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Mr. Barnette aus Fairbanks, Alaska, 1903 1/2

Samson Hardware am Chena River

Auf der anderen Seite des Chena Rivers liegt der Bahnhof. Diesen blauen Schuppen an einem langen Gleis würde man absolut nicht als den Hauptbahnhof von Fairbanks erkennen.. Er ist auch noch geschlossen. Geöffnet ist der Bahnhof nur, wenn ein Zug kommt. Immerhin, täglich um 8:15 Uhr ist das der Fall. Ein Schild am Prellbock dieses Gleises verkündet, dass sich hier das nördlichste Ende der amerikanischen Eisenbahn befindet. Gegenüber das Waffengeschäft 'Guns Downunder', nicht weit davon, an einem Strip neben der Brücke, einige Bars. In die BIGI Bar gehe ich rein, weil die Tür weit offen steht und damit ich auch weiss, wie eine amerikanische Lasterhöhle von innen aussieht: Schummrig, bequeme Stühle, vollgeraucht und die Chefin sitzt (stark betüdelt) vor einem Computer und erklärt mir gleich wortreich, wie man den Browser von Netscape bedient ... Internet in der Bar! Ihr häufigstes Wort ist: 'Be careful, he is very prudish!' Als sie mitbekommt, dass ich aus Germany bin, reicht sie mich an die Iren weiter, die lautstark an einem Tisch mit Inge diskutieren. Siehe oben..

An dem Strip mit dieser Bar, direkt am Ufer des Chena Rivers, steht ein weisses Bauklotz. Auf der rechten Seite ist ein Barber Shop eingezogen. Dieses Gebäude ist in meinem Faltblatt die Sehenswürdigkeit Nr. 7 von Fairbanks: Samson Hardware, gegründet 1905 und gerade renoviert 'im alten Stil' wie hier steht. Gegenüber die erste Kirche von Fairbanks, weiss mit blauer Madonna aussen vor dem Turm. Das ist die hoch berühmte Immaculate Conception Church, sie wurde 1904 auf der anderen Seite des Chena Rivers aus Holz gebaut, aber weil die katholische Gemeinde am anderen Ufer dann das erste Krankenhaus baute, holte man 1911 die Kirche im Winter über das Eis auf die andere Seite. Es hat auch Vorteile, dass die meisten Häuser im hohen Norden keine Fundamente haben!

Fairbanks wurde von Mr. E.T. Barnette aus Verlegenheit mitten in der Wildnis gegründet. Barnette kam per Schiff mit Waren aus Seattle nach Alaska.

 

Eigentlich wollte er einen Laden in Tanacross aufmachen und am Goldrausch mit verdienen. Trotz mehrfachem Wechsel der Schiffe gelang es ihm aber nicht, mit seinen Waren Tanacross zu erreichen. Ständig ging etwas schief. Die einzigsten Transportmittel für Güter waren zu dieser Zeit Holzschiffe. Die Schiffbarkeit der Flüsse war unbekannt und sehr von der Jahreszeit abhängig, die Dampfmaschinen, die Schaufelräder, die gesamte Technik der Schiffe: abenteuerlich! Sein letztes Schiff strandete 1901 im Chena River genau hier, wo heute Downtown Fairbanks liegt. Plötzlich stand Mr. Barnette mit 130 Tonnen Handelsgütern an dieser Stelle in der weglosen Tundra. Aber die ersten Kunden kamen (mit Schubkarren, Booten und Pferden) vorbei und so fing er notgedrungen hier langsam mit seinem Handel an. Er hatte Glück, weil 1902 zwölf Meilen nördlich von seinem Zwangsaufenthalt auch Gold gefunden wurde. Als er dann dem Richter Wickersham zusagte, seine Siedlung nach dem Senator Fairbanks aus Indiana zu benennen (Gott weiss, was das für einen Vorteil gebracht hat ...) wurde die Siedlung 1903 offiziell gegründet. Der Richter verlegte den Bundesgerichtshof nach Fairbanks und Mr. Barnette wurde zum Bürgermeister gewählt. Schon 1905 lebten in Fairbanks Dank des Gold Rush einige Tausend Menschen. Die Stadt hatte ein eigenes Kraftwerk, Kanalisation, Polizei, Feuerwehr, Läden, Saloons und ein florierendes Rotlichtviertel. Ein paar Jahre später (1909) war Mr. Barnette nicht nur Bürgermeister der Stadt, sondern auch Besitzer der ersten Bank, die es heute noch als 'Key Bank of Alaska' in der First Avenue gibt. Aber schon im Jahre 1911 musste er aus seiner eigenen Stadt fliehen, um sich vor seinen Gläubigern zu retten. Sie warf ihm vor, Gelder der Bank unterschlagen zu haben. Heute gibt es hier eine lange Barnette Street, also ist er wohl doch noch rehabilitiert worden und wird in Fairbanks zu Recht als ein Mann der ersten Stunde geehrt.

So sehen die Storys aus dem wilden Norden Amerikas aus.

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