Das Land der grossen Gegensätze
Nach dieser Reise sehe ich im Gegensatz zu früher Amerika wesentlich
differenzierter. Am ehesten ist Amerika das Land der grossen Gegensätze.
Hier ist alles möglich, gleichzeitig aber ist auch sehr vieles
unmöglich:
- Es gibt den
Amerikaner' nicht. Es ist ratsam, strikt mindestens zwischen
der Administration, dem intellektuellen Amerika und den privaten
Amerikanern zu unterscheiden.
- Die Vereinigten
Staaten sind eine imperiale Grossmacht - global, heilsgewiss und
aggressiv. Die Grundeinstellung der amerikanischen Administration
ist die der spanischen Eroberer, nur auf neuestem technischen Niveau.
- Amerikas Intellektuelle
sind besonnen, denken aber in Sachen Freiheit der Wissenschaft und
Wirtschaft wesentlich liberaler als die Europäer.
- Der Bildungsstand
und die Tischmanieren der privaten Amerikaner sind entsetzlich,
ihre Gastfreundschaft, Offenheit und Toleranz bewundernswert. Den
weissen Amerikanern merkt man ganz deutlich noch ihre europäischen
Wurzeln an.
- Amerika besitzt
keine eigenständige, gewachsene Kultur. Die Eroberer brachten
ihre Kultur aus Europa mit, alles was davon lästig, störend
und mit Aufwand verbunden war, liessen sie einfach unter den Tisch
fallen: Solide Arbeit, Ordnung, Besonnenheit, Bildung, das Gewissen
und die Manieren beim Essen. Dafür aber sind Fahnen, Waffen
und Jesus allgegenwärtig.
- Die vielen
christlichen Kirchen und der Wunderglaube der Amerikaner sind verwirrend.
Gleichzeitig sind die Menschen absolut rational und zielstrebig,
z.B. wenn es darum geht, ein Haus zu bauen. Das steht nach wenigen
Tagen, aber nicht für die nächsten 100 Jahre.
- Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
waren die Ideale der Französichen Revolution. In Amerika steht
die Freiheit absolut im Vordergrund, sie wird von jedem Einzelnen
wörtlich genommen.
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- Im Gegensatz zur Freiheit,
sind Gleichheit und Brüderlichkeit seit der Staatsgründung
keine Grundwerte Amerikas.
- Amerika besitzt eine liberale,
demokratische Verfassung. Gleichzeitig aber zeigt Amerika exemplarisch,
dass die Demokratie nicht funktioniert: Die wirtschaftlichen und
militärischen Ziele der USA haben nichts mit den Interessen
und Bedürfnissen der privaten Amerikaner zu tun.
- Freiheit
und Pluralismus sind Synonyme. Aber nicht für Amerika. Alle
Staaten der Welt sollen so sein oder werden, wie Amerika ist. Unilateralismus
statt Pluralismus. Mit globaler Wirtschaftsmacht,
Nation Building und mit militärischer Gewalt setzt
sich Amerika über die Freiheit der Andersdenkenden hinweg.
- Die sprichwörtliche Freiheit
Amerikas gilt in erster Linie für die Weissen. Auch 50 Jahre
nach der Abschaffung der Apartheid sind die Schwarzen und die Latinos
ganz deutlich sozial benachteiligt.
- In vielen Indianer Reservaten
gibt es weder Wasserleitungen, Abwasser, Strom noch Librarys, aber
in grossen Städten ist nicht nur die Infrastruktur vorbildlich,
sondern es ist auch jeder nur denkbare Service per Telefon oder
Internet zu mobilisieren.
- Die kapitalistische Wirtschaft
floriert global, aber die auch privatwirtschaftlich organisierte
Gesundheits- und Sozialfürsorge, lässt die Armen der Gesellschaft
weitestgehend im Stich.
- Amerikas Wirtschaft hat den
ersten Massenwohlstand geschaffen. Trotzdem leben Millionen Menschen
am Existenzminimum. Gleichzeitig gibt es Millionen von Menschen,
die nicht mehr wissen, was sie mit ihrem Geld und ihrer Zeit anfangen
sollen. Für sie wurden solche Glitzerstädte wie Las Vegas,
Hollywood und San Francisco gebaut.
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