Berlin 150 bis 250 Dollar/qm. Ein Hausmädchen arbeitet hier 10 Stunden täglich mindestens 6 Tage in der Woche und sie ist glücklich, wenn sie am Monatsende 35 bis 50 Dollar bekommt. Sie wohnt in der 'Mädchenkammer' oder dem Staff House und isst von dem Essen, das sie im Haushalt kocht. Wohnt sie ausserhalb, erhält sie 20 Dollar mehr. Das staatlich vorgegebene Mindestgehalt von 60 bis 70 Dollar/Monat ist meistens nur Illusion. Tagelöhner verdienen zwei bis drei Dollar für zehn Stunden Arbeit, ohne Verpflegung. Es gibt keine Gewerkschaften, es gibt de facto keine Arbeitsverträge, keine geregelte Arbeitszeit. Die grössten Probleme der Geschäftsleute: (1) Korrupte und unfähige Politiker, verbandelt mit der Macht der Katholischen Kirche, (2) Keine qualifizierten Fachleute und (3) Kein mit Europa vergleichbares Vertragssystem.

Wer sich hier einen zweiten Wohnsitz einrichten will, braucht weder seinen deutschen Pass abzugeben, noch eine neue Staatsbürgerschaft anzunehmen. Mit 100.000 Euro kann er sich ein komfortables Haus auf seinem grossen Grundstück am Meer bauen, die doppelte Summe kann man in einem Haus kaum verbauen. Auf die Segnungen der Zivilisation braucht niemand zu verzichten, der Geld hat: Krankenhaus, Ärzte, Auto, Möbel, Haushaltsgeräte, TV, Baumaterial, Strom, Telefon, Internet und überall Staffs, die Haus und Pool in Ordnung halten und froh sind, einen Job zu haben.

Mit dem Geldvermehrungs-Trick durch das Wertgefälle ist ein ganz normaler Rentner aus Germany hier auf den Philippinen plötzlich ein reicher Onkel. Er kann sich Dinge leisten, von denen er in Berlin nicht einmal träumen kann: Sonne und Palmen, weisse Strände, unbewohnte Inseln und Korallen, sobald man 10 Meter weit ins Wasser geht. Täglich kann man mit Auslegerbooten raus auf's Meer zum Schnorcheln und Tauchen fahren oder auf einem (oder seinem) Segelboot die Seele baumeln lassen.

Yuppies in Germany, 40 Jahre alt und ohne Chance, von Germany eine Rente zu erhalten, können mit dem Wertgefälle ihr schwer verdientes Geld auf einen Schlag mit dem Faktor Fünf multiplizieren. Wer Angst vor der Zukunft und der Inflationsrate in der Ersten Welt hat, kann sein Eigentum zu Geld machen und damit in Südostasien neu anfangen.

Hier leben ausgesprochen freundliche Menschen, zurückhaltend und friedlich. Niemand braucht dank des angenehmen Klimas zu hungern. Bananen und Mangos wachsen das ganze Jahr, Fische und Meeresfrüchte liefert die See. Obwohl die meisten Regenwälder abgeholzt sind, existiert noch viel schöne Natur... Und wenn in den USA oder Europa das Öl und damit der Strom ausgeht, dann ist es hier immer noch schön warm und das Angebot in den vielen hervorragenden Garküchen ändert sich kaum: Nur Coca Cola, St. Miguel Beer und Kühlschränke gibt es dann nicht mehr. Auch das Trinkwasser ist kein schwieriges Problem: Es regnet oft, also gibt es genug Regenwasser, das man nur auffangen und filtern muss.

Aber das Ganze funktioniert nur, wenn man schon Geld hat. Hier ist kein Geld zu verdienen, dafür gibt es einfach zu wenig zahlungskräftige Kunden. Mit einer soliden Qualifikation und einem kleinen Business wird man maximal die laufenden Kosten decken können. Denkt man an die Zukunft unter dem Einfluss der aggressiv und global agierenden USA, ist ein wirtschaftlicher Boom in Südostasien sehr unwahrscheinlich. Nur der aber könnte das Wertgefälle und die wirtschaftlichen Verhältnisse in dieser Region grundlegend ändern.

 

Jürgen Albrecht, 03. März 2003

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