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Linke Vergangenheitsbewältigung - Fehlanzeige
   

Linke Visionen

Einer der wichtigsten und wirklich real existierenden Vorzüge der DDR-Ideologie war immer, dass sie über ein philosophisches Fundament verfügte, über philosophische Klassiker und über eine (angeblich) wissenschaftliche Weltanschauung. Allerdings hat kaum jemand den Dialektischen Materialismus begriffen und in der täglichen Politik wurde er konsequent ignoriert. Trotzdem waren die Agitatoren der SED mit dem dialektischen und historischen Materialismus (fast) unschlagbar und immer auf der Seite der Sieger der Geschichte. Marxisten, Kommunisten, Sozialisten und real existierende "Gute Genossen" in der DDR hatten eine klare Vorstellung von der besseren Gesellschaft, die sie anstrebten. Sie konnten sich dabei auf philosophische Klassiker beziehen: Marx und Engels.

Die (vermeintlich) schlüssig durch Philosophen begründeten Visionen haben sich als nicht praktikabel erwiesen. Das gesamte "Sozialistische Lager" ist nach einem globalen Feldversuch mit realen Menschen nach 70 Jahren implodiert. Diese Tatsache wird sehr unterschiedlich interpretiert. Beispielsweise:

  • Eine Konterrevolution hat stattgefunden (Erich Honecker und orthodoxe Kommunisten)

  • Marx und Engels wurden falsch interpretiert (Die Linke)

  • Der Marx'sche Sozialismus/Kommunismus ist eine gesellschaftliche Utopie (Anhänger der Globalisierung)

Das sind Annahmen, subjektive Überzeugungen. Bis heute gibt es keine Analyse des Untergangs des Sozialistischen Lagers, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Es wird nur diskutiert und agitiert. Niemand hat so klar und emotionslos die Fakten der aktuellen, gesellschaftlichen Situation analysiert, wie es Karl Marx zu seiner Zeit getan hat. Die Linke hat ihre Vergangenheit bisher nicht bewältigt. Zu diesem Schluss kommt man, wenn man im Internet nach entsprechenden Fehleranalysen sucht. Es gibt sie nicht. Vor 1989 existierte eine Marxismuskritik. Nach dem Untergang wollte sich offensichtlich niemand mehr die Mühe machen, die Ursachen dafür zu analysieren. Ein eminentes Interesse an einer solchen Bestandsaufnahme müssten vor allen Dingen die linken Parteien haben. SPD und Die Linke aber sind mit sich selbst beschäftigt. Ihre philosophischen Grundlagen haben sie in den letzten Jahrzehnten sträflichst vernachlässigt. Die Mauer war kaum eingefallen, da benannte sich 1990 die SED in PDS um - Partei des Demokratischen Sozialismus. Bald zwei Jahrzehnte warte ich nun darauf, dass mir jemand erklärt, was das für ein Sozialismus sein und wie er in der globalisierten Welt funktionieren soll!

 

Fragen an Die Linke und die SPD

Ist das nur meine subjektive Einschätzung, oder existiert wirklich keine Kritik des Sozialistischen Lagers (einschliesslich Untergang)? Mitte Februar 2008 schreibe ich Briefe an die SPD und Die Linke:

  • Wo ist die wissenschaftliche Analyse des Untergangs des sozialistischen Lagers aus marxistischer (oder SPD-) Sicht?

  • Wo ist die Schwachstellenanalyse für die Werke von Marx und Engels?

  • Wo ist das Konzept für den (neuen, deutschen) 'Demokratischen Sozialismus', das wissenschaftlichen Ansprüchen genügt?

  • Wie soll aus diesem Konzept unter den Bedingungen der Globalisierung und ohne den 'Neuen Menschen' der real existierende Demokratische Sozialismus entstehen?

E-Mails mit denen ich diese Fragen stelle, schicke ich an die Spitzen beider Parteien:
SPD: Kurt Beck, Hubertus Heil, Andrea Nahles und Peter Struck
Die Linke: Oskar Lafontaine, Gregor Gysi, Lothar Bisky, Dietmar Bartsch, Bodo Ramelow, Roland Claus und André Brie

Die Bleistifte von Peter Struck und Hubertus Heil rufen mich an und verweisen auf die Aussagen des SPD-Parteiprogramms. Das sind die einzigen Reaktionen! Die Linke antwortet überhaupt nicht auf meine Anfrage *), die SPD nur formal. Ein eindeutiges Indiz dafür, dass man meine Fragen nicht beantworten kann. Fehlanzeige für die Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit.

Die ernüchternde Erkenntnis: Wer solche unangenehmen Fragen stellt wie ich, erhält von den führenden linken Genossen keine Antwort. Beide Parteien sind so sehr mit der aktuellen Tagespolitik und taktischen Erwägungen beschäftigt, dass sie das ehemals hehre Ziel einer besseren Gesellschaft mindestens seit 1990 völlig aus dem Auge verloren haben.

_________________________________
*)
Korrektur am 22. April 2008: Ziemlich verspätet erhalte ich offizielle, persönliche Schreiben per Post von André Brie, Gregor Gysi und Roland Claus. Erstaunlich! Meine Fragen kann zwar niemand beantworten, weil die Analysen und Konzepte, nach denen ich frage, nicht existieren. Aber immerhin: Danke!

 
Das linke Dilemma

SPD und Die Linke haben gravierende Fehler gemacht, die sie jetzt konzeptionslos lavieren lassen:

  • Kommunisten und Sozialisten aller Schattierungen haben die Schriften von Marx und Engels wie eine Prophezeiung gelesen und der Menschheit mit dem realen Sozialismus epochale Irrtümer beschert. In erster Linie deshalb, weil sie an von Marx postulierte "Naturgesetze" kritiklos "geglaubt", den Dialektischen Materialismus ignoriert und nicht ihren eigenen Verstand benutzt haben.

  • SPD und Kommunisten sind seit dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik verfeindete Brüder. Zu DDR-Zeiten gab es massive Berührungsängste zwischen SPD und SED. Diese ideologische Feindschaft hat sich auf die PDS und dann auch auf Die Linke übertragen. Die Angst vor der "kommunistischen und bolschewistischen Revolution" in Deutschland und dem Überläufer Lafontaine sitzen bei der SPD so tief, dass sie nicht erkennt: Nach dem Untergang des Sozialistischen Lagers und mit der Globalisierung haben sich die politischen Umstände in Deutschland grundlegend verändert. Demokratische Parteien müssen sich arrangieren können. Besonders, wenn sich beide Parteien eindeutig nach links orientieren.

  • Die SPD hatte und hat kein Konzept für eine bessere Gesellschaft, kein Ziel und keine Vision. Der Demokratische Sozialismus in ihrem Parteiprogramm ist seit mehr als 50 Jahren nur eine leere Parole.

  • Die SPD hat nie eine Position zur PDS gefunden, die sie nach 1989 hätte integrieren müssen. Damit ist die SPD selbst verantwortlich für die Entstehung Der Linken und die damit zusammenhängenden Probleme.

  • Die PDS war ausschliesslich mit der Sicherung des SED-Vermögens und ihrer Infrastruktur beschäftigt, so dass für eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Vergangenheit keine Zeit mehr blieb. Und das, obwohl sich ein hoher Prozentsatz ihrer gewendeten Mitglieder früher als "Gesellschaftswissenschaftler" bezeichneten!

  • Die Linke hat bisher nichts in die konzeptionelle Arbeit investiert. Sie ist mit der Organisation der Vereinigung von WASG und PDS ausgelastet. Ein Parteiprogramm, langfristige Ziele oder gar Visionen sucht man vergeblich. Aber gleich elf Mal taucht der Begriff „Demokratischer Sozialismus“ (als Phrase) im Gründungsdokument Der Linken auf (25. März 2007).

  • Nach dem Wortbruch der Hessen-Wahl (Ypsilanti, SPD, hatte vor der Wahl beteuert, nicht mit Der Linken zu koalieren, versucht es aber nach der Wahl mit aller Gewalt ...) bereitet Beck den nächsten Fehltritt vor: Beck erklärt gegen jede Vernunft und die einfachste Wahlarithmetik, im Wahljahr 2009 nicht mit Der Linken im Bund koalieren zu wollen. Und das, obwohl Rot-Rote-Koalitionen in Ostdeutschland seit Jahrzehnten reibungslos funktionieren. So realitätsfern kann nur ein westdeutscher Provinzfürst agieren.

Diese Fehler wären ohne Bedeutung, wenn es sich hier um ideologische Spitzfindigkeiten von SPD und Der Linken handeln würde, die niemanden tangieren. Aber hier geht es um existentielle Probleme Deutschlands:
Die Unterschicht wächst (s. unten), jeder vierte Deutsche lebt bereits unter der Armutsgrenze und mindestens 50 Prozent der Wähler denken links: Aber links gibt es keine Partei, die ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Konzept hat und der man eine politische Wende zutrauen könnte.

 

Der Untergang des sozialistischen Lagers

Warum tun sich SPD und Die Linke so schwer, ihren potentiellen Wählern klar zu sagen, was sie unter Demokratischem Sozialismus verstehen? Die Antwort ist einfach: Nur Idealisten "glauben" an den Demokratischen Sozialismus - In der Realität wird es ihn nie geben! Schon soziale Gerechtigkeit, von der die SPD so gerne und viel redet, ist Illusion! Die Natur kennt keine Gerechtigkeit. In sozialen Systemen ist Gerechtigkeit höchstens ein hehres Ziel. Im täglichen Leben aber kann Gerechtigkeit nur in Ausnahmefällen, nie aber generell, gewährleistet werden.

Analysiert man, warum das Sozialistische Lager nach 70 Jahren krampfiger Existenz sang und klanglos untergegangen ist, so findet man eine ganze Reihe von Gründen. Schon wenige aber waren entscheidend:

  • Bereits der philosophische Ansatz des Sozialismus ist Utopie. Die Ursachen: Der von Marx postulierte Historische Materialismus (gesetzmässiger Übergang von Kapitalismus zu Sozialismus) war immer ein Glaubenssatz und hat sich mit dem Untergang des Sozialistischen Lagers als gewaltiger Irrtum herausgestellt; der "Neue Mensch", passfähig zu Sozialismus, existiert nicht und ist auch nicht in Sicht; der Mehrwert (Profit durch Ausbeutung) ist gleichzeitig der entscheidende Antrieb jeder Volkswirtschaft

  • Der reale Sozialismus war wirtschaftlich gegenüber dem Kapitalismus nicht konkurrenzfähig. Die Ursachen: Keine Antriebskräfte durch erzwungene Gleichmacherei, kein privates Unternehmertum, keine Konkurrenz, keine verteilte Intelligenz, völlige Zentralisierung des gesamten Staatswesens einschliesslich der Wirtschaft

  • Reale Menschen und realer Sozialismus schliessen sich aus. Die Ursachen: Menschen brauchen/wollen Frieden, Freiheit, Ansehen, Eigentum, Individualität, Pluralismus, Entwicklungsmöglichkeiten, Menschenrechte, Perspektiven - Alles das hat Ihnen der reale Sozialismus verwehrt.

  • Der reale Sozialismus war nur mit Gewalt aufrecht zu erhalten, mit der Diktatur des Proletariats. Die Ursachen: Freiwillig wollten die Menschen den realen Sozialismus nicht mitmachen: Sichtbar besserer Lebensstandard unter kapitalistischen Bedingungen, fehlende Freiheiten, fehlende Rechte. Die totale Abschottung der Menschen war nicht durchsetzbar: Information trotz Isolation: Verwandtschaftliche Kontakte, Rundfunk, Westfernsehen, Fachliteratur, Dienstreisen ...

  • Jede Weltanschauung schliesst Freiheit und Pluralismus aus. Die Ursachen: Es müssen Normen gesetzt werden (z.B. Gleichheit, Brüderlichkeit, Gerechtigkeit, die Bibel, der Koran ...) und eine Zentralgewalt (Partei, Militär, Kirche) muss diese Normen (notfalls mit Gewalt) durchsetzen. Die Folge: Einschränkung der Freiheits- und Menschenrechte; Weltsicht durch eine ideologisch/religiöse Brille; intellektuelle Bevormundung der Bürger durch die Zentralgewalt; Naturgesetze, Naturwissenschaften und der Dialektische Materialismus müssen ignoriert werden ...!

Der von der SPD und Der Linken propagierte Demokratische Sozialismus müsste mindestens diese Fehler vermeiden. Wie aber sieht dann ein Gesellschaftssystem aus, das als Alternative zum ehemals real existierenden Sozialismus angesehen werden kann? Wenn SPD und Die Linke vom Demokratischen Sozialismus reden, meinen sie offensichtlich - !! Überraschung !! - den Kapitalismus! Nur er passt wie die Faust aufs Auge zu den heute lebenden Menschen. Kapitalismus ist eine Wirtschaftsform, keine Weltanschauung! Nur der Kapitalismus besitzt die höchste wirtschaftliche Effektivität, er bietet den Menschen maximale Freiheiten und unter günstigen, demokratischen Umständen sorgt er für Wohlstand und Pluralismus. Leider wohl nur temporär.

Voraussetzung für alle diese Vorteile des Kapitalismus aber ist seine gezielte Steuerung. Die "Soziale Marktwirtschaft" ist ein Beispiel für einen gesteuerten, kanalisierten Kapitalismus. Aber genau diese Steuerung des Kapitalismus, des Imperialismus, der Globalisierung, ist das Problem. Sie funktioniert nicht. Gravierende gesellschaftliche Widersprüche werden nicht beseitigt:

 

Fehlende Ziele

Die fehlende langfristige Orientierung ist nicht allein ein Problem von SPD und Der Linken. Keine deutsche Partei besitzt eine Vision für eine bessere Gesellschaft, oder für die Lösung der fundamentalen Widersprüche dieser globalisierten Zivilisation. Der Aktionsradius aller Parteien reicht nur bis zum nächsten Wahlsonntag. Es wird nur taktiert und nicht vorausgedacht. Längst beschränkt sich das politische Agieren darauf, kurzfristig die Umfragewerte zu beeinflussen, um an der Macht zu bleiben oder an die Macht zu kommen. Der Zugriff auf die öffentlichen Kassen ist das entscheidende Ziel von Politikern aller Couleur. Gerade noch ist man in der Lage, Schönheitsreparaturen am bestehenden System durchzuführen. Um die langfristige Zukunft Deutschlands sorgt sich niemand.

Da diese Einstellungen weltweit zu beobachten sind, ist die Globalisierung wie eine Naturgewalt über uns gekommen. Keiner hat sie geplant, nur wenige machen mit ihr viel Profit, alle versuchen, trotz Globalisierung zu überleben und niemand ist in der Lage, die Globalisierung zu verhindern oder sie wenigstens zu regulieren. Das erstaunliche Ergebnis: Eine hoch technisierte Zivilisation ist ziellos dem Selbstlauf überlassen. Ergebnis und Ausgang ungewiss.

Ein weiteres, verblüffendes Ergebnis dieser Entwicklung: Die kapitalistische Demokratie hat sehr vielen Menschen weltweit Wohlstand und persönliche Freiheit in einem Umfang beschert, der in früheren Gesellschaftsordnungen undenkbar war. Gleichzeitig aber hat die Demokratie zu Gunsten der Wirtschaft und des Profits alle anderen Werte über Bord geworfen, auch die moralischen. Es gibt nur noch ein Ziel: Geld.

In allen vorangegangenen Gesellschaftsordnungen (Dynastien, Gottesstaaten, Kaiser- und Königreiche, Diktaturen ...) wurde um Visionen, Gott, Moral, um philosophische Grundfragen und für ein besseres Leben im Diesseits und im Jenseits gekämpft. Stringente Ziele der Mächtigen und fanatische, ideologische Überzeugungen haben in Kriege, unvorstellbare Verwüstungen und zum Untergang ganzer Kulturen geführt. Vor 20 Jahren ist die Menschheit einem globalen Atomkrieg nur durch Zufall entgangen. Zwei Weltlager standen sich mit unvereinbaren, ideologischen Zielen unversöhnlich und hochgerüstet gegenüber. Nur die wirtschaftliche Implosion des Sozialistischen Lagers hat die Katastrophe verhindert.

Kann Frieden, Freiheit, Pluralismus und Wohlstand nur durch Selbstlauf und durch totalen Werteverfall erkauft werden?! Eine solche Entwicklung ist nicht stabil, denn die systemimmanenten Widersprüche der technisierten Zivilisation verschärfen sich: Der Mensch ist offenbar nicht in der Lage, die Entwicklung seiner eigenen Gesellschaft zu steuern. Hier könnte Marx recht behalten: Die Widersprüche sind die Triebkräfte der Entwicklung ... nicht die Menschen!

 

Eine zeitgemässe, linke Position

Hoch interessant ist die Frage, was LINKS heute bedeutet, was LINKS heute sein könnte/müsste? Um diese Frage zu beantworten, muss man die aktuelle Situation dieser Zivilisation analysiert haben. Leider haben SPD und Die Linke offensichtlich keine Zeit zur Entwicklung einer langfristigen, strategischen Position. Zu sehr beschäftigt mit kleinkarierten Problemen. Ich habe versucht, mir einen Überblick zu verschaffen und komme (subjektiv und streng wissenschaftlich nicht begründet) zu folgender Auffassung:

  • Der Sozialismus ist tot. Sozialismus ist Utopie. Es existieren weder die Menschen noch die Umstände, die Voraussetzung für jede Art von Sozialismus sind.
  • Links heisst deshalb heute: Realismus statt Sozialismus.
  • Das was von 70 Jahren sozialistischer Experimente bleibt, ist die grundsätzlich materialistische, naturwissenschaftliche (weil realistische) Sicht auf diese Welt.
  • Niemand braucht neue Weltanschauungen oder Ideologien. Das Optimum sind Pluralismus und Pragmatismus, solange wir uns das noch leisten können!
  • Links wird dringend gebraucht: Vernünftig, gewaltfrei, global, ideologiefrei, pluralistisch, gebildet, tolerant, demokratisch, sozial, nachhaltig, realistisch, pragmatisch, ökologisch, langfristig ...
  • Akut ist nicht nur das Verteilungsproblem, die Teilhabe am Wohlstand. Es geht auch nicht um Gerechtigkeit und schon gar nicht um Gleichheit: Es geht nicht um Utopien, sondern um das Überleben dieser Zivilisation!
  • Wenn die führenden Industriestaaten weiterhin die fundamentalen Widersprüche ignorieren, die den Bestand der Menschheit bedrohen, werden wir uns früher oder später in der Steinzeit wiederfinden! (www.storyal.de/story2003/widerspruch.htm)
  • Links heisst nicht, sich kleinkariert auf die nächste Wahl zu fixieren, sondern Lösungsansätze für eine Gesellschaftsordnung zu entwickeln, die sich den fundamentalen Bedrohungen dieser Zivilisation stellt.
  • Die entscheidende Aufgabe: Der global agierende Kapitalismus muss gesteuert werden. Nachhaltig, gewaltfrei, pragmatisch, pluralistisch, sozial ...

Mir ist völlig klar, dass diese 'revolutionäre', linke Position nicht mehrheitsfähig ist und von keiner Partei vertreten werden kann: Die Masse der Wähler interessiert keine globale Bedrohung, solange man noch bei Lidl und Aldi einkaufen kann. Probleme ausserhalb des persönlichen Umfeldes existieren nicht. Niemand ist bereit, sein Verhalten zu ändern und seinen Lebensstandard einzuschränken, damit auch die Enkel noch eine Natur vorfinden, in der sie leben und überleben können. Ohne grundsätzliche Änderungen unseres Umgangs mit der Natur aber wird es so nicht weitergehen. Weil wir über unsere Verhältnisse leben, treiben die Widersprüche die Menschen vor sich her … bis zum Kollaps. Mein Verdacht: Auf diese Weise hat sich der Zusammenbruch aller bisherigen menschlichen Kulturen abgespielt.

 

 

Anhang

Apparat ohne Seele

Tanja Stern - Der Apparat und die Seele
1. Auflage 2012, edition tanja stern
ISBN 978-3-938105-18-4

Eigentlich ist das Buch von Tanja Stern eine Familiengeschichte. Nebenbei aber erfährt man interessante Details über Moskau zur Zeit der Stalinschen "Säuberungen", aus den Anfängen der DDR und viele Geschichten aus der Zeit des "real existierenden Sozialismus". Das alles ist spannend und authentisch, weil Tanjas Eltern und Verwandte zu den Akteuren an vorderster Front gehörten.

Auch für Tanja ist es unbegreiflich, warum die Kommunisten den Stalinschen Terror klaglos ertragen und auch hinterher nicht hinterfragt haben. Das gleiche Problem taucht nach 1989 wieder auf: Warum ist die DDR sang und klanglos implodiert und warum fragt niemand von den ehemals so linientreuen Genossen nach den Ursachen dafür? In beiden Fällen sind es die gleichen Gründe, die in den Untergang geführt haben: Menschen glauben viel lieber an eine schillernde Vision und einen weisen Führer, als in der profanen Realität ihren eigenen Verstand zu benutzen. Und nach der Katastrophe hat niemand die Grösse, sich selbst ein massives Fehlverhalten einzugestehen.

Das hier zitierte Kapitel aus dem Buch von Tanja Stern fasst siebzig Jahre realen Sozialismus zusammen: "Der Kommunismus ist gescheitert an eben der Gewalt, der er einst seinen Durchbruch verdankte und ohne die er niemals denkbar war." Blinder Glaube und Gewalt - Eine Mischung, gegen die mit Aufklärung, Bildung und Demokratie nur schwer anzukämpfen ist.

Hier ist eine Leseprobe: www.storyal.de ...

14.06.2012 22:28

Aussagen zum "Demokratischen Sozialismus"

Im neuen Grundsatzprogramm der SPD, beschlossen am 28. Oktober 2007 auf dem Parteitag in Hamburg, ist sechs Mal die Rede vom 'Demokratischen Sozialismus', zu dem sich Parteichef Beck in seiner abschliessenden Rede ausdrücklich bekannt hat. Was man unter Demokratischem Sozialismus versteht, wird im Grundsatzprogramm so beschrieben: "Unsere Geschichte ist geprägt von der Idee des demokratischen Sozialismus, einer Gesellschaft der Freien und Gleichen, in der unsere Grundwerte verwirklicht sind. Sie verlangt eine Ordnung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, in der die bürgerlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Grundrechte für alle Menschen garantiert sind, alle Menschen ein Leben ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt, also in sozialer und menschlicher Sicherheit führen können."

Im Programmatischen Gründungsdokument der Partei DIE LINKE (Dortmund, 25. März 2007) taucht der Begriff 'Demokratischer Sozialismus' gleich elf Mal auf. Dabei geht es immer um hehre Zielvorstellungen wie beispielsweise: "Ziel des demokratischen Sozialismus, der den Kapitalismus in einem transformatorischen Prozess überwinden will, ist eine Gesellschaft, in der die Freiheit des anderen nicht die Grenze, sondern die Bedingung der eigenen Freiheit ist. Dazu machen wir uns im Hier und Heute auf den Weg, gegen Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und gegen patriarchale und rassistische Unterdrückung."

Die Zielstellungen für den Demokratischen Sozialismus der SPD oder der DER LINKEN hätte man auch aus den 'Dokumenten' eines beliebigen SED-Parteitags abschreiben können. Im Ziel waren sich Marxisten, Sozialdemokraten, Linke, Kommunisten und Träumer aller Couleur seit der Französischen Revolution immer einig: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - und dazu noch Gerechtigkeit. Eine Vision. Eine Vision, die sich spätestens nach dem 70-jährigen Feldversuch als Utopie erwiesen hat.

Beim Parteiengeschwätz vom Demokratischen Sozialismus geht es nur darum, Wähler zu ködern. Der neue Sozialismus ist weder ernst gemeint, noch ernst zu nehmen. Mehr ...

 

Die Unterschicht wächst

Das gab es noch nie: Die deutsche Wirtschaft wächst - aber die realen Nettolöhne fallen. Die Arbeitnehmer profitieren nicht mehr, wenn die Konjunktur brummt. Die Wachstumsgewinne fließen vor allem an die Unternehmer und Kapitalbesitzer. In den letzten drei Jahren legte die Wirtschaft real um rund 7 Prozent zu, aber die Arbeitnehmer müssen mit durchschnittlich 3,5 Prozent weniger Reallohn auskommen.

Die Mittelschichten schrumpfen, womit jene Haushalte gemeint sind, die über 70 bis 150 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügen. Über Jahrzehnte machte diese Gruppe stabil 62 Prozent der Deutschen aus. Doch plötzlich, nach der Jahrtausendwende, beginnt es zu bröckeln. 2006 gehörten schon nur noch 54 Prozent zur Mittelschicht. Das sind 44 Millionen Menschen, die sich als Mitte definieren können, 5 Millionen weniger als im Jahr 2000. Wer nicht mehr dazugehört, steigt ab: 2006 zählte zu den unteren Schichten bereits ein Viertel der Bevölkerung - damit ist der Anteil der Armen seit 2000 um 7 Prozentpunkte gestiegen.

 
Mittelschicht in Deutschland

Beim letzten Aufschwung 1998 legten die realen Nettolöhne pro Arbeitnehmer noch um 4 Prozent zu. Jetzt gingen sie, wie gesagt, um 3,5 Prozent zurück. Das drückt sich auch in der Lohnquote aus, die angibt, wie groß der Anteil der abhängig Beschäftigten am Volkseinkommen ist: 2001 waren es noch 71 Prozent, inzwischen ist die Lohnquote auf 64 Prozent eingebrochen. Die Schere zwischen Gewinnen und Gehältern öffnet sich immer weiter.

Verloren haben auch alle, die staatliche Leistungen erhalten: also Rentner, Arbeitslose, Kindergeld- oder Bafög-Empfänger. Ihre Zuwendungen sanken in den vergangenen drei Jahren real um fast 6 Prozent - denn trotz des Booms gab es noch nicht einmal einen Inflationsausgleich. Mehr ...

 

Vergangenheitsbewältigung

Mit meiner DDR-Vergangenheit habe ich mich ausführlich beschäftigt. Auch zu den oben aufgeworfenen Fragen nach den Ursachen des Zusammenbruchs des Sozialistischen Lagers habe ich eine klare, natürlich subjektive Position. Nachzulesen ist das in diesem Web: Webinterne Suchmaschine benutzen!

Lesenswert:
Wir sind die Sieger der Geschichte / www.storyal.de/story2000/sieger.htm
Die Irrtümer der Marxisten / www.storyal.de/story2003/irrtum.htm
Fundamentale Widersprüche / www.storyal.de/story2003/widerspruch.htm
Die letzte Hoffnung: Bildung / www.storyal.de/story2005/global.htm

 

 

Nachtrag

Nach meiner erneuten Nachfrage bei Dr. Gregor Gysi (hartnäckig!),
hat jetzt tatsächlich einer seiner Mitarbeiter geantwortet.
Quod erat demonstrandum:
Schon nach fast 20 Jahren fängt man tatsächlich an, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen!

Antwort Gysi

 

Jürgen Albrecht, 24. März 2008
update: 15.06.2012

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