Vorsicht bei Top 10 und Bestenlisten !!
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Top 10, Praxistests, Bestenlisten und vergleichende Bewertungen haben Konjunktur. Der Kunde soll zum Kauf animiert und vorher beraten werden. In allen Fachzeitschriften werden laufend Vergleichstests und Produktbewertungen durchgeführt. Auch in jeder Computerzeitschrift sind sie zu finden. ComputerBild beispielsweise führt in der aktuellen Ausgabe 1/2004 unter dem Stichwort 'Einkaufsführer' eine Bestenliste, in der mindestens 1.300 Produkte in ungefähr 200 Kategorien aufgeführt werden. Was sind solche Bestenlisten wert? Für die Digitalcameras am Ende des Jahres 2003 werden hier solche Bewertungen beispielhaft zusammengestellt (in Ausschnitten, s.u.). Die Auswahl ist zufällig und nicht repräsentativ, das Ergebnis aber ist eindeutig: Jede Zeitschrift stellt eine andere Camera auf das Siegerpodest, keine Bestenliste stimmt auch nur annähernd mit der der Konkurrenz überein. Der Kunde wird von selbst ernannten Fachleuten beraten, aber wehe, er testet die Bewertungen und Vergleiche: Sie sind nicht vergleichbar weil es sich in allen Fällen nicht um objektive Messungen, sondern um subjektive Bewertungen handelt. Urteilen Sie selbst:
CHIP
BESTENLISTE PC PPROFESSIONELL Nr. 1 Dezember 2003
PC-WELT
ComputerBILD
AudioVideoFoto-BILD
fotoMagazin
1/2004
PCgo 1/04
Guter Rat Computer Nr. 04/2003
Digital.WORLD 1/04 - Dezember/Jan/Feb
TOP 10 Bestenlisten, Punktbewertungen, Rangfolgen, Vergleiche und Tests sind prinzipiell subjektiv. Sie sind grundsätzlich nicht zu objektivieren. Das gilt generell und für alle Produkte! Zusätzlich werden solche Bewertungen durch gravierende methodische Fehler als Entscheidungshilfen unbrauchbar, irreführend und damit sogar kontraproduktiv. Das sind die häufigsten methodischen Fehler:
Beispiele für solche Fehler bei der Bewertung von Digitalcameras
*)
Auflösung
wird auch als 'Detailgenauigkeit' oder 'optimal druckbare Grösse
ohne Qualitätsverlust' definiert. **) Einen guten Ausweg bietet CHIP, denn dort kann man im Testcenter und auf der CD unter TOP HARDWARE INTERACTIVE die Gewichtung der einzelnen Bewertungskriterien nach seinem subjektiven Urteil verändern. Das löst zwar das prinzipielle Bewertungsproblem nicht, ermöglicht aber in Grenzen eine individuelle Anpassung. Hier wurden als Beispiele Digitalcameras untersucht. Digitalcameras sind kein Sonderfall. Alle diese Fehler treten bei ausnahmslos allen Produkten auf: Von Autos über Geldanlagen bis zu Virenschutzprogrammen und Zylinderstiften ...!
Nachfrage und Bestseller Nachfragestatistiken und Bestseller-Listen besitzen im Gegensatz zu Produktbewertungen objektiven Charakter. Voraussetzung ist allerdings, dass bei der Erhebung und Auswertung der statistischen Daten keine wesentlichen Fehler gemacht wurden. Kaum ein Verbraucher aber scheint zu wissen, dass solche Listen nichts über die Qualität des Produkts aussagen. Das beste Beispiel sind Bestseller Listen: Daraus kann man zwar erkennen, dass Harry Potter im Jahr 2003 'mega in' war. Ob es sich aber bei diesen Büchern um Literatur oder gar Weltliteratur handelt, ist nur durch (subjektive !!) Bewertung zu entscheiden.
Nachfragehäufigkeit - Stand 26.12.2003
Bestseller Listen - AudioVideoFoto-Bild 2 /08.01.2004
Bestseller Listen - DER SPIEGEL, Nr. 1 /29.12.2003
Ein Facit Bei Bestenlisten, TOP 10 und Vergleichstests ist generell VORSICHT geboten. Sie sind immer subjektiv und prinzipiell nicht zu objektivieren. Für eine Kaufentscheidung sind solche Produktbewertungen vielleicht notwendig, aber keinesfalls hinreichend. In erster Linie ist entscheidend, dass der Kunde eine klare Vorstellung davon hat, was das anvisierte Produkt für Eigenschaften haben soll. Der Verbraucher muss wissen, was er will, sonst wird er (gerade) durch solche Produktbewertungen manipuliert. Produktbewertungen dienen natürlich auch der Werbung. Firmen werden auf die Produktbewertung Einfluss nehmen, wo immer das möglich ist. Auch diesen Aspekt sollte man immer im Hinterkopf haben: Pseudowissenschaftliche Aussagen und die Meinung vorgeblicher Experten eignen sich hervorragend zur Beeinflussung der Kaufentscheidung. Das geringste Risiko liegt bei Tests, die sich auf die Ermittlung objektiven Messwerte beschränken und sich mit Bewertungen zurückhalten. So sind die Tests seriöser Fachzeitschriften aufgebaut, beispielsweise die des Magazins für Computertechnik, c't, oder des fotoMAGAZINs. Berücksichtigt man ausserdem die TOP 10 der möglichen Fehler (s.o.), kann man die Glaubwürdigkeit einer Produktbewertung gut abschätzen.
Ein Jahr später ... 06. Dezember 2004 Hat sich nach einem Jahr etwas geändert? Nein. Generell sind keine Verbesserungen erkennbar, die damaligen Fehler sind heute immer noch zu beobachten. Das ist kaum verwunderlich, denn hinter solchen Fehlern stecken nicht selten handfeste, wirtschaftliche Interessen. Mehr ... Es kann nur wiederholt zur Vorsicht beim Umgang mit Top 10 und Bestenlisten gewarnt werden. Bilden Sie sich selber ein Urteil und verlassen Sie sich nicht auf angebliche Experten! Im Besonderen sind die Bewertungen der PC-WELT in Zweifel zu ziehen. Mir ist völlig schleierhaft, wie sie zustande kommen, denn die methodischen Erläuterungen und die tatsächlichen Ergebnisse haben nichts miteinander zu tun. Der Kunde wird in die Irre geführt ... vorsichtig ausgedrückt.
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Jürgen Albrecht, 31. Dezember 2003
Update 06. Dezember 2004