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Galiläa
Schon als mir dieser Mann vor dem Bus ruhig und sorgsam das Ticket abriss wusste ich: Dieser Reiseleiter ist ein völlig anderer Typ als der gestern in Jerusalem. David – seinen richtigen Namen habe ich nicht verstanden – ist ein untersetzter Israeli, klein, Knollennase, weisse Haare, Watschelgang. Wir verlassen den Hafen und Haifa und fahren in Richtung Osten.
Es ist der 22. November 2011, 8:10 Uhr. Die Sonne scheint, kaum eine Wolke am Himmel, 18 Grad. Der Busfahrer tritt aufs Gas, David schweigt eisern. Erst als die ersten Berge Galiläas auftauchen, begrüsst er seine (42) Gäste und macht auf die schöne Landschaft aufmerksam, durch die wir fahren. „Galiläa ist die schönste Gegend Israels. Genug Wasser, guter Boden, viel Wald. Neunzig Prozent davon ist von uns angepflanzt worden. Überhaupt ist Israel das schönste Land auf der Welt. Sie brauchen nirgends anderswo hinzufahren, in Israel haben Sie alles: Berge, Täler, Flüsse, See und Wüste. Alle Pflanzen der ganzen Welt wachsen auch in Israel. Sehen sie die vielen verschiedenen Bäume, überall blüht es, auch im November! Und die Tiere! Wenn sie in Deutschland beispielsweise in einen Zoo gehen müssen, um einen Leoparden zu sehen. In Israel brauchen sie nur in die Negev-Wüste zu fahren, da spazieren die Leoparden frei herum …“
Es fällt sehr schwer, Davids Ausführungen zu folgen, denn er spricht leise und im Bus ist es sehr laut. Leider bekomme ich nur höchstens 20 Prozent seiner Erläuterungen mit, der Rest geht unter und das liegt nicht an meinen Hörgeräten. Auch ausserhalb des Busses spricht David leise, lustlos und ohne Feuer. Wer nicht direkt neben ihm steht, hört nichts davon. Er vermittelt den Eindruck, dass er nur widerwillig auf diese Tour mitgekommen ist. Nur weil er ja irgendwie Geld verdienen muss ist er gezwungen, sich mit (ungläubigen) Touristen abzugeben.
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Die Verkündigungskirche in Nazaret - Links die Verkündigungsgrotte
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Vor der Verkündigungskirche
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Rückseite der Verkündigungskirche mit Kapelle über der Quelle
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Wir fahren zuerst nach Nazaret. Auf der Strasse dahin ein Unfall. Der Busfahrer fährt viele Umwege, weil er nicht im Stau stehen will. Die Verkündigungskirche in Nazareth erreichen wir gegen 10 Uhr. Viele Menschen sind unterwegs, vor allen Dinge Pilger aus Afrika mit dicken Jacken und Wollmützen gegen die unbarmherzige Kälte, die fern ihrer Heimat herrscht. Viele von ihnen sind beseelt, tanzen und singen.
David geht zielgerichtet und ohne das Erkennungsschild mit der Busnummer 38 vorne weg. Vor der Kirche erzählt er die Story von Maria, die hier an der heutigen Apostelquelle von einem fremden Mann offenbar vergewaltigt wurde. Aber der Engel Gabriel verkündet ihrem Mann, er brauche sich trotzdem keine Gedanken zu machen, denn das Kind, das Maria zur Welt bringen würde, wird der Sohn Gottes sein: Mariä Verkündigung. An dieser Quelle wurde die Verkündigungskirche errichtet und David betont, es ist die grösste Kirche im Heiligen Land und sie wurde von Israel bezahlt. |
Ausgrabungen unter der Kapelle - die ehemalige Quelle
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Kapelle über der ehemaligen Quelle
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Die Verkündigung
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Die Basilika ist ein zweistöckiger, heller, moderner Betonbau mit vielen bunten Mosaiken. In der grossen Kirche herrscht angenehme Ruhe, hier ist es verboten, den vielen hier durchzuschleusenden Gruppen Erläuterungen zu geben. Im unteren Bereich findet eine Messe statt. Vom oberen Bereich gelangt man auch wieder ins Freie und zu einer kleinen Kapelle, die über der ehemaligen Quelle errichtet wurde. Von der oberen Plattform aus führen Treppen wieder hinunter zum Haupteingang der Kirche. Dabei sieht man Ausgrabungen unter der Kapelle, wo sich ehemals die Quelle befand, die aber heute kein Wasser mehr führt. Es existieren drei Quellen mit biblischen Bezügen in dieser Gegend, alle sind inzwischen ausgetrocknet.
Es war schwer, den kleinen David in dem Gewühl ohne Schild zu finden und ihm zu folgen. Jetzt läuft er in Richtung Bus ohne sich darum zu kümmern, ob seine Gruppe ihm auch folgt. Einige kaufen etwas im Vorbeigehen und schon sind sie abgehängt. Überlebenstraining. David wartet an der Kreuzung mit dem grösseren Teil der Gruppe. Dann laufen wir im Gänsemarsch zu einem Busparkplatz. Aber hier ist unser Bus nicht. David telefoniert und wir warten zwanzig Minuten, bis der Bus uns auf der Strasse einsammelt. |
Das jüdische Nazaret
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Anschliessend fahren wir in Richtung Kana. Es geht den Berg hoch. Traumhafte Aussicht über das hügelige, fruchtbare Land. Überall Dörfer, Siedlungen, kleine Städte. Keine einzelnstehenden Bauernhäuser. Auch alle Nomaden, die es noch vor 20 Jahren gab, sind heute sesshaft (gemacht worden), erzählt David. „Und da drüben auf dem Berg sehen sie das jüdische Nazaret. Wo wir gerade waren, das ist alles arabisch. Das jüdische Nazaret ist keine fünfzig Jahre alt. Aber es ist wichtig, es ist eine demographische Massnahme. Hier leben zu viele Araber. Das ist nicht gut. Deswegen wurde hier diese Siedlung gebaut, für die jüdischen Einwanderer. Sie kommen von überall her, Russland, Marokko, Afrika. Es sind arme, ungebildete Menschen. Der israelische Staat unterstützt sie. Sie müssen die Sprache lernen, Lesen und Schreiben lernen und einen Beruf. Und wo sollen sie wohnen? Deswegen braucht man diese Siedlungen. Sie sind sehr wichtig für uns, auch besonders aus den demographischen Gründen.“
An den ehemals kleinen Dörfern der Hirten und Bauern, wo die Hochzeit von Kana stattgefunden hat und Jesus aus Wasser Wein machte, fahren wir nur vorbei. Es gibt vier oder fünf verschiedene Kirchen, die hier zu besichtigen wären. Die Quelle, die hier ehemals existierte, ist heute auch ohne Wasser. „Die ganze Gegend ist arabisch", sagt David. "Sehr viele Menschen. Sie haben zu viele Kinder. Sie bearbeiten das Land nicht, sie haben nur Olivenbäume. Das macht nicht viel Arbeit. Die Oliven fallen alleine vom Baum. Und sie bauen immer neue Moscheen. Sehen sie da vorne, wie hoch das Minarett ist!“ (Video).
Wir fahren an einem alten Kibbutz vorbei. Häuser aus schwarzen, grossen (Hohlblock?-) Steinen, heller Mörtel, spitzes Dach. "Sehen Sie hier, ganz alte Häuser. Sie wurden nur in einer Nacht gebaut. Es war verboten, Häuser auf diesem Land zu bauen. Sie mussten wieder abgerissen werden. Aber das Gesetz sagte, nur Häuser werden abgerissen, die kein Dach haben. Häuser mit Dach durften stehen bleiben. Also hat man alles so organisiert, dass ein Haus mit Dach in einer Nacht gebaut werden konnte. Am Morgen stand es und wurde nicht mehr abgerissen. So ist dieser Kibbutz hier entstanden." |
Südende des Sees Gennesaret mit dem Zufluss des Jordan - Im Hintergrund die Golanhöhen
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Um 11:40 Uhr sehen wir das erste Mal den See Gennesaret. Es ist das südliche Ende des Sees mit dem Zufluss des Jordan. Wir sind hoch auf dem Berg und schauen auf den See hinunter. Gegenüber die Golanhöhen. Sonne flirrt über dem flachen Jordantal. Aussteigen. Fotografieren. Ein sehr schöner Aussichtspunkt.
Dann fährt der Bus in Serpentinen runter zum See Gennesaret. Wir steigen aus an der Stelle des Jordan, wo Jesus von Johannes (dem Täufer) getauft wurde. An der angeblichen Stelle. David betont, dass es mehrere solche Stellen gibt und jeder behauptet, seine wäre die ursprüngliche, die einzig wahre. "Glauben kann man vieles, Gewissheit gibt es nicht," bemerkt dazu David und hier hat er einmal wirklich Recht. |
Jardenit - Die Taufe im Jordan
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Jardenit - Babtismal Site On The Jordan River |
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Endlich wieder frei von allen Sünden!
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Heiliges Jordanwasser
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Wir also machen mit unserem Bus gegen 12 Uhr Station in Jardenit, The Babtismal Site On The Jordan River. Wie an allen heiligen Stätten wird man auch hier vom Kommerz erschlagen: Jordanwasser in kleinen Fläschchen oder gleich im grossen Kanister, Kerzen, Heilmittel, Amulette, Heiligenbilder, Postkarten, Tischsets und Kreuze in allen Varianten: Take 3 + 1 for Free!! An dieser Stelle ist der Jordan nicht viel breiter als fünf Meter. Das Wasser ist aufgestaut, die Staumauer kaum 200 Meter entfernt, aber nicht zu sehen.
Viele Menschen sind hier am betonierten Flussufer versammelt, viele Busse sind um die Mittagszeit gelandet. Grosse Eukalyptusbäume säumen das Flussufer. Im Fluss befinden sich Geländer, damit man beim Baden nicht untergeht. Jeder kann hier an das Wasser und in das Wasser. Um sich von seinen Sünden zu reinigen kann man hier das Komplettpaket buchen: Weisses, langes Gewand inclusive. Die erforderlichen Umkleideräume sind vorhanden. Dazu kann man auch gleich noch ein Video aufnehmen lassen, damit die Reinigung auch für spätere Generationen ordentlich dokumentiert ist. Ständig sind Menschen ganz unterschiedlichen Alters und Herkunft zu sehen, die ihre Taufe erneuern. Schlotternd vor Kälte aber beseelt steigen sie aus dem grünen Wasser, das nasse durchsichtige Hemd klebt an ihrer Haut. Jubel und Begeisterung der Umstehenden, Fotos, Videos.
Als die von David vorgegebene Abfahrtszeit herangekommen ist, sind wir alle komplett zur Stelle, aber wieder ist der Bus nicht da. Wieder wird telefoniert und gewartet. Irgendwann kommt der Bus, aber die hintere Tür geht nicht auf …
Um 13 Uhr nehmen wir im Hotel Rimonim Mineral das Mittagessen ein. Wir sind in der sehr schön am See gelegenen Stadt Tiberias angekommen. Das Mittagessen ist gut und reichlich. Es gibt Wasser und einen roten Wein. Auch Kaffee und Tee ist zu haben, inclusive viel Kuchen. Aber die Milch für den Kaffee ist nicht aufzutreiben: Wir sind in Israel.
Nach dem Essen fahre ich in den 8. Stock des Hotels. Wie vermutet existiert dort oben eine Tür nach aussen: Über eine Treppe gelangt man auf das Dach und hat eine wunderbare Sicht auf den See Gennesaret und auf die Stadt Tiberias. |
Berg der Seligpreisung - Ort der Bergpredigt
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Um 14:00 Uhr sitzen wir wieder im Bus und fahren am See Gennesaret entlang nach Norden. Eine wunderschöne Landschaft (Video). Hier gibt es noch unberührte Natur, unbebautes, nicht landwirtschaftlich genutztes Land. An den Berghängen kann man sehen, wie massiven Kalksteinschichten zu grossen Quader zerfallen, die dann als rund geschliffene Steine fraktioniert am Fusse der Ebene liegen oder von den Feldern gesammelt worden sind. Überall aber sind auch Spuren der Zivilisation zu finden. Sarkophage und Strassen aus der Zeit der Römer, Siedlungen der Stämme Davids aus vorchristlicher Zeit. Archäologie und Ausgrabungen spielen in Israel eine grosse Rolle.
Kurz bevor wir nach Tabgha kamen, zeigte David nach links oben, wo auf dem Berg eine Kirche zu sehen war. Sie markiert die Stelle, wo Jesus die Bergpredigt gehalten hat. Ein wunderbarer Ort, hoch auf einer Bergkuppe mit Sicht auf den See Gennesaret und die ganze Landschaft. Leider fahren oder laufen wir dort nicht hoch. Diesen Spaziergang sollte man unbedingt in diese Tour einbeziehen. Auch als wir von Tabgha aus weiter nach Kafarnaum fahren, ist die grosse Kirche auf dem „Berg der Seligpreisung“ zu sehen. |
Der Eingang zur Brotvermehrungskirche von Tabgha
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Die Brotvermehrungskirche
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Gedenkstein in Tabgha
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Wir kommen in Tabgha an, am nördlichen Ende des Sees Gennesaret. Riesige blühende Büsche, die Sonne scheint, es ist warm. Hier hat Jesus Brot und Fische vermehrt, um die fünftausend Menschen zu speisen, die seine Bergpredigt gehört haben. Ein Gedenkstein und die Brotvermehrungskirche erinnern daran. In diesem Gebiet lebte Jesus viele Jahre und es existieren hier mehrere biblische Bezüge. Die kleine Kirche in Tabgha hat eine lange Tradition, wiederentdeckte Fussbodenmosaike aus dem fünften Jahrhundert weisen darauf hin. Vor der Kirche sind Gegenstände aus der Römerzeit zu besichtigen. Unter anderem ein monolithischer Taufstein mit drei Sitzplätzen, ebenfalls aus dem fünften Jahrhundert. Die meisten Amerikaner könnten sich dort mit Sicherheit nicht hineinsetzen. Ausserdem ist die Konstruktion hygienisch sehr bedenklich, wenn dieser Taufstein kein Loch für den Wasserabfluss hatte (wie jetzt offensichtlich) …!
Monolithischer Taufstein aus dem 5. Jahrhundert
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Interessant ist auch, dass hier an diesem Ort, der unter den Römern Eremos hiess, die Via Maris vorbeiführte. Reste der Strassenpflasterung sind zu besichtigen. Die Via Maris führte durch ein Tal in der Nähe (Wadi Hamam), das später von Kafarnaum aus als Einschnitt in der Silhouette gegen die untergehende Sonne deutlich zu erkennen ist. |
Capharnaum - The Town Of Jesus - Viel Spannbeton, wenig Kirche ...
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Rekonstruierte Reste des römischen Tempels - Eine Synagoge?
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Rekonstruierte Reste des römischen Tempels - Eine Synagoge?
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David mit Beweisen für den jüdischen Tempel |
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Die griechisch-orthodoxe Kirche in Capharnaum
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Beweise für den jüdischen Tempel
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In Kafarnaum (Kfar Nahum oder Capharnaum) und sind wir gegen 15 Uhr. Dieser Ort war zu Zeiten Jesus ein grösserer Ort am See Gennesaret. Gegründet wurde Kafarnaum unter den Römern als ein Grenzort. Herodes Antipas unterhielt hier zu Zeiten Jesus eine Militärgarnison. Damals stand hier eine kleine Basaltsynagoge und an dieser Stelle fing Jesus an zu predigen. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts wurde (nach Aussagen Davids ...) unter den Römern auf den noch sichtbaren Basaltfundamenten der alten eine prächtige Gedenksynagoge aus Kalkstein gebaut, unverkennbar im römischen Stil. Diese angebliche Synagoge wurde (von den Persern?) zerstört. Aus den vielen herumliegenden Einzelteilen wurde im letzten Jahrhundert von Franziskanern das nach Gutdünken rekonstruiert, was heute hier zu sehen ist. Die ganze „Town of Jesus“ ist eine grosse Ausgrabungsstätte: Sehr kleine Steinhäuser umgeben einen grossen, quadratischen Tempel mit hohen Säulen, daneben steht eine moderne Betonkirche. David zeigt auf die in Kalkstein gehauenen Beweise für den jüdischen Ursprung des Baus: Der Davidstern und ein jüdisches Zeichen in einem Säulenkapitel. Mehr Beweise gibt es nicht. Es bleibt unklar, ob dieser aufwendige Bau in Wirklichkeit nicht ein römischer Tempel war, der jetzt nachträglich zur Synagoge umgewidmet wird.
In Sichtweite dieses Tempels stand im 5. Jahrhundert eine achteckige byzantinische Kirche. Über ihren Resten wurde eine moderne Kirche errichtet, ein viel zu auffälliger, unpassender Betonbau.
Wir haben nur eine knappe halbe Stunde, um uns hier umzusehen. Viel zu wenig, um sich ohne Vorkenntnisse hier an diesem sehr interessanten Ort direkt am See ein Bild über Kafarnaum zu machen. In unmittelbarer Nähe befindet sich auch eine griechisch-orthodoxe Kirche, die über den Überresten des angeblichen Hauses von Petrus errichtet wurde.
Zitat: "Im Bereich, der von den Franziskanern betreut wird, wurde ein byzantinischer Kirchenbau aus dem 5. Jahrhundert ausgegraben. Der zentrale achteckige Raum, der von einem ebenfalls achteckigen Wandelgang umgeben war, war über den Resten einfacher Wohngebäude aus dem 1. Jahrhundert erbaut worden. Das Gebäude wurde Anfang des 7. Jahrhunderts, wahrscheinlich beim Einfall der Perser, zerstört. Über den Ausgrabungen wurde 1990 eine auf Stelzen stehende moderne Kirche errichtet, die die Funde schützen soll ..." |
Das Yigal Alon Centre am See Gennesaret
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Das antike Fischerboot
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Die Schatten werden länger, als wir wieder in den Bus einsteigen. Wir fahren in das Yigal Alon Centre, ein Museum am Ufer des Sees Gennesaret. Dieses Museum wurde an der Stelle errichtet, wo ehemals die Stadt Magdala existierte. Im Jahr 1986 wurde ein antikes Boot aus der Zeit Jesu im Uferschlamm gefunden und geborgen. Das Museum zeigt die Ausgrabung und Konservierung dieses typischen Fischerbootes aus dieser Zeit.
Die Planken des Schiffes sind nach dem System „Zapfen und Stift“ verbunden, erst danach wurden (sehr unsystematisch) von innen kurze Spanten zur Stabilisierung auf die Planken genagelt. Eine interessante, inzwischen völlig überholte Schiffskonstruktion.
Auch hier wieder ein grosses Angebot von Souvenirs. In den Aussenanlagen stehen viele, sehr verschiedene Skulpturen, die alle einen Bezug zur christlichen Religion haben. Offenbar haben hier mehrere Pleinairs stattgefunden und die Künstler haben ihre Werke dem Museum hinterlassen. Noch interessanter ist, dass jetzt die Sonne über den Bergen des Sees Gennesaret untergeht. |
Sonnenuntergang am See Gennesaret
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Farbverläufe am Himmel und auf der ruhigen Oberfläche des Sees. Eine grosse Gruppe aufgeregter Japaner kommt angerannt. Sie stürmen das Boot, das hier vor Anker liegt und kurz darauf in See sticht. Auch eine eigenartige Schiffskonstruktion, wahrscheinlich Eigenbau im Stile der legendären Arche Noah. Aber es fährt und es schneidet dabei eine interessante Linie in den Spiegel des Sees.
Der Westhimmel ist blutig rot und die ersten Lichter sind zu sehen, als wir um 16:50 Uhr wieder in den Bus steigen. Das Museum war wie von David angekündigt die letzte Station. Im Bus ist jetzt von David bis Haifa nichts mehr zu hören. Es ist Ruhe und jeder hängt seinen Gedanken nach, während immer mehr Farbe aus dem Himmel verschwindet. |
Durch einen dieser Einschnitte verläuft die Via Maris
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Nach einer guten Stunde haben wir schon wieder Haifa erreicht. David hat die ganze Zeit geschwiegen. Seine Arbeit hat er ja mit Gottes Hilfe hinter sich gebracht. Um 17:53 Uhr sende ich eine SMS auf das Schiff: „Wir sind schon fast im Hafen!“ Kurze Zeit später sind wir wirklich am nördlichen Eingangstor angelangt. Über dieses Tor haben wir am Morgen auch den Hafen verlassen. Wir warten, es wird verhandelt. Der Bus wendet und fährt zurück nach Haifa. Von David keine Erklärung. Wir fahren weit, am Schiff vorbei, das hell erleuchtet ist, in Richtung Süden. Von David ist nichts zu vernehmen. Schliesslich landen wir am Süd Tor des Hafens. Wir fahren in den Hafen, aber nur, um nach weiteren Verhandlungen wieder zu wenden und das Gelände wieder zu verlassen.
Inzwischen ist mehr als eine halbe Stunde vergangen und niemand weiss, was hier los ist. David schweigt eisern. Dazu wird es heiss und schwül im Bus. Die Lüftung läuft nicht, die Scheiben beschlagen. Eine Frau von ganz hinten rafft sich endlich auf, sie geht vor und bittet David, uns über die Situation zu informieren. Von David kein Wort, denn was eine Frau sagt, zählt ja nicht. Man kann es problemlos ignorieren.
Ich fühle mich lebhaft an die DDR erinnert. Seltsam. Warum erinnert mich diese Situation an die DDR? Weil hier respektlos Macht ausgeübt wird. Die Würde des Menschen wird verletzt, wenn die Mächtigen hochmütig bestimmen, was der Mensch wissen darf und was nicht. Wir werden (von der allwissenden Partei, der mächtigen Obrigkeit oder von dem selbstgefälligen David) wie Vieh durch die Gegend gefahren und niemand hält es für nötig, uns zu informieren, um was es hier eigentlich geht!
Nach weiteren fünf Minuten platzt mir der Kragen und ich baue mich vor David auf: „Wie gehen Sie als Reiseleiter mit Ihren Gästen um?! Seit mehr als einer Stunde haben wir von Ihnen kein Wort mehr gehört. Seit einer halben Stunde fahren wir sinnlos von einem Hafentor zum anderen und Sie halten es nicht für nötig uns zu informieren, was hier eigentlich los ist!“ Darauf David ganz erschrocken. „Aber ich weiss doch auch nichts! Die Sicherheit ….!“ „Na dann sagen Sie uns doch wenigstens, dass Sie nicht wissen, was hier vor sich geht! Sie sind doch hier der Chef und hier stimmt was nicht. Da können Sie doch nicht einfach schweigen! So behandelt man seine Gäste nicht!“
Die vorderen Reihen haben mitgehört, das Volk wacht auf und fängt (endlich) laut an zu murren. Und jetzt sagt David das ins Mikrofon, was er eigentlich absolut nicht verraten wollte: „Jeder kleine Offizier kann hier aus Sicherheitsgründen ablehnen, einen Bus reinzulassen. Er hat mehr Macht als der Hafendirektor. Der Soldat braucht keine Erklärungen abzugeben und kann uns von einem Tor zum anderen schicken …“ Na und? Das kennen wir doch aus 40 Jahren DDR zur Genüge. Was ist dabei, das auch mal wieder laut zu sagen? Für David ein riesiges Problem. Dass er aus der Reserve gelockt wurde und Kritik an seinem so wunderbaren, einzigartigen Land Israel geübt hat, wurmt ihn mächtig. Jetzt auf einmal ist er gesprächig und brabbelt noch viel ins Mikrofon. Sein Ärger über sich selber und über die aufsässige Reisegruppe gipfelt in dem Satz: „Es war ein grosser Fehler, dass ich habe mich zu dieser Arbeit überreden lassen. So eine Tour werde ich mir nicht noch einmal zumuten! Beim nächsten Mal werde ich Costa ablehnen.“
Inzwischen sind wir beim Tor 5 angekommen und hier werden wir tatsächlich eingelassen. Der Bus hält kurz nach der Einfahrt an und zur Personenkontrolle steigen wir alle aus. David wünscht uns pflichtgemäss noch einen schönen Abend und dann hält er vor dem Bus die Hand auf. Die hintere Tür öffnet sich nicht, wir müssen alle an ihm vorbei. Ich gebe ihm die Hand und sage: „Danke. Das war sehr interessant!“ Er ringt sich ein verkrampftes Lächeln ab.
Die Costa-Card gilt als Legitimation und nach einem Spaziergang von zehn Minuten haben wir auch wieder unser Schiff erreicht. Es ist kurz vor 19 Uhr. Ein langer Ausflug durch ein Land mit interessanter Geschichte und mit so verschiedenen Menschen ist zuende. |
Hafen von Haifa, Tor 5 - Costa Pacifica mit Mühe und Not erreicht ...
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Schiffszeitung: Kontrolle Israels auf Costa
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Landing Permit für Ausflüge in Israel
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Marktplatz von Bethlehem
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