BACK

Konzept einer neuen Wikipedia
   
Kritik an Wikipedia

Nach meinen eigenen Erfahrungen bei Veröffentlichungen in Wikipedia besitzt diese Enzyklopädie folgende Konstruktionsfehler:

  • Die fehlende Verantwortlichkeit bedeutet auch fehlende Sicherheit für die Qualität der Inhalte
  • Die Inhalte unterliegen unsinnigen Einschränkungen
    (keine Theoriefindung, nur bereits veröffentlichte Inhalte, und jetzt auch noch Relevanzkriterien ...)
  • Wahrheit ist nicht durch den "neutralen Standpunkt" zu ersetzen, denn er existiert in unserer Welt nicht
  • Die menschlichen Schwächen der Admins pervertieren das gesamte System ... 

Diese prinzipiellen Schwächen wurden von mir bereits im Dezember 2006 in der folgenden Story beschrieben ...
Sie haben dazu geführt, dass ich damals meine Mitarbeit bei Wikipedia eingestellt habe.

Besonders erstaunlich ist für mich, dass nicht die fehlende Qualität, Wahrheit und Verantwortlichkeit, sondern Psychoprobleme die Wikipedia in ihren Grundfesten erschüttern, die aus dem Umgang der fachlich inkompetenten, aber machtbesessenen Admins mit den Autoren resultieren. Ein weiteres Beispiel dafür, dass der Mensch mit zu vielen Emotionen und mit zu wenig Verstand ausgestattet ist ...

Eine Enzyklopädie benötigt man nicht, um Kreuzworträtsel zu lösen, sondern in erster Linie für die wissenschaftliche Arbeit. Die gegenwärtigen Konstruktionsmängel führen dazu, dass die Qualität der Wikipedia-Artikel wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügt. Ziel einer Reorganisation von Wikipedia muss sein, die entscheidenden Mängel zu beseitigen und so die Qualität der/einiger Artikel auf das Niveau von Artikeln in renommierten Fachzeitschriften anzuheben.

Tim Weber hat ein Konzept für eine neue Wikipedia vorgeschlagen, das die bestehenden Mängel beseitigen soll.
Hier wird untersucht, ob das mit Tims Omniapedia wirklich möglich ist:

 

Omniapedia und Unapedia

Tim Weber hat als Lösung dieser Probleme vorgeschlagen: Jedem seine Wikipedia Mit seinem Konzept denkt er das "Wiki"-Prinzip konsequent zuende: Jeder hat Zugriff zur Gesamtheit der veröffentlichten Inhalte. Jeder kann jeden Text veröffentlichen und jeden Text auch verändern bis hin zur Löschung. Die Gesamtheit aller Texte existiert in der Omniapedia, wer aber Inhalte verändert oder löscht, tut das nur in seiner eigenen Wikipedia. Das ist maximale Freiheit und bedeutet tatsächlich, jeder kann sich seine ganz private, subjektive Enzyklopädie stricken.

Wie das technisch mit dem Git-System funktionieren könnte, beschreibt Tim Weber ausführlich. Ich kann nicht beurteilen, ob es mit Git bereits funktioniert. Ich habe mich aber gefragt, welche Forderungen man an eine Software stellen müsste, um Tim's Omniapedia zu realisieren. Dabei habe ich Tim's Konzept etwas präzisiert (natürlich aus meiner subjektiven Sicht). Technisch ist es problemlos möglich, eine Software für Tim Webers Omniapedia zu bauen. Sie müsste folgende Forderungen erfüllen:

  1. Autoren veröffentlichen ihre Beiträge in der Omniapedia unter ihrem Namen und nur sie haben das Recht, ihre eingestellten Inhalte zu verändern oder zu löschen.
  2. Alle Nutzer haben Zugang zu allen original veröffentlichten Inhalten (Omniapedia). Sie können diese Inhalte aber weder verändern noch löschen.
  3. Jeder Nutzer hat die Möglichkeit, sich aus der Omniapedia durch Änderungen und Löschungen seine eigene, subjektive Unapedia zu bauen.
  4. Aus einer Unapedia kann per Akklamation eine Expertia XX werden, wenn sich eine Gruppe von Experten entschliesst, gemeinsam eine Expertia für ihr Fachgebiet XX aufzubauen und zu betreiben. Auf Antrag kann eine Expertia XX zertifiziert werden.
  5. Alle Nutzer haben auch Zugang zu allen Expertia's und allen Unapedia's, können dort aber Inhalte nicht verändern oder löschen.
  6. Neben vielen Detailforderungen zu Benutzerfreundlichkeit und Sicherheit hat die Software die komfortable Recherche im Gesamtbestand zu sichern. Dokumente mit besonders vertrauenswürdigem Inhalt sind dabei hervorzuheben (zertifizierte Expertia).

Eine solche Omniapedia funktioniert ohne jeden Administrator automatisch (bis auf die Zertifizierung). Damit sind die gegenwärtigen Admins überflüssig und alle subjektiven Schwulitäten mit ihnen aus dem Weg geräumt. Auch Vandalismus ist ausgeschlossen, da er nur auf der Ebene der Unapedia's stattfinden kann.

 

Verapedia

Das mit den Punkten 1. bis 6. beschriebene (und präzisierte) Konzept von Tim Webers Omniapedia fasziniert, weil mehr Freiheit in einer Wiki-Enzyklopädie nicht mehr vorstellbar ist: Der vom Autor eingestellte Inhalt wird absolut respektiert, kann aber trotzdem für subjektive Bedürfnisse verändert und sogar gelöscht werden. Bis hier her ist maximale Freiheit gewährleistet und jede Gängelung oder Bevormundung ausgeschlossen. Es gibt nur ein kleines Problem: Neben der Unveränderlichkeit der veröffentlichten Beiträge und der Eliminierung der Admins sind nur zwei der o.g. Konstruktionsfehler der Wikipedia beseitigt. Nach wie vor ist die (wissenschaftliche) Qualität der Inhalte nicht gesichert.

Der besondere Charme von Tim's Omniapedia besteht darin, dass sie einen Extremfall darstellt. Extrem viel Freiheit auf Kosten von Wahrheit + Objektivität = Qualität. Spannende Frage: Was wäre das Gegenteil von Omniapedia und könnte diese Variante die vorhandenen Konstruktionsfehler beseitigen?

Verapedia ist der andere Extremfall: Die objektive, wahre Wikipedia: Der gesamte Inhalt der Verapedia ist bis ins Detail objektiv und wahr. Während Omniapedia die Summe von unendlich vielen subjektiven Inhalten, Expertia's und Unapedia's ist, sind alle Inhalte von Verapedia objektiv. Deshalb kann es auch nur eine Version davon geben: Verapedia.

Mindestens zweifach ist Verapedia Illusion, ein schönes Trugbild: Der Mensch ist zu objektiven Erkenntnissen nicht fähig, also kann er auch keine zweifelsfrei objektiven Erkenntnisse in einer Verapedia beschreiben. Weder ein einzelner Autor, nicht Tim's "König" oder eine Jury sind im 'Besitz objektiver Wahrheiten. Ausserdem wissen wir spätestens seit Hegel, dass viele Sachverhalte und Dinge weder wahr noch falsch oder gleichzeitig wahr und falsch sind. Verapedia ist keine reale Lösung sondern eine Fata Morgana.

 

Expertia

Jetzt kommt Tim Webers "König" ins Spiel. Eine Unapedia wird zu einer Expertia XX, sobald sich eine Gruppe von Experten um einen Herausgeber/Editor/"König" zusammengeschlossen hat und mindestens folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Die Gruppe beschränkt sich mit ihren Veröffentlichungen auf ein klar zu definierendes Fachgebiet XX.
  • Alle Mitglieder der Gruppe sind Experten für dieses Fachgebiet.
  • Die Gruppe bemüht sich um die Darstellung des aktuellen, wissenschaftlichen Erkenntnisstandes auf dem Fachgebiet XX.
  • Ein Gruppenmitglied fungiert mit seinem Klarnamen (Name, Titel, Anschrift, E-Mail-Adresse)
    als Herausgeber und fachlicher Administrator für die Expertia XX.
  • Nur Gruppenmitglieder können Beiträge in der Expertia XX veröffentlichen, editieren und löschen.
  • Alle Gruppenmitglieder stehen mit ihren Namen für die Qualität ihrer Beiträge ein.
  • Es gelten alle bisher in der Wissenschaft üblichen Regeln für Veröffentlichungen
    (Wahrheit, Reproduzierbarkeit, Übereinstimmung mit den Naturgesetzen, Urheberrechte ...).
  • Das Prinzip des "Neutralen Standpunktes" wird ganz schlicht durch "Wahrheit" ersetzt.
  • Wo Wahrheit nicht gewährleistet werden kann, wird der Inhalt als das gekennzeichnet, was er ist:
    Hypothese, Modell, Glaubenssatz, Doktrin, Eingebung, Fiktion ...

Unter diesen Bedingungen wären ähnliche Voraussetzungen wie bei Fachzeitschriften gegeben. Sie wären identisch, wenn der Expertenstatus der Gruppe zweifelsfrei zertifiziert werden könnte. Das kann nicht durch die Organisation der Omniapedia erfolgen, sondern muss (wie jetzt bei Fachzeitschriften) von den fachspezifischen Standesorganisationen geleistet werden. Die Organisation der Omniapedia könnte dann eine Liste zertifizierter Expertia XX führen und entsprechende Rechercheergebnisse als besonders vertrauenswürdig kennzeichnen.

Die Einrichtung fachspezifischer, zertifizierter Expertia XX würden zusammen mit Omniapedia alle Konstruktionsfehler der Wikipedia beseitigen. Beispielsweise würde dann in absehbarer Zeit eine "Expertia Gehirnforschung" existieren und damit wäre sofort erkennbar, dass es sich bei dem Projekt Blue Brain um unseriöse Geisterfahrer handelt.

PS: Es wäre auch denkbar, dass sich einzelne Autoren der Omniapedia, die zum gleichen Stichwort schreiben, nach dem Prinzip der Expertia zusammenschliessen - In Eigeninitiative, ohne Zertifizierung und OHNE Admins! Auch solche Seiten könnten dann bei der Recherche gekennzeichnet werden, da sie (möglicherweise) eine bessere Qualität als Einzelseiten besitzen.

 

Organisation der Omniapedia

Entscheidendes Ziel der Organisation von Omniapedia muss sein, möglichst jegliche Berührung von Administratoren mit Autoren oder Nutzern zu vermeiden!! Das ist auch tatsächlich möglich, weil bei den oben unter Punkt 1. bis 6. genannten Funktionen der Eingriff von Administratoren nicht mehr erforderlich ist. Die Software kann diese Funktionen automatisch gewährleisten. Die veröffentlichten Inhalte unterliegen keinerlei Beschränkungen mehr (neutraler Standpunkt, Nachweis früherer Veröffentlichung, keine Theoriefindung {idiotisch!} usw.). Bestehende Gesetze sind selbstverständlich zu respektieren. Es ist nicht einmal eine Aufsicht erforderlich, denn beispielsweise für Urheber- und andere Rechtsverletzungen sind Polizei, Justiz und das Strafrecht zuständig (s. Kinderpornographie).

Der Schwerpunkt der Organisation der Omniapedia ist deshalb auf die Sicherung des laufenden Betriebs gerichtet. Die komfortable Bedienung des Systems, die Versionskontrolle und -dokumentation sowie die die Pflege der Software sind zu gewährleisten.

Einzig problematisch bleibt für die Organisation der Omniapedia die Zertifizierung der Expertia's. Jeder Nutzer hat das Recht, eine Expertia XX zu gründen, wenn er ein paar einfache Bedingungen erfüllt, die automatisch abzufragen sind (Name der Expertia, Fachgebiet, Name, Titel, Anschrift und E-Mail des Herausgebers, Aussagen zur beteiligten Gruppe usw.) Entscheidend ist, dass es zertifizierte und nicht zertifizierte Expertia's geben muss.

Für die Zertifizierung muss die Organisation der Omniapedia mit den entsprechenden wissenschaftlichen Standesorganisationen ein Verfahren entwickeln das sicherstellt, dass eine zertifizierte Expertia XX wissenschaftlichen Standards genügt. Nur Artikel einer zertifizierten Expertia XX werden dann von der Organisation der Omniapedia als wissenschaftlich korrekte Artikel gekennzeichnet. Die Gesamtheit dieser zertifizierten Artikel bildet den Teil der Omniapedia, der wissenschaftlichen Zielsetzungen und Bedürfnissen entspricht. Daneben gibt es auch in der Omniapedia einen grossen Pool von Inhalten, die nur die Qualität der jetzigen Wikipedia-Inhalte besitzen.

 

Sprache

Die Organisation der Omniapedia sollte von Anfang an vorschreiben, dass eine Voraussetzung für die Zertifizierung einer Expedia XX die Abfassung aller Inhalte in Englisch ist. Damit würde sich die globale Kommunikation von Wissenschaftlern wesentlich vereinfachen. Sie bedienen sich bereits jetzt schon weitestgehend der englischen Sprache.

 

Verwendete Begriffe

Wikipedia - Gegenwärtige Enzyklopädie auf Basis des Wiki-Prinzips

Omniapedia - Gesamter und originaler Datenbestand der in einer neuen Wiki-Enzyklopädie veröffentlichten Inhalte PLUS der Inhalte aller Expertia's und aller Unapedia's. Prinzip: Jeder Beitrag wird vom Autor ausschliesslich in der Omniapedia unter seinem Namen veröffentlicht/editiert/gelöscht und von dort aus automatisch in alle Expertia's und Unapedia's übertragen. Nur der Autor hat das Recht zur Modifikation seiner Inhalte.

Verapedia - Die objektive, einzig rechtmässige, wahre Wikipedia (eine Fata Morgana)

Unapedia - Subjektive Enzyklopädie eines einzelnen Nutzers, die er sich aus der Omniapedia zusammengestellt hat. In seiner persönlichen Unapedia ist der Nutzer berechtigt, alle Inhalte der Omniapedia in jeder Weise zu modifizieren.

Expertia XX - Experten-Unapedia für das Fachgebiet XX, für deren Inhalt und Qualität eine Gruppe von Experten bürgt. Bei der Organisation der Omniapedia kann die Zertifizierung der Expertia XX beantragt werden. Die Zertifizierung setzt übliche wissenschaftliche Standards für alle Inhalte voraus.

 

Facit

Gratulation an Tim Weber!

Ich hätte es nicht für möglich gehalten! Aber wenn man sein Konzept konsequent durchdenkt und präzisiert, entsteht tatsächlich eine auf dem Wiki-Prinzip basierende Online-Enzyklopädie, die wenigstens in speziellen Fachbereichen wissenschaftlichen Anforderungen genügt. Natürlich sind noch nicht alle Probleme dieses Konzepts erkannt und erst recht nicht gelöst. Wie zum Beispiel geht man damit um, dass 45.837 Leute in Omniapedia Artikel zum Stichwort Wein, Film oder Müll in 153 verschiedenen Sprachen einstellen? (s.o. PS)

Das Beste an diesem Konzept aber ist, dass eine qualitativ hochwertige Enzyklopädie als Silberstreif am Horizont auftaucht: In der Omniapedia und in den Unapedia's können sich alle Autoren austoben, jeder nach seiner Façon. Die Summe aller Expertia's aber ist die Online Enzyklopädie der Wissenschaft, durch live update ständig auf dem letzten Stand der Technik.

Jetzt muss Omniapedia nur noch realisiert werden! Das wird nicht einfach, denn bei Wikipedia wird es vielleicht kleine Änderungen, aber keine Revolution geben. Schon die Admins werden alles daran setzen, dass ihre herrlichen Jagdreviere erhalten bleiben. Kein eingefahrenes, soziales System ist in der Lage, sich von innen heraus qualitativ zu reorganisieren.
Ein Neustart muss her: Omniapedia - Ein neues System mit neuen Leuten in Konkurrenz zu Wikipedia.

Oder doch lieber gleich Verapedia in our second life ...?

 

Links zu Kritik an Wikipedia

faz.net Die Entwurzelung des Wissens

christian-von-kamp.de Kritik an Wikipedia - Links

netzpolitik.org/ Wikipedia: Die große Relevanz-Diskussion

heise.de Kritik und Unterstützung für Wikipedia

morgenpost.de Berliner Schüler vor Wikipedia gewarnt

spiegel.de Wikipedia-Autoren ziehen in den Löschkrieg

wikipedia.org Wikipedia- Relevanzkriterien ... Wahnsinn !!

storyal.de Wikipedia - Keine wissenschaftliche Qualität

 

     

Jürgen Albrecht, 20. November 2009
update: 23.11.2009

BACK